Neue Entwicklungen in der Hirnschrittmacher-Therapie könnten mehr Menschen mit Parkinson helfen

Betroffene könnten aber noch mehr von der THS profitieren, erklärt die Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und funktionelle Bildgebung (DGKN) anlässlich des Welt-Parkinson-Tages am 11. April 2014. Derzeit testen Düsseldorfer Forscher neue Stimulationsverfahren, die die Parkinson-Therapie weiter verbessern könnten.

Morbus Parkinson ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen. Sie tritt vor allem ab dem 50sten Lebensjahr auf und äußert sich durch Bewegungsstörungen, bedingt durch zittrige oder steife Muskeln. Um diese Symptome zu lindern, setzten Spezialisten in Deutschland im vergangenen Jahr rund 800 Parkinsonerkrankten feine Elektroden in einen bestimmten Gehirnabschnitt ein.

Über eine Fernbedienung wird ein Schrittmacher programmiert und aktiviert, der unter dem Schlüsselbein sitzt und die Elektroden mit Strom versorgt. „Die Elektroden geben auf diese Weise schwache Stromimpulse an umliegende Nervenzellen ab, was die unkontrollierten Bewegungen vermindert und zu einer besseren Beweglichkeit führt“, so der Düsseldorfer Parkinson-Experte Professor Dr. med. Alfons Schnitzler, Vizepräsident der DGKN.

Während Parkinson-Patienten bis vor kurzer Zeit einen solchen Hirnschrittmacher erst nach etwa zwölf Jahren Krankheitsdauer erhielten, setzen Ärzte ihn heute in bestimmten Fällen bereits nach durchschnittlich sechs Jahren ein – mit guten Erfolgen. So lindert die Tiefe Hirnstimulation Symptome bei diesen jüngeren Betroffenen stärker als eine optimierte medikamentöse Behandlung und verbessert somit die Lebensqualität.

„Erstaunlicherweise führt die THS in dieser Patientengruppe nicht nur zur Verbesserung der motorischen Symptome – die Patienten schätzen auch ihre kognitive Leistungsfähigkeit als verbessert ein“, sagt Professor Schnitzler, Leiter der Abteilung Bewegungsstörungen und Neuromodulation der Neurologischen Klinik an der Uniklinik Düsseldorf. „Leider kommen Parkinson-Patienten häufig gar nicht zum Spezialisten, um eine Hirnschrittmacher-Therapie für sich zu erörtern“, sagt der DGKN-Experte, „oder sie stellen sich zu spät vor, wenn sich ihre Lebensqualität bereits unwiderruflich verschlechtert hat.“

Um die THS noch weiter zu verbessern, erforscht das Düsseldorfer Team um Schnitzler in Kooperation mit anderen Arbeitsgruppen neue Stimulationstechniken, die durch technische Weiterentwicklungen möglich geworden sind. „Wir gehen davon aus, dass beispielsweise durch kürzere Impulszeiten bessere Ergebnisse erzielt werden können“, sagt Schnitzler. Derzeit wird auch ein neues Hirnschrittmacher-Modell getestet, das die elektrischen Impulse an die Gehirnaktivität anpassen soll. „Der erweiterte Stimulator gibt nicht nur Impulse an das Gehirn, er misst auch die Nervenzell-Aktivität“, erklärt der Neurologe und Neurophysiologe Schnitzler. Ziel ist die Entwicklung eines adaptiven Hirnschrittmachers, der die Stimulation dynamisch an die Eigenaktivität der krankhaften Nervenzellen anpasst – bisher ist eine gleichmäßige Dauerstimulation üblich.

Weltweit testen mehrere Zentren die neue Technik. „Die meisten davon befinden sich in Deutschland, etwa in Düsseldorf, Würzburg, Köln, München und Berlin. „Bei der Weiterentwicklung der THS ist Deutschland führend“, sagt der DGKN-Experte Schnitzler. „Wir möchten alle Parkinson-Patienten dazu ermuntern, sich früher von spezialisierten Neurologen untersuchen zu lassen, um zu prüfen, ob eine Tiefe Hirnstimulation für sie in Frage kommt.

Quellen:
*Welter et al. “Optimal target localization for subthalamic stimulation in patients with Parkinson disease” Neurology published online March 19, 2014
*Little et al. „Adaptive Deep Brain Stimulation in Advanced Parkinson Disease” ANN NEUROL 2013;74:449–457
*Hirschmann et al. “A direct relationship between oscillatory subthalamic nucleus–cortex coupling and rest tremor in Parkinson’s disease” Brain, October 22, 2013 A, doi:10.1093/brain/awt271

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 Die Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und funktionelle Bildgebung (DGKN) ist die medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft für Ärzte und Wissenschaftler in Deutschland, die auf dem Gebiet der klinischen und experimentellen Neurophysiologie tätig sind. Anliegen der DGKN ist es, die Forschung auf diesem Gebiet zu fördern sowie eine qualitätsgesicherte Aus-, Weiter- und Fortbildung zu garantieren. Zu diesem Zweck richtet die DGKN wissenschaftliche Tagungen, Symposien und Fortbildungsveranstaltungen aus. Sie erarbeitet Richtlinien und Empfehlungen für die Anwendung von Methoden wie EEG, EMG oder Ultraschall. Darüber hinaus setzt sich die DGKN für den wissenschaftlichen Nachwuchs ein, indem sie etwa Stipendien und Preise vor allem für junge Forscher vergibt. Die Methoden der klinischen Neurophysiologie kommen Patienten bei der Diagnose und Therapie von neurologischen Erkrankungen wie Parkinson, Alzheimer, Migräne, Epilepsie, Schlaganfall oder Multiple Sklerose zugute.

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