Mit Mikrowellen und Kügelchen – wie interventionelle Radiologen Krebs behandeln

Radiologen sind nicht „nur“ Diagnostiker. Mit der interventionellen Radiologie stellen die „Bildgeber“ der Medizin eine ganze Palette an minimalinvasiven Methoden zur wirkungsvollen und für den Patienten schonenden Tumorbekämpfung bereit.

Bei der Therapie des hepatozellulären Karzinoms (HCC), dem primären Leberzellkarzinom, zieht bei selektierten Patienten die bildgesteuerte Tumorablation mittlerweile mit der konventionellen, chirurgischen Tumorentfernung gleich – eine entsprechende Erstellung der Behandlungsleitlinie ist für Deutschland in Arbeit, sagt Professor Dr. Philippe L. Pereira, Klinikdirektor an den SLK-Kliniken Heilbronn. Er wird auf dem 92. Deutschen Röntgenkongress die aktuellen Entwicklungen und Studien in der minimalinvasiven Behandlung dieser häufigen Krebsart vorstellen.

Nur ein Stich durch die Haut
„Wir unterscheiden grundsätzlich zwischen den perkutanen und den intraarteriellen Verfahren“, erklärt Professor Pereira und beschreibt damit die beiden Wege, auf denen sich der ‚Interventionalist‘ (international „Interventioneller Onkologe“) dem Tumor im Lebergewebe nähern kann. Bei den perkutanen Verfahren sticht der Radiologe eine oder mehrere Sonden von etwa 1,5 Millimeter Durchmesser durch die Haut des Patienten, um zum Tumor vorzudringen. Vor Ort angelangt entströmen der Sonde Radiofrequenzen oder Mikrowellen, die den Tumor mit Temperaturen bis zu 120 Grad Celsius verkochen.
„Das Verfahren selbst ist nicht neu“, sagt Professor Pereira, schon in den 20er Jahren habe man elektromagnetische Wellen zur Verödung von Tumoren eingesetzt – allerdings bei den meist sehr kleinen Hirntumoren. „Die Größe war lange Zeit ein limitierender Faktor für die Mikrowellenanwendung“, erklärt Professor Pereira. „Inklusive des Sicherheitsabstands, also des gesunden Geweberings um einen Tumor, den wir ebenfalls entfernen müssen, ist die zu behandelnde Fläche bis zu fünf Zentimeter im Durchmesser. Moderne Sonden können dieses Gewebegebiet sicher verkochen.“ Der Patient spürt wenig von dieser hohen Wärmeeinwirkung, die Nadel erhitzt sich nicht, das Lebergewebe selbst ist schmerzfrei. Betäubt wird nur die Einstichstelle, der Patient kann während des Eingriffs wach bleiben. Ein großer Vorteil, denn auf die belastende Vollnarkose

bei ohnehin schwerkranken Patienten kann bei der interventionellen Technik verzichtet werden.

Ideal für schwer zugängliche Tumoren
Ein weiterer Vorteil des minimalinvasiven Verfahrens: „Mit der Sonde kommen wir auch dorthin, wo der Chirurg in der offenen OP nicht mehr oder nur unter erheblichen Mühen hingelangt“, so Pereira. Üblicherweise ist das Verfahren dreigeteilt: Zunächst wird mithilfe eines schnittbildgebenden
Verfahrens (Computertomografie oder Magnetresonanztomografie) der Tumor geortet und die Entscheidung über den Zugangsweg für die Sonde gefällt. Wichtig ist hierbei, empfindliche Gewebestrukturen, allen voran größere Gefäße, zu meiden. Dann folgt – ausgehend von der „Landkarte“, die das CT oder MRT bereitstellt, die exakte Platzierung der Sonde. Nach etwa einer viertel Stunde der Mikrowellenanwendung wird eine erneute Aufnahme erstellt und kontrolliert, ob das Tumorgewebe bereits vollständig verkocht ist – wenn ja, ist der Eingriff

nach einer viertel Stunde abgeschlossen.

Kleinste Kügelchen schneiden den Leberkrebs oder die Lebermetastasen von der
Blutzufuhr ab
Nicht nur durch die Haut, auch über die Gefäßbahnen kann der Interventionalist zum Tumor gelangen. Bei den intraarteriellen Verfahren wird ein Gefäßkatheter eingesetzt, der zumeist über die Arterie in der Leiste unter Röntgenkontrolle an das Tumorgewebe herangeführt wird. Dort angekommen streut der Katheter mikrofeine Partikel aus, die ein Zytostatikum, ein chemotherapeutisches Medikament, enthalten können. „Wir bringen das Medikament genau dorthin, wo es wirken soll und dämmen damit die Nebenwirkung, die man von der systemischen Chemotherapie kennt, radikal ein“, sagt Professor Pereira. Auch bei der intraarteriellen Methode haben technische Verfeinerungen die Behandlung
immer besser werden lassen, sagt Pereira mit Blick auf die Studienlage. Denn die
Trägerpartikel, die zugleich dafür sorgen, dass der Tumor von der Gefäßversorgung abgeschnitten wird, sind mittlerweile untern einem Millimeter, teilweise nur noch 0,04 mm groß. Die Partikel dringen tief in die Kapillaren des Tumors ein und schneiden ihn damit komplett von der Blutversorgung ab.

Neue Leitlinien: Minimalinvasive Therapie kurativ einzusetzen

Aufgrund der in verschiedenen Studien nachgewiesenen Erfolge der mininmalinvasiven Tumorablation werden jetzt sowohl die perkutane als auch die intraarterielle Behandlung des kleinen HCC in die Behandlungsleitlinien als gleichrangig zur chirurgischen Methode aufgenommen. Beide Verfahren, die Chirurgie wie die Intervention zeigt hier eine 50-60 Prozentige Überlebensrate beim Patienten nach fünf Jahren. Diesen kurative Aspekt der interventionellen Radiologie hebt Prof. Pereira besonders hervor: „Über Jahre hinweg waren

die Krebsbehandlungsmethoden der Radiologie vor allem palliativer Natur, wir haben vorrangig Metastasen bei ohnehin schwerstkranken Patienten behandelt. Jetzt zeigt sich, dass die Interventionelle Radiologie Krebspatienten auch abschließend heilen kann.“

Media Contact

Florian Schneider idw

Weitere Informationen:

http://www.drg.de/

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