Maßgeschneiderte Impfung per Nasenspray

Eine am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) untersuchte Substanz kann die Zellen der körpereigenen Abwehr stimulieren – bis auf einen bestimmten Typ von ihnen, den sie sogar gezielt hemmt. Weil die betreffende Klasse von Immunzellen, genannt „Th 17“, manchmal gesundheitliche Probleme verursacht, hoffen die Forscher auf vielfältige Einsatzmöglichkeiten für das Molekül.

Vor allem als Impfstoff-Zusatz, auch Adjuvans genannt, könnte es eine maßgeschneiderte Immunisierung gegen bestimmte Erreger ermöglichen. Der besondere Reiz: Die Substanz namens „Alpha-GalCerPEG“ entfaltet ihre Wirkung auch bei der Verabreichung als Nasenspray – ein Anwendungsweg, der bei Impfungen als sehr schwierig, aber auch besonders aussichtsreich gilt.

Die Erkenntnisse der Braunschweiger Forscher zu Wirkungsweise und Einsatzmöglichkeiten von Alpha-GalCerPEG hat das Wissenschaftsmagazin „PLoS ONE“ in seiner aktuellen Ausgabe veröffentlicht.

Infektionen führen – im günstigsten Fall – zur Bildung und Aktivierung spezifischer Immunzellen, die den Organismus fortan effizient vor den betreffenden Krankheitserregern schützen. Diesen Effekt versucht man bei Impfungen nachzuahmen, indem man mit abgeschwächten Erregern oder Bestandteilen von ihnen eine Immunantwort hervorruft, ohne dabei eine Krankheit auszulösen. Es hängt dabei vom Erreger und vom Infektionsweg ab, welche Typen von Immunzellen der Körper bildet und in welchem Maß sie jeweils aktiv werden. Bestimmte Immunzell-Typen können in manchen Situationen auch Schaden anrichten – etwa indem sie irrtümlich den eigenen Körper angreifen und unkontrollierbare oder chronische Entzündungsprozesse auslösen.

Die T-Helfer 17-Zellen etwa, kurz „Th 17“, die man erst seit einigen Jahren kennt, sind bei vielen Infektionsverläufen unverzichtbar für die körpereigene Abwehr. Insbesondere in frühen Phasen von Entzündungsreaktionen kann ihr Einsatz als antimikrobielle „Schutztruppe“ lebenswichtig sein. Manchmal jedoch leiten sie die Immunabwehr in eine falsche Richtung – dann entsteht mitunter eine chronische Entzündung, bei der der Körper irrtümlich eigenes Gewebe angreift. „Bei chronischen Borrelia-Infektionen kann es beispielsweise zu einer schweren Arthritis kommen“, erklärt Prof. Carlos A. Guzmán, Leiter der Abteilung „Impfstoffforschung“ am HZI in Braunschweig. „Viele Befunde legen nahe, dass Th 17-Zellen diesen Krankheitsverlauf mitverursachen.“

Obwohl man über die Funktion der Th 17-Zellen noch wenig weiß und sie vermutlich bei der Infektionsabwehr öfter eine nützliche als schädliche Rolle spielen, steht für Guzmán fest: „Es sind viele Fälle denkbar, in denen es sehr wünschenswert wäre, wenn man die Th 17 abschalten könnte, ohne die Aktivität der anderen Abwehrzellen zu beeinträchtigen.“

Dies trifft zum Beispiel für Impfungen zu, insbesondere für solche, die über die Nasenschleimhaut erfolgen – ein Gebiet, auf dem Guzmán seit längerem forscht. „Bei Impfungen per Nasenspray kann man auf unangenehme Injektionen verzichten“, sagt er. Die Spray-Impfung bereitet aber auch ganz eigene Schwierigkeiten, etwa bei der Dosierung. Und: „Wenn man Impfstoffe über die Nase verabreicht, regt man die Th 17-Zellen oft ganz besonders stark an.“ In denjenigen Fällen, in denen zu viel Th 17-Aktivität Risiken birgt, kann man sie durch die Beigabe von Alpha-GalCerPEG gezielt zügeln. In Versuchen mit Mäusen ist dies bereits gelungen.

„Wir verstehen jetzt den Wirkmechanismus von Alpha-GalCerPEG – ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem kontrollierten Einsatz“, sagt Sebastian Weissmann, Wissenschaftler in Guzmáns Team. „Ein Ziel unserer Gruppe ist es, eine Art Impfstoff-Baukastensystem zu entwickeln. So könnte man Impfstoffe aus einzelnen Bausteinen zusammensetzen und dadurch die Immunantwort auf bestimmte Krankheitserreger speziell abstimmen. Mit dem Alpha-GalCerPEG haben wir einen neuen, erfolgversprechenden Baustein gefunden.“

Originalpublikation:
NKT Cell Stimulation with α-Galactosylceramide Results in a Block of Th17 Differentiation after Intranasal Immunization in Mice.
Beata M. Zygmunt, Sebastian F. Weissmann, Carlos A. Guzman
PLoS ONE
http://dx.plos.org/10.1371/journal.pone.0030382

Kontakt: HZI-Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, 0531-6181-1401
Das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung:
Am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) untersuchen Wissenschaftler die Mechanismen von Infektionen und ihrer Abwehr. Was Bakterien oder Viren zu Krankheitserregern macht: Das zu verstehen soll den Schlüssel zur Entwicklung neuer Medikamente und Impfstoffe liefern.

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