Jenaer Forscher wollen Ungeborene retten

Forscher der Universität Jena haben eine Datenbank entwickelt, mit deren Hilfe sie die elterliche Angst eindämmen wollen, behinderte Kinder zur Welt zu bringen.

„Wenn bei pränatalen Untersuchungen eine bestimmte chromosomale Auffälligkeit, ein sogenanntes kleines Markerchromosom bei einem Ungeborenen festgestellt wird, dann entscheiden sich fast 60 Prozent der Eltern das Kind abtreiben zu lassen“, erzählt Thomas Liehr, Leiter der Arbeitsgruppe molekulare Zytogenetik an der Universität Jena, im pressetext-Gespräch.

Dabei hat gerade einmal ein Drittel der Geborenen mit einem solchen Markerchromosom dann auch tatsächlich eine Beeinträchtigung. „Um die Rate der unnötigen Schwangerschaftsabbrüche einzudämmen, haben wir unsere Datenbank entwickelt. Durch deren Ergebnisse können wir angehende Eltern besser über mögliche und tatsächliche Risiken aufklären“, so Liehr weiter.

Dafür haben die Wissenschaftler bislang 2.750 Fälle von Kindern aus aller Welt zusammengetragen und erfasst, wie viele und welche von diesen tatsächlich eine Behinderung aufweisen. Seit Jahrzehnten wird in der vorgeburtlichen Diagnostik mit der sogenannten 70:30-Variante gearbeitet. „Nach der weisen nur 30 Prozent der Kinder, die ein zusätzliches Markerchromosom haben, später körperliche und/oder geistige Auffälligkeiten auf“, erläutert Liehr. Mehr als zwei Drittel sind also gesund. Nichtsdestotrotz entscheiden sich annährend 60 Prozent der Eltern bei der Diagnose Markerchromosom, die Schwangerschaft zu beenden.

An dieser Stelle setzt die von Liehr und seinem Team erarbeitete Datenbank an. „Wenn bei einer Fruchtwasseruntersuchung festgestellt wird, dass das untersuchte Kind Träger eines 47. Chromosoms ist, bestimmen wir dieses näher“, erläutert Liehr. Die dann gewonnenen Ergebnisse werden mit den Datenbankfällen abgeglichen. „Wenn sich dort in vergleichbaren Fällen – also solchen mit dem gleichen Typ von Markerchromosom – findet, dass keine klinischen Auffälligkeiten vorliegen, entscheiden sich die werdenden Eltern in der Regel für das Kind“, so Liehr. Er fügt jedoch an, dass ihre Trefferquote zwar recht hoch sei, aber auch ihre Prognosen keine Garantie auf 100-prozentige Zuverlässigkeit hätten. Denn dafür sei die Datenbank noch mit zu wenigen Fällen gefüttert.

Für eine noch genauere Prognose sei es von daher notwendig, ständig neue Fälle auszuwerten und in die Datenbank zu integrieren. „Wir wissen, dass es weltweit etwa drei Mio. Patienten mit Markerchromosomen gibt, von daher haben wir noch eine Menge Erfassungsarbeit vor uns“, fährt Liehr fort. „Wir haben aber das Glück, dass uns die Labore aus Deutschland, Österreich und der Schweiz kennen und uns oft solche Fälle zur Untersuchung zusenden.“ Aber auch Betroffene und deren Familien würden sich mittlerweile privat an die Universität Jena wenden, untersuchen und so in die Datenbank aufnehmen lassen. Wichtig ist Liehr dabei zu betonen, dass sämtliche Daten anonymisiert sind, so dass keinerlei Beeinträchtigungen beim Abschluss von Krankenkassen oder Lebensversicherungsverträgen zu erwarten sind.

Die Datenbank findet sich unter http://markerchromosomes.wg.am

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Erik Staschöfsky pressetext.deutschland

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