Hemmstoff gegen chronische Nierenerkrankungen

Ein Nierenkörperchen in Glomerulonephritis mit darum herum angeordneten dendritischen Zellen (grün). (c) Foto: Katharina Hochheiser/UKB<br>

Dieses Molekül stellt einen möglichen Therapieangriffspunkt da, durch den das Voranschreiten von Nierenerkrankungen aufgehalten werden kann. Die Ergebnisse werden nun im „Journal of Clinical Investigation” online vorab vorgestellt. Die Druckausgabe erscheint im Oktober.

Chronische Nierenerkrankungen betreffen in Deutschland bis zu vier Millionen Menschen – die Tendenz steigt. Die Folgen solcher Krankheiten können bis zu einem endgültigen Verlust der Nierenfunktion reichen, die mit regelmäßiger Blutwäsche behandelt werden muss. Die Dialyse ist nicht nur extrem teuer, sondern vor allem auch mit hohen Einschränkungen der Lebensqualität und Lebenserwartung verbunden. Einziger Ausweg ist eine Nierentransplantation.

Die Ursachen chronischer Nierenerkrankungen sind häufig fehlgeleitete Immunantworten gegen die Nierenkörperchen sowie Diabetes mellitus und Bluthochdruck. „Aber auch bei diesen nicht primär durch immunologische Vorgänge verursachten Krankheiten spielt das Immunsystem eine wichtige Rolle, indem es chronische Entzündung und die Zerstörung von Nierengewebe und dessen Ersatz durch Narbengewebe fördert“, sagt Prof. Dr. Christian Kurts von den Instituten für Molekulare Medizin und Experimentelle Immunologie (IMMEI) des Bonner Universitätsklinikums.

Die Niere produziert sehr viel Fraktalkin

Dendritische Zellen sind die Wächter und Hauptregulatoren der Immunantwort. Vor wenigen Jahren entdeckte Prof. Kurts mit seiner Mitarbeiterin Katharina Hochheiser, dass dendritische Zellen eine wichtige Rolle beim Fortschreiten von Nierenerkrankungen spielen. Nun gelang beiden eine fundamentale Entdeckung: Dendritische Zellen benötigen das Molekül Fraktalkinrezeptor (CX3CR1), um die Niere zu besiedeln. In anderen Organen spielt dieser Rezeptor dagegen keine führende Rolle. „Wenn dieses Molekül in Versuchsmäusen fehlt, befinden sich 75 Prozent weniger dendritische Zellen in deren Nieren, während andere Organe größtenteils unbeeinflusst bleiben“, berichtet Katharina Hochheiser.

Dieser klare Zusammenhang in der Niere war zunächst erstaunlich, weil dendritische Zellen auch in anderen Organen den Fraktalkinrezeptor besitzen. Die Niere produziert jedoch sehr viel des Moleküls Fraktalkin, das an den Rezeptor bindet. „Dieses Zusammenspiel fördert die Besiedlung der Nieren durch dendritische Zellen und könnte die erstaunlich hohe Zahl dieser Zellen in diesem Organ erklären“, sagt Prof. Kurts.

Versuchsmäuse, denen der Fraktalkinrezeptor fehlt, sind weitgehend vor einer fehlgeleiteten Immunantwort gegen die Nierenkörperchen geschützt, wie die Bonner Forscher in Kooperation mit einer französischen Arbeitsgruppe am Institut national de la santé et de la recherche médicale (Inserm) in Paris und am Universitätsklinikum Eppendorf in Hamburg zeigen konnten. „Somit bieten sich Hemmstoffe dieses Rezeptors zur Therapie an, da auf diese Weise die Zahl der dendritischen Zellen in der Niere verringert werden könnte“, sagt Doktorandin Hochheiser. Dies könnte nicht nur nützlich sein, wenn das fehlgeleitete Immunsystem die Nierenkörperchen angreift, sondern auch bei anderen Erkrankungen der Niere. „Auffallend ist, wie spezifisch dieser Effekt ist: Dendritische Zellen in anderen Organen benötigen den Fraktalkinrezeptor nicht, so dass durch einen Hemmstoff deren Funktionen nicht eingeschränkt werden sollten“, sagt Prof. Kurts.

Interessante Ansätze für Therapien

Immunsuppressive Therapien erhöhen meist das Risiko für Infektionen. Die häufigste Infektion der Niere ist die Nierenbeckenentzündung, die durch Bakterien ausgelöst wird. Früh genug erkannt kann diese Erkrankung mit Antibiotika gut behandelt werden. Dennoch kommt es zu Narben in der Niere und zu häufigen Rückfällen. Dendritische Zellen spielen eine wichtige Wächterfunktion bei dieser Infektion, wie André Tittel, ein weiterer Mitarbeiter aus dem Institut für Experimentelle Immunologie, vor zwei Jahren zeigen konnte. Auf der Basis dieser Beobachtung stellte sich nun die Frage, ob eine Hemmung des Fraktalkinrezeptors das Risiko für Niereninfekte erhöht. Die Wissenschaftler beobachteten aber, dass solche Niereninfekte auch bei fehlendem Fraktalkinrezeptor fast unverändert schnell vom Immunsystem bekämpft werden.

Dies liegt an einem anatomischen Detail: Die dendritischen Zellen benötigen den Fraktalkinrezeptor vorwiegend in der Nierenrinde, wo sich die Entzündung der Nierenkörperchen abspielt, und nicht im Nierenbecken, wo die Infektion stattfindet. „Die geringe Infektneigung ist ein weiterer Grund, aus dem der Fraktalkinrezeptor interessant für die Therapie erscheint“, sagt Prof. Kurts. Es gebe aus epidemiologischen Studien Hinweise, dass diese im Tiermodell beobachteten Mechanismen im Menschen ähnlich ablaufen. Es sind nun klinische Studien erforderlich um zu belegen, dass diese experimentellen Befunde auch für den Menschen gültig sind.

Publikationen:

Exclusive CX3CR1 dependence of kidney DCs impacts glomerulonephritis progression, Journal of Clinical Investigation, DOI: 10.1172/JCI70143

Eine aktuelle Übersicht aus dieser Arbeitsgruppe über immunvermittelte Nierenerkrankungen in: The immune system and kidney disease: basic concepts and clinical implications, Nature Reviews Immunology, DOI: 10.1038/nri3523.

Kontakt:

Prof. Dr. med. Christian Kurts
Institut für Molekulare Medizin und Experimentelle Immunologie (IMMEI)
Tel: 0228-28711050
E-Mail: ckurts@uni-bonn.de

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Johannes Seiler idw

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