Genetische Analysen in der Krankheitsprävention?

Forscher am Universitätsklinikum Bonn erproben derzeit die Handhabbarkeit eines Verfahrens, mit dem anhand genetischer Analysen und Fragebogendaten Vorschläge für eine geänderte Lebensführung erarbeitet werden. Bonn ist einer von drei Pilotstandorten in Europa, die an dem EU-Projekt 'Eurogene' teilnehmen.

„Trotz der 99.9 %igen Übereinstimmung in der Abfolge des genetischen Codes sind die Menschen ganz offensichtlich verschieden“, sagt Studienleiter Dr. Markus Look. „Zu unserer Individualität tragen unter anderem kleine Variationen in unseren Erbanlagen bei. Manche von ihnen steigern beispielsweise das individuelle Risiko, eine Krankheit zu bekommen, wenn weitere ungünstige Faktoren wie Bewegungsmangel, Fehlernährung oder Nikotin bei der Lebensführung hinzukommen.“

Nur selten bedeutet jedoch eine bestimmte genetische Konstellation, dass der Betroffene einem unausweichlichen Schicksal entgegen sieht. „Risikogene spannen den Hahn des Revolvers, den Abzug betätigt man dagegen selbst durch eine gesundheitsschädliche Lebensführung“, fasst Dr. Look den Sachverhalt in ein Bild. Beispiel Thrombose: „Wenn gefährdete Personen zusätzlich noch rauchen, übergewichtig sind oder orale Verhütungsmittel nehmen, steigt das Thrombose-Risiko deutlich an“, sagt Look. „Ein Gentest kann also in diesem Fall dazu anregen, den Lebensstil entsprechend anzupassen. Dagegen ist es meist nicht sinnvoll, Genvarianten isoliert zu betrachten – sprich: ohne das individuelle Verhalten mit einzubeziehen.“

Dr. Look und seine Kollegen am Institut für Klinische Chemie und Pharmakologie untersuchen derzeit, wie eine solche „Kontextualisierung“ aussehen könnte. Einhundert über- bzw. normalgewichtigen Probanden nehmen daran teil. Die Teilnehmer wurden zu ihrem Lebensstil und ihren Ernährungsgewohnheiten befragt: Sie mussten beispielsweise offenbaren, wie viel Kaffee sie trinken, ob sie ihr Essen nachsalzen, welches Gemüse sie essen, ob sie Nahrungsergänzungspräparate einnehmen und wie viel Sport sie treiben.

Im Labor wurde dann auf relativ häufig vorkommende Varianten in rund 30 Genen getestet, die bei „ungesundem Lebensstil“ das Risiko für bestimmte Erkrankungen erhöhen können. Eine Software hat daraus zusammen mit den Antworten aus dem Lebensstilfragebogen sowie Angaben zu Größe, Gewicht und Alter einen sogenannten Nutrigenomik-Bericht erstellt (von lat. Nutrimentum = Ernährung und engl. Genomics = Erforschung der Erbanlagen einer Spezies). Dieser enthält neben allgemeingültigen Tipps auch individuelle Ernährungsempfehlungen. Er gibt beispielsweise an, wie viel Kaffee die getestete Person trinken kann, ohne die Schwelle zu überschreiten, an der nach heutigen Erkenntnissen das Risiko für das Auftreten eine Osteoporose im Alter steigt. Aber auch der Bedarf an Nährstoffen wie zum Beispiel Folsäure und Vitamin D soll individueller abgeschätzt werden. „Auf das Lob für positive Lebensgewohnheiten wird dabei eben so großen Wert gelegt wie darauf, vor Risikoverhalten zu warnen“, betont Dr. Look. „Das motiviert, gesundheitsförderndes Verhalten beizubehalten und schlechte Angewohnheiten zu ändern.“ Dazu kommen allgemeine Erklärungen zu einem gesunden Lebensstil, die unabhängig von den Erbanlagen gelten – etwa, welches Gemüse die benötigte Folsäure oder andere B-Vitamine enthält, oder, welche Nahrungsmittel außer Fisch die wertvollen Omega-3-Fettsäuren enthalten.

„Drei bis sechs Monate später haben wir einen Teil der getesteten Personen erneut eingeladen“, erklärt der Forscher. „Uns interessierte dann unter anderem, ob sie ihren Lebensstil auf Grund des Nutrigenomik-Berichts geändert hatten. Außerdem befragen wir alle Teilnehmer per E-Mail nach ihrer Zufriedenheit mit der Beratung und der Interpretation ihrer Testergebnisse. Denn eine Präventionsmaßnahme lebt davon, dass die Patienten sie annehmen.“ In einem zweiten Schritt wollen die Forscher zudem noch untersuchen, ob sich klassische Laborwerte wie Cholesterin-, Blutzucker- und Vitaminspiegel in einen Nutrigenomik-Bericht sinnvoll einpassen lassen.

Das Projekt EUROGENE wird von der EU-Kommission in ihrem 6. Rahmenprogramm gefördert.

Kontakt:
Dr. Markus P. Look
Institut für Klinische Chemie und Pharmakologie
des Universitätsklinikums Bonn
Telefon: 0228/287-12132
E-Mail: drlook@drlook.de

Media Contact

Frank Luerweg idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-bonn.de/

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