Durch Genanalysen entdeckt: Medikament reduziert negative Erinnerungen

Genombasierte Identifizierung von Medikamenten.<br>Bild: Universität Basel<br>

Zudem konnten sie in einer Medikamentenstudie zeigen, dass eine so entdeckte Substanz negative Erinnerungen reduziert. Dies könnte für die Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung, die durch schmerzhafte traumatische Erinnerungen gekennzeichnet ist, von Bedeutung sein. Die Ergebnisse dieser Studie sind in der jüngsten Ausgabe der US-Fachzeitschrift PNAS erschienen.

Das Human-Genom-Projekt hat im letzten Jahrzehnt eine Fülle an Daten über die genetische Grundlage von Erkrankungen geliefert. Allerdings war bisher unklar, inwiefern dieses Wissen zur Entdeckung neuer Medikamente von Nutzen sein könnte – besonders zur Behandlung von neuropsychiatrischen Erkrankungen. Wissenschaftler um Prof. Andreas Papassotiropoulos und Prof. Dominique de Quervain von den Universitären Psychiatrischen Kliniken, der Fakultät für Psychologie und vom Biozentrum der Universität Basel haben in einer gross angelegten Studie die genetischen Grundlagen von negativen Erinnerungen beim Menschen untersucht; diese Gedächtnisform spielt bei Angsterkrankungen wie der posttraumatischen Belastungsstörung eine wichtige Rolle. In einer auf Gen-Netzwerken basierenden Analyse identifizierten die Forscher rund 20 Gene, die beim Erinnern von negativen Gedächtnisinhalten beteiligt sind.

Bekanntes Antiallergikum eingesetzt
Geleitet durch die Ergebnisse der genetischen Analysen, untersuchten die Wissenschaftler in einer doppelblinden, placebokontrollierten Studie eine Substanz, die an eines der zuvor entdeckten Genprodukte bindet. Überraschenderweise handelte es sich dabei um ein bekanntes Antiallergikum. Die einmalige Einnahme dieses Medikaments führte zu einer signifikanten Reduktion der Erinnerungsfähigkeit von zuvor gesehenen negativen Bildern, ohne dass dabei das Gedächtnis für neutrale oder positive Inhalte beeinflusst wurde. Die Befunde könnten für die Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung von Bedeutung sein.

Die Forscher konnten mit dieser Studie erstmals zeigen, dass es mithilfe genetischer Untersuchungen am Menschen gelingt, Substanzen mit bis anhin unbekannten Wirkungen auf das Gedächtnis zu identifizieren. «Die rasante Entwicklung von innovativen genetischen Analysemethoden hat diesen neuen und viel versprechenden Ansatz ermöglicht», so Papassotiropoulos. Nun planen die Wissenschaftler weitere Studien: «In einem nächsten Schritt versuchen wir, gedächtnisverbessernde Medikamente zu identifizieren und zu entwickeln», sagt de Quervain. Die Forscher erhoffen sich damit, neue Impulse für die dringend notwendige Entwicklung von besseren Medikamenten zur Behandlung von neuropsychiatrischen Erkrankungen liefern zu können.

Firma für klinische Anwendungen
Um den Entdeckungen ihrer Forschung zu konkreten klinischen Anwendungen zu verhelfen, haben de Quervain und Papassotiropulos dieses Jahr die Firma GeneGuide AG gegründet. Die Firma hat sich mit dem genombasierten Forschungsansatz auf die Entdeckung neuer Medikamente für neuropsychiatrische Erkrankungen spezialisiert. Dieser neuartige Ansatz stösst auch bei der pharmazeutischen Industrie auf Interesse, da die Entwicklung von Medikamenten gegen neuropsychiatrische Erkrankungen, die vorwiegend auf Tiermodellen beruht, bisher enttäuschend verlaufen ist.
Originalbeitrag
Andreas Papassotiropoulos, Christiane Gerhards, Angela Heckc, Sandra Ackermann, Amanda Aerni, Nathalie Schicktanz, Bianca Auschra, Philippe Demougin, Eva Mumme, Thomas Elbert, Verena Ertl, Leo Gschwind, Edveena Hanser, Kim-Dung Huynh, Frank Jessen, Iris-Tatjana Kolassa, Annette Milnik, Paolo Paganetti, Klara Spalek, Christian Vogler, Andreas Muhs, Andrea Pfeifer, and Dominique J.-F. de Quervain
Human genome?guided identification of memory-modulating drugs
PNAS 2013; published ahead of print October 21, 2013 | doi: 10.1073/pnas.1314478110
Weitere Auskünfte
Prof. Dr. Andreas Papassotiropoulos, Tel. +41 61 267 05 99, E-Mail: andreas.papas@unibas.ch

Prof. Dr. Dominique de Quervain, Tel. +41 61 267 02 37, E-Mail : dominique.dequervain@unibas.ch

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Christoph Dieffenbacher Universität Basel

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