Fortschritte in der Epilepsie-Diagnostik

Sofern eine kleine Fehlbildung im Gehirn als Erkrankungsursache festgestellt wird, eine so genannte Fokale Kortikale Dysplasie (FCD), kann die maßgeschneiderte Operation am Gehirn die Anfallshäufigkeit erheblich verringern oder ganz stoppen. Alleine in Deutschland werden im Jahr 500 dieser aufwändigen Epilepsie-Operationen durchgeführt. Bei jeder 10. Operation wird eine FCD diagnostiziert.

Unter der Federführung der Erlanger Neuropathologie (Direktor Prof. Dr. Ingmar Blümcke) hat jetzt die Internationale Gesellschaft für Epileptologie (ILAE) eine neue Richtlinie zur Diagnostik und Klassifikation der FCDs veröffentlicht (Lancet Neurol. 2011, 10(1):26-7; Epilepsia 2011, 52(1):158-74).

Das Expertengremium der ILAE bestand aus 32 deutschen, italienischen, französischen, englischen, holländischen, türkischen, kanadischen, US-amerikanischen und brasilianischen Ärzten und Wissenschaftlern und hat mehr als zwei Jahre gearbeitet. Die Klassifikation der erarbeiteten Richtlinie berücksichtigt neben klinischen Befunden zum Anfallsbild und krankheitstypischen Veränderungen der Hirnströme auch die Bildgebung mittels Magnetresonanztomographie (MRT) und die mikroskopisch im operativ entfernten Gehirngewebe erkennbaren Störungen im Aufbau der Nervenzellen.

„Aus der mikroskopischen und molekular-genetischen Analyse erhoffen wir uns zudem neue Erkenntnisse zur Krankheitsentstehung als Grundlage für innovative Therapieverfahren“, sagt Prof. Ingmar Blümcke.

Insgesamt werden drei FCD-Typen unterschieden, welche eigenständig (FCD Typ I und II) oder in Assoziation mit anderen Gehirnverletzungen auftreten (FCD Typ III, z. B. in der Nachbarschaft von Gehirntumoren). Es sind vor allem Kinder und Jugendliche betroffen. „Es ist ein großer Fortschritt“, erläutert Prof. Blümcke, „dass die in der Epilepsie-Diagnostik hochrelevanten FCDs zukünftig einheitlich klassifiziert werden können und Ergebnisse neuer Behandlungsstrategien international vergleichbar werden“. Ausgewertete Daten wissenschaftlicher Studien belegen, dass beispielsweise bis zu 80 Prozent der Patienten mit einer FCD Typ II nach der Operation anfallsfrei bleiben.

Auch der scheidende Chef-Epileptologe in Erlangen, Prof. Dr. Hermann Stefan, sein Nachfolger Prof. Dr. Hajo Hamer und Prof. Dr. Regina Trollmann aus der Kinderklinik sehen in der neuen FCD-Klassifikation wichtige Impulse für Diagnostik und Behandlung schwerer Epilepsien. „Auf diesem Gebiet kann Erlangen seine Spitzenposition weiter ausbauen“, sagt Prof. Hamer. Das dem Erlanger Epilepsiezentrum assoziierte Neuropathologische Referenzzentrum für Epilepsiechirurgie erhält schon jetzt viele Gewebeproben zur mikroskopischen Nachuntersuchung. „Wir haben bislang mehr als 5000 Gewebeproben aus Deutschland und dem europäischen Ausland mikroskopisch begutachtet“, sagt Prof. Blümcke, „und erhalten hierfür seit 2006 Fördermittel der EU. Gestärkt durch diesen Erfolg werden wir weiter um internationale Standards in der Epilepsie-Diagnostik ringen. Das neue ILAE-Expertengremium für die Untersuchung der mit einer so genannten Hippocampus-Sklerose assoziierten Schläfenlappen-Epilepsie hat die Arbeit schon aufgenommen – mit Erlanger Beteiligung.“

Die Universität Erlangen-Nürnberg, gegründet 1743, ist mit 29.000 Studierenden, 590 Professorinnen und Professoren sowie 2000 wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte Universität in Nordbayern. Schwerpunkte in Forschung und Lehre liegen an den Schnittstellen von Naturwissenschaften, Technik und Medizin in engem Dialog mit Jura und Theologie sowie den Geistes-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Seit Mai 2008 trägt die Universität das Siegel „familiengerechte Hochschule“.

Weitere Informationen für die Medien:

Prof. Dr. med. Ingmar Blümcke
Tel.: 09131/85-26031
ingmar.bluemcke@uk-erlangen.de

Media Contact

Pascale Anja Dannenberg idw

Weitere Informationen:

http://www.uk-erlangen.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Medizin Gesundheit

Dieser Fachbereich fasst die Vielzahl der medizinischen Fachrichtungen aus dem Bereich der Humanmedizin zusammen.

Unter anderem finden Sie hier Berichte aus den Teilbereichen: Anästhesiologie, Anatomie, Chirurgie, Humangenetik, Hygiene und Umweltmedizin, Innere Medizin, Neurologie, Pharmakologie, Physiologie, Urologie oder Zahnmedizin.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neues topologisches Metamaterial

… verstärkt Schallwellen exponentiell. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am niederländischen Forschungsinstitut AMOLF haben in einer internationalen Kollaboration ein neuartiges Metamaterial entwickelt, durch das sich Schallwellen auf völlig neue Art und Weise…

Astronomen entdecken starke Magnetfelder

… am Rand des zentralen schwarzen Lochs der Milchstraße. Ein neues Bild des Event Horizon Telescope (EHT) hat starke und geordnete Magnetfelder aufgespürt, die vom Rand des supermassereichen schwarzen Lochs…

Faktor für die Gehirnexpansion beim Menschen

Was unterscheidet uns Menschen von anderen Lebewesen? Der Schlüssel liegt im Neokortex, der äußeren Schicht des Gehirns. Diese Gehirnregion ermöglicht uns abstraktes Denken, Kunst und komplexe Sprache. Ein internationales Forschungsteam…

Partner & Förderer