Folsäurestoffwechsel: Forscher identifizieren angeborenen Gendefekt

Jetzt hat eine Forschergruppe um Dr. Holger Cario, Oberarzt an der Ulmer Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin, einen bisher unbekannten Auslöser für dieses Krankheitsbild identifiziert. Im American Journal of Human Genetics (AJHG) beschreiben die Wissenschaftler einen angeborenen Gendefekt, der den Folatstoffwechsel stört. Auslöser für das Forschungsinteresse waren Geschwister aus dem Ulmer Umland, die in unterschiedlichem Maße Symptome eines Folsäuremangels zeigten, also Veränderungen des Blutbilds, Lernschwierigkeiten und ein kompliziertes Krampfleiden. Die familiäre Häufung des Krankheitsbildes ließ die Forscher genauer hinschauen: „Trotz normaler Folatkonzentration im Plasma, fanden wir bei allen drei Kindern einen Folatmangel in den blutbildenden Zellen sowie im Zentralen Nervensystem und vermuteten eine angeborene Stoffwechselstörung“, erklärt Cario. Tatsächlich wurden die Wissenschaftler bei einer DNA-Analyse fündig und wiesen bei den Geschwistern eine homozygote Mutation im sogenannten DHFR-Gen nach. Dieses Gen kodiert mit der Dihydrofolatreduktase ein Schlüsselenzym des Folatstoffwechsels. Aufgrund der Mutation ist das Enzym weitgehend inaktiv.

Nach einer Behandlung mit dem Folsäurederivat Folinsäure normalisierten sich die Blutbilder der Kinder sowie die Folatkonzentration im Zentralen Nervensystem, ihre kognitive Leistungsfähigkeit nahm zu. Allerdings blieben neurologische Störungen bestehen. Die Geschwister werden ein Leben lang eine Behandlung mit Folinsäure und gegebenenfalls Antiepileptika benötigen. Dabei hat die entfernte, der Familie vor den Untersuchungen nicht bekannte, Verwandtschaftsbeziehung der Eltern die Vererbung des Gendefekts begünstigt.

„Mit unserer Publikation wollen wir Kollegen für das bisher unbekannte Krankheitsbild sensibilisieren, denn die frühzeitige Gabe von Folinsäure kann schwere Störungen verhindern oder zumindest beschränken“, appelliert Cario. Schließlich sei die baden-württembergische Familie kein Einzelfall: Ebenfalls in der Zeitschrift AJHG stellen britische Forscherkollegen eine andere Mutation des DHFR-Gens vor, die bei pakistanischen Geschwistern ein ähnliches Krankheitsbild verursacht habe. „Zudem trägt der neu entdeckte Gendefekt zu einem besseren Verständnis des Folatstoffwechsel bei, der auch in der Krebstherapie eine Rolle spielt“, so Holger Cario.

Aus Ulm waren neben PD Dr. Holger Cario Professor Harald Bode, Professor Klaus-Michael Debatin und Professorin Elisabeth Kohne (Klinik für Kinder- und Jugendmedizin) sowie Dr. Karlheinz Holzmann (Interdisziplinäres Zentrum für Klinische Forschung, Klinik für Innere Medizin III), Dr. Klaus Schwarz, Dr. Ulrich Pannicke und Eva-Maria Rump (Institut für Transfusionsmedizin, Institut für Klinische Transfusionsmedizin und Immungenetik) an der Publikation beteiligt. Weiterhin leisteten Forscher der Freien Universität Amsterdam, der Ludwig-Maximilians-Universität München, des Kinderspitals Zürich (zudem Universität Zürich) sowie des Epilepsiezentrums Kork Beiträge.

Weitere Informationen: PD Dr. Holger Cario, Tel.: 0731 500-57219

Cario et al., Dihydrofolate Reductase Deficiency Due to a Homozygous DHFR Mutation Causes Megaloblastic Anemia and Cerebral Folate Deficiency Leading to Severe Neurologic Disease, The American Journal of Human genetics (2011), doi:10.1016/j.ajhg.2011.01.007

Media Contact

Willi Baur idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-ulm.de/

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Medizin Gesundheit

Dieser Fachbereich fasst die Vielzahl der medizinischen Fachrichtungen aus dem Bereich der Humanmedizin zusammen.

Unter anderem finden Sie hier Berichte aus den Teilbereichen: Anästhesiologie, Anatomie, Chirurgie, Humangenetik, Hygiene und Umweltmedizin, Innere Medizin, Neurologie, Pharmakologie, Physiologie, Urologie oder Zahnmedizin.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Merkmale des Untergrunds unter dem Thwaites-Gletscher enthüllt

Ein Forschungsteam hat felsige Berge und glattes Terrain unter dem Thwaites-Gletscher in der Westantarktis entdeckt – dem breiteste Gletscher der Erde, der halb so groß wie Deutschland und über 1000…

Wasserabweisende Fasern ohne PFAS

Endlich umweltfreundlich… Regenjacken, Badehosen oder Polsterstoffe: Textilien mit wasserabweisenden Eigenschaften benötigen eine chemische Imprägnierung. Fluor-haltige PFAS-Chemikalien sind zwar wirkungsvoll, schaden aber der Gesundheit und reichern sich in der Umwelt an….

Das massereichste stellare schwarze Loch unserer Galaxie entdeckt

Astronominnen und Astronomen haben das massereichste stellare schwarze Loch identifiziert, das bisher in der Milchstraßengalaxie entdeckt wurde. Entdeckt wurde das schwarze Loch in den Daten der Gaia-Mission der Europäischen Weltraumorganisation,…

Partner & Förderer