Der Schwangerschaftsdepression davon spazieren

Stark übergewichtige und depressive Schwangere sind durch die Risikofaktoren von gleich zwei Krankheiten besonders gefährdet. Trotzdem gibt es bisher keine spezifischen Behandlungsangebote für diese Zielgruppe.

Mit dem Forschungsprojekt „Der Schwangerschaftsdepression davon spazieren – Hilfe bei Schwangerschaftsdepressionen“ wurde an der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universitätsmedizin deshalb ein neues Therapieangebot entwickelt, das mit einem integrierten Bewegungsprogramm beide Beschwerden in den Fokus nimmt.

„Etwa die Hälfte aller Schwangeren ist übergewichtig, rund zehn bis zwanzig Prozent der Schwangeren sind depressiv“, erklärt Klinikleiterin Prof. Dr. Anette Kersting. „Eine Kombination aus beiden Krankheiten bedeutet eine maximierte Belastung – nicht nur für die Schwangeren selbst, sondern auch für ihre Babys, die dann mit erheblichen gesundheitlichen Risiken in ihr Leben starten.“

Adipositas in der Schwangerschaft kann beispielsweise Früh- oder Fehlgeburten, Schwangerschaftsdiabetes, Asthma, Bluthochdruck oder Blutungen und Infektionen nach der Geburt hervorrufen. Die Kinder dieser Schwangeren haben häufiger angeborene Herzfehler, kognitive Schwierigkeiten und später ein erhöhtes Risiko, selbst übergewichtig zu sein.

Depressionen können bei Schwangeren ebenfalls eine Frühgeburt auslösen, und die psychische Belastung der Mutter kann sich bei ihrem Kind in Aufmerksamkeitsdefiziten, Ängsten, Hyperaktivitätsstörungen oder Sprachverzögerungen auswirken.

Schwangerschaftsdepression – was ist das?

Die Depression wird, wie auch außerhalb der Schwangerschaft, in der Regel durch das Zusammenspiel von genetischen, psychosozialen und hormonellen Faktoren ausgelöst. „Die Hormonumstellung in der Schwangerschaft kann sich auch auf das psychische Gleichgewicht auswirken“, erläutert Kersting. „Eine schwierige Lebenssituation, wie Konflikte in der Partnerschaft, kann dann zu einem großen Problem werden. Aber auch eine familiäre Vorbelastung erhöht das Risiko, an Depression zu erkranken.“

Die Depressionen werden in der Schwangerschaft oft nicht erkannt, weil viele Anzeichen bis zu einem gewissen Grad für werdende Mütter ganz normal sind, etwa starke Müdigkeit, Schlafstörungen oder Selbstzweifel in Bezug auf die Mutterrolle. Auch Niedergeschlagenheit und Desinteresse an früheren Hobbys können auf eine Depression hinweisen. Die Symptome können von Frau zu Frau variieren. „Viele Frauen leiden darunter, sich depressionsbedingt nicht auf ihr Baby freuen zu können“, so die Expertin.

Psychotherapie ist für Schwangere gut geeignet

Leichtere und mittelschwere Depressionen werden vorrangig psychotherapeutisch behandelt, bei schweren Depressionen ist eine zusätzliche Behandlung mit Antidepressiva üblich. Weil die Einnahme potenziell negative Auswirkungen auf das ungeborene Kind haben könnte, bevorzugen die meisten Schwangeren eine psychotherapeutische Behandlung. In der Studie „Der Schwangerschaftsdepression davon spazieren“ wird eine Online-Psychotherapie zusätzlich mit einem Bewegungsprogramm verbunden. Dadurch soll zum einen die depressive Symptomatik effektiv reduziert und zum anderen einer starken Gewichtszunahme während der Schwangerschaft vorgebeugt werden.

Über einen Zeitraum von acht Wochen bekommen die teilnehmenden Frauen in mehreren Modulen zunächst Informationen über ihre Krankheiten und lernen etwas über typische Symptome und mögliche Ursachen der Schwangerschaftsdepression. In dem Depressionsprogramm werden sie dann dabei unterstützt, wieder mehr angenehme, freudvolle Aktivitäten sowie stärkende Gedanken in ihren Alltag zu integrieren.

Ziel des Bewegungsprogramms ist es, die körperliche Aktivität der Schwangeren mit Hilfe eines Schrittzählers so lange zu erhöhen, bis alle Teilnehmerinnen jeweils 10.000 Schritte am Tag gehen. „Körperliche Aktivität hat einen positiven Effekt auf Depressionen und auf die Schwangerschaft, und sie hilft auch, das Übergewicht zu reduzieren“, erklärt die Psychologin Dr. Katja Linde, die die Frauen psychotherapeutisch betreut. Um den Therapieerfolg zu ermitteln, werden vor und nach den acht Therapiewochen sowie noch einmal nach der Geburt unter anderem die depressive Symptomatik, das Gewicht sowie die Lebensqualität der Mutter abgefragt.

Internetbasierte Therapieform

Die Therapie läuft ausschließlich über ein Online-Programm. An der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie wurde dieses Verfahren bereits erfolgreich in anderen großen Therapiestudien angewendet. Klinikleiterin Prof. Kersting benennt die Vorteile: „Psychotherapie ist leider immer noch oft mit einem Stigma behaftet. Die größere Anonymität des Internets senkt die Schwelle, eine Therapie in Anspruch zu nehmen. Patienten schätzen außerdem die zeitliche und geografische Unabhängigkeit.“ Die aktuelle Studie ist gerade gestartet und läuft voraussichtlich bis Mai 2015. Für die Teilnahme müssen Frauen bereits vor der Schwangerschaft übergewichtig gewesen sein und in der Schwangerschaft Symptome einer Depression aufweisen. Das Forschungsprojekt wird gefördert von der Robert Ernst Stiftung für Gesundheitswesen. (Silvia Lauppe)

Weitere Informationen:

Direktorin Prof. Dr. Anette Kersting
Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Telefon: +49 341 97-18850
E-Mail: anette.kersting@medizin.uni-leipzig.de

http://psychsom.uniklinikum-leipzig.de/psychosom.site,postext,schwangerschaftsde… – Link für Interessierte

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Diana Smikalla Universität Leipzig

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