Brustkrebs: Eine Krankheit mit vielen Gesichtern

Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung und Todesursache bei Frauen. Die Forschung der letzten Jahrzehnte hat gezeigt, dass es sich dabei nicht um eine einzelne, immer gleich verlaufende Erkrankung handelt. Vielmehr geht man heute davon aus, dass Brustkrebs eine heterogene Erkrankung mit verschiedenen Subtypen darstellt. Sie lassen sich klinisch und molekular deutlich voneinander unterscheiden.

Wichtiges Ziel der modernen Forschung und ihrer Methoden ist daher die Entwicklung einer individuellen Therapie für jede einzelne Patientin. In der aktuellen Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ berichtet das Team von Prof. Manfred Kaufmann, Direktor der Frauenklinik an der Goethe-Universität, über aktuelle Grundlagenforschung und ihre Bedeutung für die Prognose und Therapie verschiedener Brustkrebstypen.

In der einfachsten Klassifikation unterscheidet man heute zwischen drei Subtypen, die durch An- oder Abwesenheit bestimmter Rezeptoren auf der Zelloberfläche und im Zellkern gekennzeichnet sind. Der „luminale“ Subtyp besitzt im Zellkern Rezeptoren für die Hormone Östrogen und Progesteron, der HER2-Subtyp einen bestimmten Wachstumsfaktor-Rezeptor auf der Zelloberfläche. Alle diese Rezeptoren kann man durch Wirkstoffe gezielt blockieren und so das Wachstum des Tumors stoppen. Der „basal-like“ Subtyp besitzt hingegen keine derartigen Rezeptoren und hat eine schlechte Prognose. Im Bereich der auf molekulare Ziele gerichteten Therapie („targeted therapy“) sind bis heute die Fortschritte beim HER2-positiven Subtyp am deutlichsten zu erkennen.

Fehler bei der Reifung von Drüsenzellen
Wie können die unterschiedlichen Subtypen entstehen? In jüngster Zeit wendet man auf das Mammakarzinom ein Modell an, das schon lange für Tumorerkrankungen des blutbildenden Systems akzeptiert ist. Man geht davon aus, dass eine mögliche Entartung an verschiedenen Punkten der Reifung von Vorläuferzellen auftreten kann. Abhängig vom spezifischen Differenzierungsgrad der Ausgangszelle entstehen hierbei verschiedenartige Tumortypen mit je eigenen Prognosen und therapeutischen Angriffsmöglichkeiten. Tendenziell sind solche Karzinome, die in ihrer Differenzierung bereits weiter fortgeschritten sind, weniger aggressiv und besser kontrollierbar.

Subtyp spezifische Untersuchungen beziehen auch das Gewebe ein, das den Tumor umgibt oder durchsetzt, sowie die Zellen des Immunsystems und das Wechselspiel dieser Zellen mit den malignen Krebszellen. Diese sogenannten Wirtsfaktoren sind ebenfalls Angriffspunkte für die Therapie. Ein Beispiel ist die Blockade der Gefäßneubildung ? und damit der Versorgung der Tumore. An der Frauenklinik der Goethe-Universität stehen die Interaktionen von Tumor und Immunsystem im Fokus des Interesses. Brustkrebstumoren sind häufig mit Lymphozyten und anderen Immunzellen infiltriert. Ob dies als Abwehrreaktion des Immunsystems gedeutet werden kann, ist allerdings umstritten, weil nur für wenige solcher Lymphozyten eine Aktivierung gezeigt werden konnte. Es gibt daher noch keinen definitiven Beweis dafür, dass diese Lymphozyten tatsächlich im Organismus Tumorzellen zerstören. Die Heterogenität der Brustkrebs-Subtypen kann hier eine Ursache für unklare und widersprüchliche Ergebnisse sein.

Die Gruppe von Prof. Manfred Kaufmann hat daher eine Methode entwickelt, den Anteil verschiedener Arten von Immunzellen in der Tumorgewebeprobe mittels spezieller Gen-Signaturen zu unterscheiden. Sie konnten nachweisen, dass die Infiltration mit T- und B-Lymphozyten in der Gruppe der Hormonrezeptor-negativen Karzinome eine große prognostische Relevanz besitzt. Sie erlaubt es sogar vorherzusagen, wie gut die Patientin auf eine Chemotherapie vor der Operation ansprechen wird. Beim Hormonrezeptor-positiven „luminalen“ Subtyp spielten diese Marker dahingegen keine Rolle.

Aggressive Tumortypen besser verstehen
Beim „triple-negativen“ Brustkrebs (TNBC), einem äußerst aggressiven Tumortyp, der aufgrund der fehlenden Rezeptoren therapeutisch schwer zugänglich ist, gelang es der Gruppe von Prof. Kaufmann, die erste valide prognostische Gen-Signatur zu erstellen. Diese ist abhängig vom Nachweis verschiedener Immunzellen, Botenstoffen der Gefäßneubildung sowie von Entzündungsmerkmalen.

Der Test erlaubt es erstmals, Patientinnen mit TNBC, die dennoch eine gute Prognose besitzen, zu identifizieren. Bei ihnen spricht die Gen-Signatur des Tumors für eine geringe Anzahl an inflammatorischen Botenstoffen trotz Anwesenheit von Immunzellen im Tumor. Dies Möglichkeit, für TNBC eine differenzierte Charakterisierung zu erstellen, ist essenziell für die Entscheidung über eine Therapie.

Informationen: Prof. Manfred Kaufmann, Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Klinikum der Goethe-Universität, Tel.: (069) 6301-5115, M.Kaufmann@em.uni-frankfurt.de Dr. Thomas Karn, t.karn@em.uni-frankfurt.de.

„Forschung Frankfurt“ kostenlos bestellen: ott@pvw.uni-frankfurt.de.
FF online unter: http://www.forschung-frankfurt.uni-frankfurt.de/2010/index.html
Die Goethe-Universität ist eine forschungsstarke Hochschule in der europäischen Finanzmetropole Frankfurt. 1914 von Frankfurter Bürgern gegründet, ist sie heute eine der zehn drittmittelstärksten und größten Universitäten Deutschlands. Am 1. Januar 2008 gewann sie mit der Rückkehr zu ihren historischen Wurzeln als Stiftungsuniversität ein einzigartiges Maß an Eigenständigkeit. Parallel dazu erhält die Universität auch baulich ein neues Gesicht. Rund um das historische Poelzig-Ensemble im Frankfurter Westend entsteht ein neuer Campus, der ästhetische und funktionale Maßstäbe setzt. Die „Science City“ auf dem Riedberg vereint die naturwissenschaftlichen Fachbereiche in unmittelbarer Nachbarschaft zu zwei Max-Planck-Instituten. Mit über 55 Stiftungs- und Stiftungsgastprofessuren nimmt die Goethe-Universität laut Stifterverband eine Führungsrolle ein.

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Dr. Anne Hardy idw

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