Trotz Expertenstandard Dekubitusprophylaxe: Viele Druckgeschwüre werden nicht oder falsch behandelt


Bei der Prävention und pflegerischen Versorgung von Druckgeschwüren (Dekubitalulcera) pflegebedürftiger und kranker Menschen bestehen große Defizite. „In diesen Bereichen stößt man bei den Mitarbeitern in Krankenhäusern und Pflegeheimen oft auf erschreckend große Unkenntnisse und auch Pflegefehler, was bei den Erkrankten zu unerträglichen Schmerzen und gesundheitlichen Risiken bis hin zum Tod führen kann“, sagte Christine Sowinski, Pflege-Expertin des Kuratoriums Deutsche Altershilfe (KDA) heute vor der Presse in Hannover.
Das bestätigte auch Ute Pilzecker, Leiterin des Referates Pflegeversicherung beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Schleswig-Holstein. Sie hatte in einer Untersuchung der schleswig-holsteinischen Pflegeheime im August letzten Jahres zusammenfassend festgestellt, dass nur in jeder zweiten der insgesamt 554 analysierten Altenpflege-Einrichtungen die offensichtliche Dekubitus-Gefährdung der Bewohner in der Pflegeplanung überhaupt berücksichtigt wurde. „Die Gefahr wird dokumentiert, doch es werden nur in 20 Prozent der Fälle die erforderlichen Maßnahmen zur Vermeidung nachweislich erbracht“, erklärte Ute Pilzecker. Im Rahmen des Projektes hatten die Gutachter beispielsweise eine inkontinente Bewohnerin angetroffen, die über sechs Stunden in ihrem Urin lag. Feuchtigkeit kann die Entstehung eines Dekubitus beschleunigen. In anderen Heimen lagen oder saßen gefährdete Bewohner stundenlang auf derselben Körperstelle, obwohl ihre Position in regelmäßigen Abständen hätte verändert werden müssen. Fehlende Druckentlastung ist die Hauptursache für die Entstehung eines Dekubitus. Alarmierend sei auch der häufig unsachgemäße Einsatz von Dekubitusmatratzen gewesen. Ute Pilzecker: „In einer Einrichtung haben wir eine Wechseldruckmatratze vorgefunden, die auf ein Körpergewicht von 80 Kilo eingestellt war. Die Bewohnerin, die darauf lag, wog aber gerade mal 35 Kilo. In diesem Fall wurde der Dekubitus erst durch die zu hart eingestellte Matratze verursacht.“

Zahlreiche ähnliche Beispiele von Pflegefehlern sind dem KDA bekannt. „Nach unseren Erfahrungen existieren immer noch haarsträubende Rituale und ’Wandersagen’ in der Dekubitusprophylaxe und -therapie, wie beispielsweise der Einsatz von Gummiringen, von Wasserkissen oder durchblutungsfördernden Salben“, berichtete Christine Sowinski. Obwohl inzwischen nachgewiesen sei, dass ihre Verwendung mehr schade als nütze, seien sie bisher einfach nicht ausrottbar. Und das, obwohl seit zwei Jahren der erste deutsche „Nationale Expertenstandard in der Pflege“ zum Thema Dekubitusprophylaxe existiere. Dieser empfiehlt beispielsweise – auf der Basis eines individuellen Bewegungsplanes – so genannte Mikrobewegungen zu fördern. Unter Mikrobewegungen versteht man schon kleinste Positionsveränderungen wie das Herumrutschen auf einem Stuhl. „Leider ist aber dieser Standard in vielen Einrichtungen noch nicht bekannt oder er wird nicht als relevant erachtet“, so Christine Sowinski. Dabei benötigten diese leicht und schnell durchzuführenden Handlungsmöglichkeiten weder mehr Personal noch mehr Zeit.

Media Contact

Klaus Großjohann idw

Weitere Informationen:

http://www.kda.de/

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