Wirksame Früherkennung von Hormonstörungen nach Hirnverletzung

Doch Unterfunktionen der sogenannten Hypophyse fallen häufig zu spät auf – mit schwerwiegenden Folgen für die Patienten. Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) fordert deshalb eine wirksamere Früherkennung bei Hirnverletzten.

Pro Million Einwohner erleiden jährlich etwa 8 000 Menschen ein Schädel-Hirn-Trauma (SHT). Starke Erschütterungen des Gehirns, etwa durch Sturz oder Verkehrsunfall, können die Hypophyse verletzen. Auch Blutungen in das die Hypophyse umgebende Hirnwasser sind gefährlich. Denn das Blut erzeugt Druck und schädigt damit die Drüse.

„Unsere Untersuchungen zeigen, dass nach jedem vierten schweren Schädel-Hirn-Trauma und nach fast jeder zweiten Subarachnoidalblutung die Hypophyse in Mitleidenschaft gezogen wird“, erläutert Professor Dr. med. Günter Karl Stalla von der Sektion Neuroendokrinologie der DGE aus München. Die Symptome lassen sich zwar medikamentös therapieren. Bei den behandelnden Ärzten fehle jedoch das Bewusstsein für diese Störung. Sie wird deshalb nur selten erkannt und nicht angemessen behandelt.

Hinzu kommt, dass die Beschwerden aufgrund einer schadhaften Hypophyse vielfältig sind. Am schnellsten mache sich ein Ausfall von Corticotropin bemerkbar, so Stalla. Dieses Hormon steuert die Bildung des Stresshormons Cortisol in der Nebenniere. Ein Cortisol-Mangel wiederum lässt Blutdruck und Blutzucker sinken und führt zu schweren Elektrolytstörungen. Im schlimmsten Fall droht eine tödliche Kreislaufkrise. Häufiger ist jedoch eine unerklärlich lange Erholungsphase nach der Hirnverletzung. Professor Stalla rät zu einem Hormontest. „Denn eine rechtzeitige hormonelle Therapie kann lebensrettend sein und die Erholung der Patienten deutlich beschleunigen“, sagt der Experte.

Ist die Produktion des Wachstumshormons in der Hypophyse gestört, macht sich dies erst langfristig bemerkbar. Das gleiche gilt für den Ausfall der Steuerhormone für Schilddrüse und Hoden beziehungsweise Eierstöcke. Diesbezüglich sind Hormontests laut Stalla drei bis sechs Monate nach der Verletzung erforderlich. Bei einigen Menschen fällt nach Verletzung der Hypophyse auch das antidiuretische – das sogenannte Dursthormon aus. Sie scheiden dann vermehrt Urin aus, begleitet von unstillbarem Durst und unmäßigem Trinken.

Die Schwere eines SHT entspricht nicht unbedingt dem Ausmaß der Hypophyseninsuffizienz. Dass die Hypophyse ihre Hormone im Laufe des Tages unterschiedlich stark produziert, erschwert zudem die Diagnose. Erfahrene Endokrinologen wüssten dies jedoch zu berücksichtigen, sagt Professor Dr. med. Harald Klein, Sprecher der DGE von der Universitätsklinik Bergmannsheil in Bochum. Diese Expertise sei für die richtige Diagnose und die anschließende Therapie unabdingbar.

Quellen:
Schneider HJ, Kreitschmann-Andermahr I, Ghigo E, Stalla GK, Agha A. Hypothalamopituitary dysfunction following traumatic brain injury and aneurysmal subarachnoid hemorrhage: a systematic review. JAMA. 2007 Sep 26;298(12):1429-38. Review.

Schneider HJ, Aimaretti G, Kreitschmann-Andermahr I, Stalla GK, Ghigo E. Hypopituitarism. Lancet. 2007 Apr 28;369(9571):1461-70

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