Berufskrankheiten der Wirbelsäule: Erleichterte Anerkennung im Ergebnis der Deutschen Wirbelsäulenstudie

In einem neuen Urteil hat das Bundessozialgericht nun die Schwelle für die Anerkennung einer Berufskrankheit deutlich gesenkt. Grundlage der Entscheidung waren die Ergebnisse der Deutschen Wirbelsäulenstudie, die 950 Patienten mit Wirbelsäulenerkrankungen und 900 Kontrollpersonen untersucht hat. Wesentlich an Planung und Durchführung der Studie beteiligt waren Mediziner der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Abnutzungserscheinungen und Bandscheibenvorfälle der Lendenwirbelsäule können seit 1993 als Berufskrankheit anerkannt werden, allerdings lag die Anerkennungsquote der gemeldeten Fälle bisher deutlich unter fünf Prozent. In über der Hälfte der Fälle scheiterten die Antragsteller, weil die notwendige Gesamtbelastungsdosis für schwere Hebe- und Tragevorgänge im Arbeitsleben nicht erreicht wurde. In einem neuen Urteil hat das Bundessozialgericht am 30. Oktober 2007 nun die Schwelle für die beruflichen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit deutlich gesenkt. Grundlage der Entscheidung waren die Ergebnisse der Deutschen Wirbelsäulenstudie (DWS), die 950 Patienten mit Wirbelsäulenerkrankungen und 900 Kontrollpersonen aus der Bevölkerung untersucht hat.

Die vom Hauptverband der Berufsgenossenschaften finanzierte Studie wurde über drei Jahre in vier bundesdeutschen Städten – Halle (Saale), Frankfurt/Main, Freiburg und Regensburg – durchgeführt. Die Leitung des halleschen Studienzentrums lag beim Institut für Medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik (Professor Dr. Johannes Haerting) und der Sektion Arbeitsmedizin (Oberärztin Dr. Annekatrin Bergmann) der Universität Halle. Halle war wesentlich an der Planung und Durchführung der Studie, für die Professor Bolm-Audorff (Wiesbaden) als Sprecher und Professor Haerting als dessen Stellvertreter fungieren, beteiligt.

In Zusammenarbeit mit den drei halleschen Kliniken, die Wirbelsäulenerkrankungen behandeln, wurden im Zeitraum 2003 bis 2005 Patienten mit Bandscheibenvorfällen und schweren Verschleißerscheinungen an der Lendenwirbelsäule untersucht und in einem Interview ausführlich zu ihrem Berufsleben befragt. Als Vergleichsgruppe wurden zudem Bewohner aus Halle und dem Saalkreis im gleichen Altersbereich befragt, insgesamt 258 Fälle und 221 Kontrollprobanden aus Halle und Saalkreis.

Der Direktor des Institutes stellte bereits im März gemeinsam mit den Leitern der anderen Studienzentren erste Ergebnisse der Deutschen Wirbelsäulenstudie auf der Jahrestagung der Arbeitsmediziner in Mainz vor. Inzwischen sind die Ergebnisse auch im Zentralblatt für Arbeitsmedizin publiziert. Die Studienergebnisse decken Schwächen der bisher geltenden Berechnungsgrundlage, des so genannten Mainz-Dortmunder-Dosismodells, auf und zeigen, dass im Berufskrankheitenverfahren bisher angewandte Schwellenwerte für die Berechnung der Gesamtdosis für schwere körperliche Arbeit zu hoch angesetzt waren. Aufgrund dieser Studienergebnisse der DWS wurde nun durch das Bundessozialgericht festgelegt, dass der bisher geltende Gesamtdosiswert halbiert werden muss und auch Schwellenwerte für die Tagesdosis nicht mehr verwendet werden dürfen. Dies wird die Anerkennung dieser Berufskrankheit künftig erleichtern. „Es ist ungewöhnlich, dass die Ergebnisse einer epidemiologischen Studie so schnell Eingang in höchstrichterliche Entscheidungen finden“, erklärt Professor Haerting.

Ansprechpartner:
Jens Müller
Pressesprecher
Universitätsklinikum Halle (Saale)
Medizinische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Tel: 0345 557 1032
E-Mail: jens.mueller@medizin.uni-halle.de

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