Dem Magenbakterium Helicobacter pylori auf der Spur

Helicobacter pylori ist ein Krankheitserreger, der Entzündungen in der Magenschleimhaut, Zwölffingerdarm- und Magengeschwüre, Magenkrebs und eine Form von Lymphkrebs im Magen (MALT-Lymphome) verursachen kann. Molekularbiologische Untersuchungen richten sich weltweit darauf, zu erforschen, wie es dem Bakterium im Magen gelingt, zu überleben und welche Zusammenhänge es zwischen den Krankheitserregern und dem menschlichen Immunsystem gibt.

Die Arbeitsgruppe von PD Dr. Steffen Backert vom Institut für Medizinische Mikrobiologie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (Direktor: Prof. Dr. Wolfgang König) hat ihre neuesten Forschungsergebnisse zur Regulation eines wichtigen molekularen Pathogenitätsmechanismus von Helicobacter pylori in Nature (Vol. 449, Ausgabe 7164, http://www.nature.com) veröffentlicht. Mit ihren Erkenntnissen zeigen die Magdeburger Wissenschaftler auf, dass das Virulenzsystem einen Rezeptor auf der Wirtsseite benötigt und haben diesen Rezeptor als auch seinen bakteriellen Liganden identifiziert und im Detail charakterisiert.

Die Veröffentlichung ist das Resultat einer dreijährigen Forschungsarbeit am Institut von Prof. Dr. Wolfgang König, die durch ein NBL3-Projekt (Partnerfokusgruppe 4) des Bundesministeriums für Forschung und Technik gefördert und in einer sehr erfolgreichen Kooperation mit mehreren Arbeitsgruppen aus Bielefeld, Braunschweig, Erlangen, Berlin und Tübingen zum Erfolg geführt wurde. PD Dr. Backert ist Robert-Koch-Postdoktoranden-Preisträger für Mikrobiologie im Jahr 2003. Seine Arbeitsgruppe hat bereits in den vergangenen Jahren wichtige Forschungsergebnisse zum Verständnis der Pathogenese und Signaltransduktion von H. pylori hervorgebracht, die unter anderem in den renommierten internationalen Fachzeitschriften PNAS, Gastroenterology und EMBO Journal publiziert wurden.

Informationen zum Forschungsprojekt:

Die Autoren der neuesten Arbeit legen beeindruckende Daten für ein neues Konzept zur Injektion von bakteriellen Virulenzfaktoren in humane Zielzellen vor, welches man als eine Art bakterielles Navigations- und Andocksystem bezeichnen könnte. Virulente H. pylori besitzen in einem Genabschnitt ihres Chromosoms eine sogenannte Pathogenitätsinsel, die ein Typ IV-Sekretionssystem für das Einschleusen des bakteriellen Onkoproteins CagA kodiert. Das injizierte CagA wird irrtümlich von der Wirtzelle als ein zelleigenes Protein erkannt und an Tyrosinresten durch die Src-Kinase phosphoryliert. Phosphoryliertes CagA interagiert anschließend mit diversen Signalfaktoren und induziert proliferative sowie kanzerogene Signalkaskaden, beispielsweise Ras®Raf®Mek®Erk und Abl®Crk®Rac Signalwege. Allerdings war bislang völlig unklar, wie H. pylori das CagA-Protein in die Ziellzellen einschleust bzw. die Src-Kinase aktiviert. Es war ebenfalls nicht bekannt, ob Typ IV-Sekretionssysteme, die man in ähnlicher Form auch bei bedeutenden anderen pathogenen Bakterien wie Legionellen oder Agrobakterien findet, einen Wirtszellrezeptor für ihre Funktion benötigen. PD Dr. Backert und seine Kollegen entdeckten als erste Gruppe einen Rezeptor für ein solches Typ-IV-Sekretionssystem sowie den dazugehörigen bakteriellen Liganden. Als Ligand wurde ein völlig neues und spezialisiertes Adhesin in der Pathogenitätsinsel von H. pylori identifiziert – das CagL-Protein. CagL wird an die Oberfläche des Typ IV-Sekretionspilus rekrutiert und öffnet nach Kontakt mit seinem Rezeptor auf der Wirtsseite eine „Pore“ für das Einschleusen von CagA. Als Rezeptor wurde überraschenderweise ein Mitglied der Integrinfamilie (alpha5beta1) identifiziert.

Integrine sind wichtige heterodimere Zelladhäsionsrezeptoren bestehend aus alpha- und beta-Untereinheiten. Integrine reagieren auf Signale von außen und innen und vermitteln die Anheftung von Zellen an die extrazelluläre Matrix sowie die Interaktion mit Nachbarzellen. Die Zelladhäsion ist wichtig für die Embryonalentwicklung und für den Verlauf von vielen Krankheiten, wie etwa bei der Wundheilung, Krebsmetatasierung und entzündlichen Erkrankungen. Integrine besitzen fundamental wichtige Funktionen in gesunden Zellen und werden von H. pylori gezielt für seine Zwecke durch CagL missbraucht. CagL verwendet hierzu ein klassisches RGD-Motiv in seiner Sequenz, welches auch in zellulären Matrixproteinen des Wirtes wie Fibronektin oder Vitronektin vorkommt und für Protein-Protein-Interaktionen mit Integrinen essentiell ist. Obwohl seit vielen Jahren bekannt ist, das Integrine auch von diversen pathogenen Viren und Bakterien für die Anheftung und das Eindringen in Wirtszellen benutzt werden, wurden Integrine in der vorliegenden Studie erstmalig als Rezeptor für die Injektion von bakteriellen Virulenzfaktoren beschrieben. Darüber hinaus zeigen die Autoren, das CagL eine weitere wichtige Funktion hat. Nach Bindung an das alpha5beta1 Integrin aktiviert CagL in einer RGD-abhängigen Weise auch die Focal Adhesion Kinase FAK und anschließend die Src-Kinase. Somit war klar wie H. pylori in eleganter Art und Weise sicherstellt, dass einströmendes CagA direkt an der Injektionsstelle phosphoryliert wird – ein bisher einzigartiger Mechanismus in der Evolution von Wirt-Pathogen-Interaktionen. Diese neuen Erkenntnisse haben eine wichtige Bedeutung für die Funktion von Integrinen in der H. pylori-induzierten Pathogenese and Malignizität. CagL könnte auch als ein neues Drug-Target für die gezielte Behandlung von Patienten interessant werden und wird zweifelsfrei der Forschungstätigkeit an diesem bedeutenden Infektionserreger wichtige neue Impulse geben. Die vorliegende Arbeit beantwortet somit wichtige Fragen der Pathogenese von H. pylori und wirft interessante neue Fragen auf, die in zukünftigen Studien untersucht werden müssen.

Ansprechpartner:
Priv.-Doz. Dr. rer. nat. Steffen Backert
Institut für Medizinische Mikrobiologie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Leipziger Str. 44 , D-39120 Magdeburg
E-mail: Steffen.Backert@med.ovgu.de
Tel.: +49 +391 – 67 13329/-13392, Fax: +49 +391 – 67 290469

Media Contact

Kornelia Suske idw

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Medizin Gesundheit

Dieser Fachbereich fasst die Vielzahl der medizinischen Fachrichtungen aus dem Bereich der Humanmedizin zusammen.

Unter anderem finden Sie hier Berichte aus den Teilbereichen: Anästhesiologie, Anatomie, Chirurgie, Humangenetik, Hygiene und Umweltmedizin, Innere Medizin, Neurologie, Pharmakologie, Physiologie, Urologie oder Zahnmedizin.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neue universelle lichtbasierte Technik zur Kontrolle der Talpolarisation

Ein internationales Forscherteam berichtet in Nature über eine neue Methode, mit der zum ersten Mal die Talpolarisation in zentrosymmetrischen Bulk-Materialien auf eine nicht materialspezifische Weise erreicht wird. Diese „universelle Technik“…

Tumorzellen hebeln das Immunsystem früh aus

Neu entdeckter Mechanismus könnte Krebs-Immuntherapien deutlich verbessern. Tumore verhindern aktiv, dass sich Immunantworten durch sogenannte zytotoxische T-Zellen bilden, die den Krebs bekämpfen könnten. Wie das genau geschieht, beschreiben jetzt erstmals…

Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit

Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…

Partner & Förderer