Der Frankfurter Medizinethiker Stephan Sahm bezweifelt dies. Mit Alternativen wie "Natürlicher Stellvertreterschaft" durch Angehörige, Vorsorgevollmacht und "Umfassendem Vorsorgeplan" könne den veränderten Bedürfnissen der Patienten besser Rechnung getragen werden. Denn Sahm hat bei seinen empirischen Studien festgestellt, dass sich Blickwinkel und Vorstellungen deutlich verändern, ob man sich nun als Gesunder oder als Kranker mit diesem Thema beschäftigt.
So hat Sahm, der am Frankfurter Universitätsklinikum Medizinethik lehrt und als Krebsspezialist die Medizinische Klinik I des Offenbacher Ketteler-Krankenhauses leitet, erstmals empirisch nachweisen können, dass sich im Krankheitsfall die Perspektive deutlich verändert: Er befragte Krebspatienten in verschiedenen Stadien und als Vergleichspersonen Gesunde, Pflegende und Patienten, wie sie Behandlungsalternativen für den Fall einer lebensbedrohlich unheilbaren Erkrankung einschätzen. Eines der bemerkenswerten Ergebnisse: Krebspatienten wünschen Behandlungen wie Chemotherapie und Dialyse, während Gesunde und die Professionellen des Medizinbetriebs diese Behandlung eher ablehnen oder sich nicht festlegen.
Die meisten, die sich mit dem Ausfüllen einer Patientenverfügung beschäftigen, fühlen sich mit schwer zu beantwortenden Fragen konfrontiert. "Dies erklärt die vielleicht paradox erscheinende Diskrepanz zwischen der Zahl kursierender Formulare solcher Dokumente und der doch nur geringen Anzahl ausgefüllter Verfügungen", erläutert Sahm in seinem Beitrag in dem Wissenschaftsmagazin "Forschung Frankfurt" zum Thema "Das Alter".
"Das lässt auf Barrieren schließen, die bislang nicht beachtet werden, sich aber jetzt empirisch nachweisen lassen." So befürchtet etwa ein Drittel der Befragten in allen Gruppen, dass Instruktionen in einer Patientenverfügung geradezu diktatorisch befolgt werden könnten. Weit verbreitet ist auch die Angst, Inhalte einer Verfügung könnten missbräuchlich gedeutet werden. Dazu der Medizinethiker: "Es zählt eben zu den Risiken und Nebenwirkungen einer Patientenverfügung, dass Ärzte sich daran halten könnten oder Angehörige eine strikte Beachtung fordern!"
Sahm schlägt Alternativen zur Patientenverfügung vor. Dabei plädiert er für eine Änderung des Betreuungsrechts, um die rechtlichen Grundlagen für eine "Natürliche Stellvertreterschaft" durch Angehörige zu schaffen. Danach sollten Angehörige berechtigt sein, für die Betroffenen zu sprechen, es sei denn, in einer Vorsorgevollmacht wäre anderes geregelt. Übrigens wollen drei von vier Befragten - selbst diejenigen, die allein leben, dass Angehörige zusammen mit Ärzten entscheiden sollen, wenn sie es selbst im Falle akuter Erkrankung nicht mehr vermögen.
Der "Umfassende Versorgungsplan" kommt zum Einsatz, wenn eine Krankheit als fortgeschritten, unheilbar und zum Tode führend eingeschätzt wird. "Das Therapieziel besteht dann allein in der Leidensminderung, in der palliativen Behandlung. Das Sterben wird akzeptiert", so Sahm. Da in entwickelten Ländern die überwältigende Mehrzahl der Menschen in Folge chronischer Krankheiten meist im fortgeschrittenen Alter stirbt, kommt das Lebensende selten unerwartet, es bleibt also die Zeit, dass Patient, Stellvertreter und Arzt gemeinsam in dem "Umfassenden Versorgungsplan" die Behandlungsmaßnahmen und die weitere Betreuung wie Seelsorge und Telefonkette von Angehörigen für den Fall akuter Komplikationen festlegen.
Die Erfahrungen aus Ländern, in denen Gesetze zu Patientenverfügungen existieren, zeigen: "Der Einfluss dieser Verfügungen ist ohnehin marginal. Vielmehr steht zu fürchten, dass ein Gesetz suggeriert, die Probleme seien gelöst. Dabei käme es doch darauf an, effektive Alternativen zu verwirklichen", fordert Sahm.
Nähere Informationen: Privatdozent Dr. Stephan SahmDas Wissenschaftsmagazin "Forschung Frankfurt" 2/2007 ist erhältlich über steier@pvw.uni-frankfurt.de.
Ulrike Jaspers | idw
Weitere Informationen:
http://www.uni-frankfurt.de
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