Bakterielle Resistenzen: eine weltweite Bedrohung

In den Empfehlungen werden die Verantwortlichen in Politik, Gesellschaft und Wissenschaft aufgefordert, (1) den Einsatz von Antibiotika umsichtig und vorausschauend zu gestalten, (2) der Bevölkerung die Problematik der Resistenzen nahe zu bringen, (3) das Problem des Auftretens von Resistenzen europaweit koordiniert anzugehen, (4) die Forschung auf diesem Gebiet zu verstärken, um besser zu verstehen, wie Resistenzen überhaupt erst zustande kommen, (5) weitere Forschungsanstrengungen zur Aufdeckung neuer Zielstrukturen zu unternehmen, die der Entwicklung neuer Antibiotika dienen und neue Therapiemöglichkeiten eröffnen sollen. Der Bericht kann ab dem 21. Juni 2007 unter http://www.leopoldina-halle.de/easac-report07.pdf nachgelesen werden.

Seit der Entdeckung des Penicillins vor 80 Jahren haben Antibiotika die Lebenserwartung der Menschen entscheidend verbessert. Trotzdem hat sich die Hoffnung, Infektionskrankheiten seien damit bereits besiegt, als zu optimistisch erwiesen. Durch den breiten Einsatz von Antibiotika in Krankenhäusern, die zum Teil unsachgemäße Verschreibung durch niedergelassene Ärzte, aber auch durch die Möglichkeit des unkontrollierten freien Verkaufs von Antibiotika in zahlreichen Ländern kommt es immer häufiger zum Auftreten von resistenten Mikroben, wodurch diese Antibiotika unwirksam werden. Dies bedeutet, dass Krankheiten, die noch vor kurzem gut behandelbar waren, zunehmend eine tödliche Bedrohung darstellen. Schätzungsweise 175.000 Menschen sterben in Europa jährlich an bakteriellen Infektionskrankheiten, viele dieser Todesfälle sind auf antibakterielle Resistenzen zurückzuführen.

Eine Arbeitsgruppe des European Academies Science Advisory Council (EASAC), dem die Wissenschaftsakademien der EU-Mitgliedsstaaten angehören, hat nun unter dem Vorsitz von Professor Dr. Volker ter Meulen, dem Präsidenten der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, in einem umfassenden Bericht mit dem Titel „Tackling antibacterial resistance in Europe“ Strategien zur Eindämmung dieser Gefahr vorgestellt.

Volker ter Meulen, der seit Juni 2007 für drei Jahre auch Vorsitzender von EASAC ist, sagte dazu: „Die Zahl resistenter Mikroben wächst ständig und wird zu einem weltweiten Problem. Die politisch Verantwortlichen der EU unterstützen aber bisher die Entwicklung neuer Antibiotika nicht in dem Maße, wie es notwendig wäre, und sie fördern auch nicht den notwendigen Informationsaustausch innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten. Es ist notwendig, sehr schnell das Bewusstsein für die Problematik der Resistenzen in der Bevölkerung und auch bei den verschreibenden Ärzten zu schärfen. Antibiotika sollten nur kontrolliert eingesetzt, der freie Zugang sollte verhindert werden. Diese Maßnahmen müssen innerhalb der EU-Mitgliedsländer koordiniert werden, um maximale Erfolge zu erzielen.“

Langfristig sind neue Initiativen in Forschung und Industrie gefragt. Schnelltests zur Unterscheidung von bakteriellen und viralen Infektionen werden benötigt, Erreger müssen zuverlässig und schnell identifiziert werden. Durch verstärkte Grundlagenforschung soll es möglich sein, die Mechanismen der Entstehung von Resistenzen zu verstehen und neue Zielstrukturen für Antibiotika zu entdecken. Dabei ist es wichtig, dass die öffentliche Hand die Forschung in der Biotechnologie und der pharmazeutischen Industrie unterstützt, denn die Entwicklung neuer Antibiotika ist langwierig und kostspielig.

Bei den heute publizierten Empfehlungen handelt es sich bereits um den dritten EASAC-Bericht zum Komplex der Infektionskrankheiten. Zuvor erschienen bereits die Empfehlungen „Infectious diseases – importance of co-ordinated activity in Europe“ (Juni 2005, siehe http://www.leopoldina-halle.de/easac-report05.pdf) und „Vaccines: innovation and human health“ (Mai 2006, siehe http://www.leopoldina-halle.de/easac-report06.pdf).

Der European Academies Science Advisory Council (EASAC)

Der European Academies Science Advisory Council (EASAC), bestehend aus den nationalen Wissenschaftsakademien der EU-Mitgliedsstaaten, hat sich 2001 etabliert. Er versteht sich als Gremium, in dem wissenschaftsbasierte Stellungnahmen zu wissenschaftlichen und wissenschaftspolitischen Themen formuliert werden. Dazu setzt er zeitlich befristet Arbeitsgruppen ein. EASAC wird vornehmlich von den Mitgliedsakademien finanziert und hat keine kommerziellen oder privatwirtschaftlichen Geldgeber. Die Mitglieder der Projektgruppen arbeiten ehrenamtlich. Die EASAC-Mitglieder pflegen enge Kontakte zu den politisch Verantwortlichen in der Europäischen Union, im Parlament, im Rat und der Kommission. Damit bietet sich den europäischen Akademien eine Möglichkeit, mit wissenschaftsbasierten Empfehlungen der europäischen Politik Hinweise zu vermitteln. Für weitere Informationen zu EASAC siehe http://www.easac.eu.

Die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina

Die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina (gegründet 1652 in Schweinfurt) mit Sitz in Halle an der Saale (seit 1878) ist eine überregionale Gelehrtengesellschaft mit gemeinnützigen Aufgaben und Zielen. Sie fördert inter- und transdisziplinäre Diskussionen durch öffentliche Symposien, Meetings, Vorträge, die Arbeit von Arbeitsgruppen, verbreitet wissenschaftliche Erkenntnisse, berät die Öffentlichkeit und politisch Verantwortliche durch Stellungnahmen zu gesellschaftlich relevanten Themen, fördert junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, und sie betreibt wissenschaftshistorische Forschung. Der Leopoldina gehören zurzeit 1 250 Mitglieder in aller Welt an. Drei Viertel der Mitglieder kommen aus den Stammländern Deutschland, Schweiz und Österreich, ein Viertel aus etwa 30 weiteren Ländern. Zu Mitgliedern werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus naturwissenschaftlichen und medizinischen Disziplinen sowie aus den Kultur-, Technik-, empirischen Geistes-, Verhaltens- und Sozialwissenschaften gewählt, die sich durch bedeutende Leistungen ausgezeichnet haben. Unter den derzeit lebenden Nobelpreisträgern sind 33 Mitglieder der Leopoldina.

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Prof.Dr. Jutta Schnitzer-Ungefug idw

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