Kraftstoff für schwache Herzen

Wissenschaftler des Universitätsklinikums Heidelberg haben eine Gentherapie für Herzmuskelschwäche (Herzinsuffizienz) entwickelt. Dabei wird die Bauanleitung für ein entscheidendes Protein zuverlässig in die Zellen des Herzens eingebracht und kommt erstmals gezielt nur dort zum Einsatz. Bei dem Protein handelt es sich um das Eiweiß S100A1. Fehlt es in den Herzmuskelzellen, so schlägt das Herz nicht mehr mit voller Kraft – es kann zum Herzversagen kommen.

Im Tiermodell bessert sich durch den Gentransfer die Pumpleistung des Herzens deutlich und das krankhafte Wachstum des Herzmuskels (Hypertrophie) bildet sich zurück. Die Gentherapie hat sich sogar als effektiver als die klassische Behandlung mit Medikamenten erwiesen. Die wissenschaftliche Arbeit ist jetzt online in „Circulation“ veröffentlicht worden, dem führenden amerikanischen Journal im Bereich der Herzforschung.

Das Eiweiß S100A1 ist Kraftstoff für die Muskeln: Es erhöht sowohl die Pumpkraft des Herzens als auch die Kraftentwicklung der Skelettmuskulatur. Die höchste Konzentration im Körper erreicht das Protein im Herzen, wo es die für die Muskelkontraktion wichtigen Kalzium-Kanäle reguliert. Bei Herzmuskelschwäche wird das Protein S100A1 nicht mehr in ausreichender Menge gebildet: Die Muskeln, insbesondere das Herz, sind in ihrer Leistung beeinträchtigt.

Virus fungiert als „Gentaxi“ und transportiert Bauplan für Protein

Professor Dr. Patrick Most, Leiter des Labors für kardiale Stammzell- und Gentherapie, der derzeit an der Thomas Jefferson University arbeitet, und sein Mitarbeiter Dr. Sven Pleger aus der Abteilung Kardiologie, Angiologie und Pulmologie der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg (Ärztlicher Direktor: Professor Dr. Hugo A. Katus), entwickelten ein neues „Gentaxi“ in Form eines Virus, das den fehlerfreien Bauplan für S100A1 an seinen Einsatzort transportiert. Bei Gentherapien kommen verschiedene Arten von Viren zum Einsatz, die zuvor von Wissenschaftlern verändert werden: Die Viren können keine Erkrankung mehr verursachen, sondern dienen einzig dazu, funktionsfähige Kopien der defekten, körpereigenen Gene in die Zellen einzuschleusen.

„Das Problem unserer bisher verwendeten Viren war ihre kurze Verweildauer im Herzen“, so die beiden Autoren der Publikation. „In nur zwei Wochen vernichtet das Immunsystem alle Viren und verringert daher die Wirkung der Gentherapie.“ Die Heidelberger Wissenschaftler verwendeten deshalb so genannte Adeno-assoziierte Viren (AAV), die der Immunabwehr entgehen können – mit Erfolg. „Diese Arbeit ist eine Weiterentwicklung unserer bisherigen „Genfähren“, mit deren Hilfe wir die Wirkung einer S100A1 Gentherapie im Tiermodell bereits prinzipiell belegen konnten“, so Professor Most. „Ihre Wirkdauer war aber auf wenige Wochen begrenzt. Mit Hilfe der neuen Viren ist eine effektive Therapie wahrscheinlich in einem Zeitraum von Monaten bis Jahren möglich.“

Nur Herzmuskelzellen können verschlüsselte Information übersetzen

Der Forschergruppe gelang es außerdem erstmals, den Wirkort des therapeutischen Gens sehr genau einzugrenzen: Zwar werden die Viren über einen Katheter bereits direkt ins Herz appliziert, einige gelangen aber über den Blutkreislauf in den restlichen Körper. „Damit das Gen wirklich nur am Bestimmungsort aktiviert wird, haben wir eine neue Startsequenz (Promoter) für das Gen entworfen, die nur in den Herzmuskelzellen abgelesen werden kann“, erklärt Dr. Pleger. „Andere Körperzellen können mit diesem Startsignal nichts anfangen. So verhindern wir Nebenwirkungen in anderen Organen.“

Im Vergleich mit klassischen Medikamenten bei Herzschwäche, den Beta-Blockern, schneidet die Gentherapie mit S100A1 deutlich besser ab: Während sich die Herzleistung durch die Behandlung mit den Medikamenten weder verbessert noch verschlechtert, nähert sie sich nach der Gentherapie wieder dem Pumpvolumen eines gesunden Herzens an.

Studie an Säugetieren bereitet klinische Tests vor

Nun testet das Heidelberger Labor von Professor Most in einer vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Studie, wie sich eine S100A1 Gentherapie in einem Modell der Herzmuskelschwäche an langlebigen Säugetieren wie Schweinen auswirkt. „Vor dem Hintergrund unserer bisherigen Daten können wir wahrscheinlich in einigen Jahren mit ersten klinischen Sicherheitsstudien an Menschen beginnen“, so Dr. Pleger.

Literatur:
Sven T. Pleger, Patrick Most, Matthieu Boucher, Stephen Soltys, J. Kurt Chuprun, Wiebke Pleger, Erhe Gao, Abhijit Dasgupta, Giuseppe Rengo, Andrew Remppis, Hugo A. Katus, Andrea D. Eckhart, Joseph E. Rabinowitz, and Walter J. Koch: Stable Myocardial-Specific AAV6-S100A1 Gene Therapy Results in Chronic Functional Heart Failure Rescue. Circulation 2007: published online before print April 30, 2007

(Der Originalartikel kann bei der Pressestelle des Universitätsklinikums Heidelberg unter contact@med.uni-heidelberg.de angefordert werden)

Kontakt:
Ass. Prof. Dr. Patrick Most
Head, Laboratory for cardiac stem cell and gene therapy
Center for Translational Medicine
Department of Medicine
Thomas Jefferson University
Philadelphia, USA
Tel.: 001 215 955 8990 (Office)
Fax : 001 215 503 5731
E-Mail: patrick.most@jefferson.edu
Dr. Sven Pleger
Abteilung für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie
Medizinische Universitätsklinik Heidelberg
Tel.: 06221 / 38 863
E-Mail: sven.pleger@med.uni-heidelberg.de
Bei Rückfragen von Journalisten:
Dr. Annette Tuffs
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Universitätsklinikums Heidelberg
und der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 672
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