Intensivstation zu Hause

Die gesundheitspolitische Forderung ist klar: ambulant statt stationär. So wird auch bei Schwerstpflegebedürftigen vermehrt auf pflegende Angehörige und High-Tech Home Care (HTHC) gesetzt. Mit dem fast unerforschten Bereich der häuslichen Pflege bei Patienten, die in ihren körperlichen und geistigen Fähigkeiten bis hin zur Ausbildung eines Wachkomas sehr stark eingeschränkt sind, beschäftigt sich Dr. Julia Lademann in ihrer Dissertation.

Das Fazit: medizinisch-technische Geräte müssen an die Nutzer angepasst sein und professionelle Pflegedienste sollten sich mehr auf beratende und organisierende Tätigkeiten konzentrieren. Die Wissenschaftlerin vom Institut für Public Health und Pflegeforschung, Fachbereich Human- und Gesundheitswissenschaft, der Universität Bremen legte den Fokus der qualitativen Studie auf die pflegenden Angehörigen. Diese sind sowohl Nutzer als auch Leistungserbringer im System. Sie bedienen medizinisch-technische Geräte, ohne die die Pflegebedürftigen nicht überleben können. Dabei eignen sie sich im Umgang mit den Apparaten ein Expertenwissen an. Hilfsmittel werden vor allem dann als nützlich eingeschätzt, wenn sie ihre Funktion sicher erfüllen und gut in den Alltag integriert werden können. Mit dem Wissen, dass die subjektiv eingeschätzte Nützlichkeit der Apparate für die Pflegenden den gleichen Stellenwert hat, wie der medizinische Nutzen, können in Zukunft Hilfsmittel besser den Nutzern angepasst werden. Die Erfahrungen der Pflegenden sind eine wertvolle Hilfe beim Anpassen der Geräte an den Bedarf und den Alltag der Intensivpflegebedürftigen.

In der häuslichen Pflege von Schwerstpflegebedürftigen leisten die Angehörigen zumeist eine Rund-um-die-Uhr-Pflege. Professionelle Pflegekräfte sollen sie dabei unterstützen und entlasten. In der Realität entsteht allerdings eine Konkurrenzsituation, da sich die Angehörigen zu Experten in der Versorgung ihrer Pflegebedürftigen entwickeln. Deshalb wird in der Studie auf neue Aufgaben der professionellen Pflege hingewiesen. Die Gesundheitswissenschaftlerin empfiehlt professionellen Pflegediensten Schulungs- und Beratungskompetenzen zu entwickeln und Management-, Organisations- und Koordinationsaufgaben zu übernehmen. So können die Angehörigen, die in der häuslichen Pflege die meiste Arbeit übernehmen, wirklich unterstützt werden. Auch der Empowerment-Ansatz, d.h. die Stärkung des Selbstbestimmungsvermögens auf Seiten der pflegenden Angehörigen, kann von den Professionellen noch wesentlich gezielter aufgegriffen werden.

High-Tech Home Care wird durch die zunehmende Ambulantisierung und den technischen Fortschritt im Gesundheitssystem an Bedeutung gewinnen. Die bundesdeutsche Pionierarbeit von Julia Lademann will Ansatzpunkte liefern, um die derzeitige Versorgungssituation im HTHC-Bereich zu optimieren. Die von Professor Petra Kolip betreute Studie wird Ende Mai im Huber-Verlag unter dem Titel „Intensivstation zu Hause. Pflegende Angehörige in High-Tech Home Care“ erscheinen.

Weitere Informationen:

Universität Bremen
Fachbereich Human- und Gesundheitswissenschaften
Institut für Public Health und Pflegeforschung
Dr. P.H. Julia Lademann
Tel: 0421 218 9796
E-Mail: lademann@uni-bremen.de

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Eberhard Scholz idw

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