Neurodermitis: Altes Rätsel gelöst

Ein Team aus Innsbrucker Dermatologen und Humangenetikern um Robert Gruber, Andreas Janecke und Matthias Schmuth hat neue Einsichten in die Entstehung der Ichthyosis vulgaris („Fischschuppenkrankheit“) und der atopischen Dermatitis (Neurodermitis) gewonnen. Demnach tragen bis zur Hälfte der Neurodermitis Patienten einen bestimmten Gendefekt. Die Studien wurden in den Fachzeitschriften European Journal of Human Genetics und Nature Genetics veröffentlicht.

Die atopische Dermatitis (Neurodermitis) gehört zu den häufigsten entzündlichen Hauterkrankungen. In Europa sind davon bis zu einem Fünftel der Kinder betroffen. Die Erkrankung tritt oft auch mit Heuschnupfen und Asthma auf. Als Krankheitsursache vermuten Experten ein Widerspiel zwischen mehreren genetischen Faktoren und Umweltursachen. Bisherige Mutationsanalysen hatten die Aufmerksamkeit auf verschiedene Kandidatengene gelenkt. Diese waren aber in Wiederholungsstudien nicht immer reproduzierbar. Ein wichtiger neuer Hinweis kam nun von der Ichthyosis vulgaris („Fischschuppenkrankheit“), einer angeborenen Hautkrankheit mit übermäßiger Hautschuppung und Trockenheit, bei der Mutationen im Filaggrin-Gen entdeckt wurden, die zu einer Verminderung von Filaggrin in den äußeren Hautschichten führen. Nachdem die Ichthyosis vulgaris in einem Drittel der Fälle gleichzeitig mit einer atopischen Dermatitis einhergeht, war es naheliegend auch hier nach Filaggrindefekten zu suchen. Das führte zur Erkenntnis, dass bis zur Hälfte der Patienten mit atopischer Dermatitis diesen Gendefekt tragen.

Monogenetische versus komplexe Krankheiten

Diese Ergebnisse sind ein Beispiel dafür, wie die Untersuchung seltener monogenetischer Erkrankungen wichtige Schlüsselbefunde zur Aufklärung komplexer Krankheiten erbringen können. „Nachdem die schwierige Sequenzierung des hoch-repetitiven Filaggrin-Gens nun möglich ist, können umfangreichere epidemiologische Studien an größeren Patientengruppen die Bedeutung bei der atopischen Dermatitis näher beleuchten“, berichtet Prof. Janecke von der Sektion für Klinische Genetik der Medizinischen Universität Innsbruck. Die Forschungen in Innsbruck wurden vom Medizinischen Forschungsfonds Tirol (MFF) unterstützt und in Zusammenarbeit mit Forschergruppen aus Schottland, den Niederlanden, Japan und den USA durchgeführt. Dabei stellte sich heraus, dass bestimmte Mutationen verschiedenen geographischen Regionen gemeinsam sind während andere nur in bestimmten Regionen anzutreffen sind. So wurde im Rahmen der Untersuchungen auch eine Mutation entdeckt, die bisher ausschließlich in Tirol beobachtet wurde.

Barrierefunktion der Haut

Die Lokalisation von Filaggrin in den äußersten Schichten der Haut deutet darauf hin, dass dieses Protein mit der Barrierefunktion der Haut gegenüber der Umwelt zu tun hat. Diese Funktion ist die Grundlage der Überlebensfähigkeit des Menschen, indem sie das Verdunsten des Körperwassers verhindert und damit die Voraussetzung für die Regulation des Wasserhaushalts darstellt. Darüber hinaus ist sie außerdem wichtig für die Schutzfunktion der Haut vor äußeren Gefahren. Bei der atopischen Dermatitis ist diese Funktion entscheidend beeinträchtigt. „Die geschwächte Barriere könnte ein erleichtertes Eindringen von Allergenen und die erhöhte Entzündungsbereitschaft atopischer Haut bedingen. Wie das im Detail abläuft und inwieweit weitere Faktoren des Immunsystems und der Umwelt mit hineinspielen, ist derzeit Gegenstand weiterführender Forschungsbemühungen“, so Prof. Schmuth von der Innsbrucker Hautklinik. Diese erfolgen in Abstimmung mit dem European Epidermal Barrier Research Network. Für die Forschung sind die Ergebnisse von großer Bedeutung, spielt die Zugänglichkeit des Immunsystems der Haut gegenüber Allergenen doch eine entscheidende Rolle bei der Atopieentstehung.

Publikationen:

Filaggrin mutations p.R501X and c.2282del4 in ichthyosis vulgaris. Gruber R, Janecke AR, Fauth C, Utermann G, Fritsch PO, Schmuth M. Eur J Hum Genet.
2007 Feb;15(2):179-84.
http://dx.doi.org/10.1038/sj.ejhg.5201742

A comprehensive sequencing strategy for the highly repetitive filaggrin gene reveals both prevalent and rare mutations in ichthyosis vulgaris and atopic eczema. Sandilands A, Terron-Kwiatkowski A, Hull PR, O’Regan GM, Clayton TH, Carrick T, Evans AT, Liao H, Zhao Y, Campbell LE, Schmuth M, Gruber R, Janecke AR, Elias PM, van Steensel MAM, Nagtzaam I, van Geel M, Steijlen PM, Munro CS, Bradley DG, Palmer CNA, Smith FJD, McLean WHI, Irvine AD. Nat Genet, Epub 08 April 2007 http://dx.doi.org/10.1038/ng2020

Kontakt:

a.Univ.-Prof. Dr. Matthias Schmuth
Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie Medizinische Universität Innsbruck; Email: matthias.schmuth@i-med.ac.at
oder
Dr. Robert Gruber
Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie Medizinische Universität Innsbruck Tel +43-512-504-81096, Fax: +43-512-504-23017

Email: r.gruber@i-med.ac.at

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Weitere Informationen:

http://www.i-med.ac.at

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