Stoffwechselabbauprodukte legen Kraftwerke der Zellen lahm

Jedes Jahr kommen in Deutschland rund zehn Neugeborene mit einer erblichen Stoffwechselerkrankung, der so genannten Propionazidurie zur Welt, die in den ersten Lebensmonaten häufig tödlich verläuft. Die grundlegenden Mechanismen dieser Erkrankungen hat nun Frau Dr. Marina A. Morath vom Stoffwechselzentrum der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin Heidelberg näher untersucht: Abbauprodukte des fehlerhaften Stoffwechsels blockieren den Energiestoffwechsel in den Zellen. Die neuen Erkenntnisse zeigen vielversprechende Therapieansätze auf, die den lebensbedrohlichen Energiemangel dieser Patienten verhindern könnten.

Für ihre Forschung hat Frau Dr. Morath vom Stoffwechselzentrum Heidelberg den mit 5.000 Euro dotierten Wissenschaftspreis der Gesellschaft für Neuropädiatrie 2006 erhalten. Der Preis wurde am 22. März 2007 auf der 33. Jahrestagung der Gesellschaft für Neuropädiatrie in Passau verliehen.

Bei Patienten mit Organoazidopathien – von denen die Propionazidurie eine Form darstellt – kann der Körper Eiweiße aus der Nahrung und deren Bestandteile, die Aminosäuren, nicht vollständig abbauen: Es entstehen Säuren, die den gesamten Organismus überschwemmen und schädigen. Über die schädliche Wirkung dieser Abbauprodukte auf den Energiestoffwechsel war bislang sehr wenig bekannt.

Säuren hemmen den Energiestoffwechsel in den Zellen

Die betroffenen Kinder erkranken meist kurz nach der Geburt sehr schwer und können ins Koma fallen oder sterben. Werden die giftigen Stoffe nicht rechtzeitig durch Blutwäsche oder mittels Medikamenten aus dem Körper entfernt, erleiden die Organe, vor allem das Gehirn, Schaden. Die körperliche und geistige Entwicklung der Kinder ist gestört, ihr Zustand verschlechtert sich kontinuierlich.

Frau Dr. Morath untersuchte in der Arbeitsgruppe von Professor Dr. Georg F. Hoffmann (Geschäftsführender Direktor der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin Heidelberg), welche Mechanismen innerhalb der Zellen von Patienten diese schweren Schädigungen hervorrufen. Sie zeigt, dass die giftigen Abbauprodukte massiv den Energiestoffwechsel in den Zellen hemmen: Innerhalb der Kraftwerke der Zelle, in den Mitochondrien, werden mehrere wichtige Stoffwechselschritte lahm gelegt.

Die Kinder müssen lebenslang eine sehr strenge eiweißreduzierte Diät einhalten, um eine bedrohliche Anreicherung dieser Säuren im Körper zu vermeiden. Bereits leichte Infektionen, z. B. ein fieberhafter Atemwegsinfekt, können den Zustand der Patienten kritisch verschlechtern. Sie müssen dann im Rahmen einer intensivierten Notfallbehandlung in der Klinik betreut werden.

Entwicklung neuer Therapien

Die Erkenntnisse der Heidelberger Ärztin können die Therapie zukünftig möglicherweise verbessern, da nun neue Angriffspunkte des mitochondrialen Energiestoffwechsels identifiziert werden konnten. So könnten durch die Zufuhr alternativer Energielieferanten die Blockaden im Stoffwechsel der Zelle umgangen und die Energieproduktion erhalten werden. So werden möglicherweise Folgeschäden, wie schwere Behinderungen, verhindert oder zumindest abgemildert.

Der von der Desitin Arzneimittel GmbH gestiftete Wissenschaftspreis hat das Ziel, Forschungsprojekte von Jungwissenschaftlern auf dem Gebiet der Neuropädiatrie mit einem unmittelbaren Bezug zu klinischen Problemen zu fördern.

Ansprechpartner:
Dr. med. Marina Morath
Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin
Sektion für angeborene Stoffwechselerkankungen
Im Neuenheimer Feld 150
69120 Heidelberg
E-Mail: marina.morath@med.uni-heidelberg.de
Bei Rückfragen von Journalisten:
Dr. Annette Tuffs
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Universitätsklinikums Heidelberg
und der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 672
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Tel.: 06221 / 56 45 36
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