Verstopfung von Kommunikations-Knotenpunkten im Gehirn verursacht Demenz

Gedächtnisverlust und Bewegungsstörungen bei der „Demenz mit Lewy Körperchen“ (DLB), der zweithäufigsten Demenz-Erkrankung nach der Alzhei-merschen Krankheit, wird nach neuen Erkenntnissen aus der Universitätsmedizin Göttingen durch den Untergang von Kommunikations-Knotenpunkten (Synapsen) zwischen Nervenzellen im Gehirn verursacht. Bisherige Modelle sehen im Tod ganzer Nervenzellen die Ursache der Krankheitssymptome.

Die Erkenntnisse öffnen die Türen für neue Strategien zur Behandlung der „Demenz mit Lewy Körperchen“ und möglicherweise auch der Parkinsonschen Krankheit. Die Ergebnisse aus dem Schwerpunkt Prion- und Demenzforschung (Leiter: Priv. Doz. Dr. Walter Schulz-Schaeffer) in der Abteilung Neuropathologie (Direktor: Prof. Dr. Wolfgang Brück) in der Universitätsmedizin Göttingen sind aktuell im renommierten, internationalen Journal of Neuroscience erschienen (Bd. 27, Seiten 1405-1410).

Auslöser der Kommunikationsstörung zwischen den Nervenzellen bei der „Demenz mit Lewy Körperchen“ sind nach den Göttinger Erkenntnissen „kleinere Verklumpungen“ des Proteins alfa-Synuclein in den Endigungen der Signal-aussendenden (präsynaptischen) Nervenzellen im Gehirn. Sowohl bei der „Demenz mit Lewy Körperchen“ als auch bei der Parkinsonschen Krankheit verbinden sich einzelne Moleküle des Proteins alfa-Synuclein in den Nervenzellen des Gehirns zu stabilen Ablagerungen, so genannten Protein-Aggregaten. Diese vereinigen sich zu großen „Körperchen“ in der Nähe des Zellkerns, den „Lewy Körperchen“. „Die relativ geringe Zahl großer Lewy Körperchen im Gehirn verstorbener DLB-Patienten kann aber nicht die Demenz erklären. So entstand die Idee, dass kleinste, bislang übersehene, Proteinaggregate für das Krankheitsbild der Demenz verantwortlich sein müssten“, so der Mediziner, Priv. Doz. Dr. Walter Schulz-Schaeffer.

Mit zwei neuen Methoden aus dem Göttinger Labor fanden die Wissenschaftler eine enorm große Zahl kleinster alfa-Synuclein Aggregate im Gehirn verstorbener DLB-Patienten: Mit dem PET blot gelang der Nachweis kleinster Proteinaggregate. Eine Mikrofiltrationstechnik erlaubte die Ortung der Aggregate in den in den präsynaptischen Enden der Nervenzellen. Gleichzeitig beobachteten die Forscher, dass die Dendritensprossen der Signal-empfangenden Nervenzellen verkümmert waren, ein Zeichen für den dauerhaften Verlust von Nervenzell-Kontakten. „Diese Beobachtungen erlauben ein völlig neues Verständnis der krankheitsauslösenden Prozesse bei neurodegenerativen Krankheiten wie der Demenz mit Lewy Körperchen“, fasst Priv. Doz. Dr. Walter Schulz-Schaeffer zusammen.

„Anders als bisher vermutet, sind die Lewy Körperchen wahrscheinlich das Ergebnis des erfolgreichen Versuchs der Zellen, die schädlichen kleinen Aggregate beiseite zu räumen. Gelingt es der Zelle nicht, bereits kleinste Eiweißablagerungen aus den entfernten Verästelungen in das Zentrum der Zelle zu transportieren, wird die Zell-Zell-Kommunikation an den Synapsen gestört“, sagt Dr. Michael L. Kramer, Biochemiker und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Team von Priv. Doz. Dr. Walter Schulz-Schaeffer und Erstautor der Untersuchung.

„Als nächstes wollen wir untersuchen, ob der gleiche Mechanismus der Störung von Synapsen durch kleinste Aggregate auch bei Parkinson-Patienten für deren Bewegungsstörungen verantwortlich ist, und nicht erst der unumkehrbare Untergang ganzer Nervenzellen“, sagt Dr. Kramer.

Die Untersuchungen werden seit 2001 durch die VolkswagenStiftung im Rahmen des Niedersächsischen Vorab gefördert.

WEITERE INFORMATIONEN:
Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
Abteilung Neuropathologie, Schwerpunkt Prion- und Demenzforschung
Priv. Doz. Dr. Walter Schulz-Schaeffer, Telefon 0551 / 39-2707
wjschulz@med.uni-goettingen.de
Dr. Michael Kramer, Telefon 0551/39-8466
mkramer@med.uni-goettingen.de
Robert-Koch-Straße 40, 37075 Göttingen

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Stefan Weller idw

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