Schub für die Infektionsprävention


Wie viele Menschen erkranken im Jahr an Hepatitis? Nimmt die Zahl der Masernfälle ab? Steigt die Zahl an Tuberkuloseerkrankungen mit multiresistenten Erregern? Mit welchen besonderen Problemen müssen Arzt und Patient bei der Antibiotikatherapie von Infektionen im Zusammenhang mit medizinischen Eingriffen rechnen? Die Erfassung und Bewertung von Infektionskrankheiten und Erkrankungen, bei denen Infektionserreger Mitverursacher sind, waren in Deutschland bislang unzureichend. Dieser Entwicklung trägt das Bundesministerium für Gesundheit mit dem neuen Infektionsschutzgesetz (IfSG) Rechnung, das seit 1. Januar 2001 in Kraft ist.

Das neue Gesetz verwirklicht eine umfassende Modernisierung des deutschen Seuchenrechts und fasst eine Reihe von Regelungen, die neben dem Bundes-Seuchengesetz (BSeuchG) entstanden waren, zu einem einheitlichen Regelwerk zusammen. Das IfSG stärkt die Stellung des Robert Koch-Instituts als zentrale Einrichtung des öffentlichen Gesundheitswesens. „Damit spielt das RKI zukünftig eine tragende Rolle beim Erreichen des zentralen Zieles des IfSG, den Schutz der Bevölkerung vor Infektionskrankheiten zu verbessern“, betont Professor Reinhard Kurth, Leiter des Robert Koch-Instituts.

Durch das IfSG werden die Instrumentarien zur notwendigen Zusammenarbeit aller Beteiligten – der Einrichtungen des Bundes, der Länder und Kommunen, der Ärzte und Tierärzte, Krankenhäuser, wissenschaftlichen Einrichtungen und sonstige Mitwirkende – neu strukturiert. Die Eigenverantwortung der Träger und Leiter von Gemeinschaftseinrichtungen, Lebensmittelbetrieben, Gesundheitseinrichtungen sowie des Einzelnen bei der Prävention übertragbarer Krankheiten wird stärker gefördert (und gefordert).

Die Beobachtung der Verbreitung von Infektionskrankheiten (Surveillance), die Planung und Durchführung von Forschungs- und Präventionsansätzen, die Interpretation der Ergebnisse sowie die Erstellung von Empfehlungen und Merkblättern erfordern die enge Zusammenarbeit von Ärzten, Mikrobiologen sowie Epidemiologen, Methodikern, Sozialmedizinern und Experten für Public Health. Das Robert Koch-Institut trägt den neuen Aufgaben, die das IfSG ihm zuweist, mit einem neu gegründeten „Zentrum für Infektionsepidemiologie“ Rechnung. Das Zentrum ist institutsintern und extern auf interdisziplinäre Zusammenarbeit angelegt und wird mit den bestehenden Strukturen eng vernetzt.
Die Aufgaben des Robert Koch-Instituts im einzelnen:
· Das Robert Koch-Institut erarbeitet Konzepte zur Vorbeugung übertragbarer Krankheiten sowie zur frühzeitigen Erkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionen. Dies schließt die Entwicklung und Durchführung
epidemiologischer und laborgestützter Analysen sowie Forschung zu Ursache, Diagnostik und Prävention übertragbarer Krankheiten ein. Auf Ersuchen eines Bundeslandes berät das RKI die zuständigen Stellen beim Auftreten schwerwiegender übertragbarer Krankheiten oder ungeklärter Krankheitsausbrüche.

· Für Fachkreise werden Richtlinien, Empfehlungen, Merkblätter und sonstige Informationen erarbeitet.

· Im Rahmen des Europäischen Netzes für epidemiologische Überwachung und die Kontrolle übertragbarer Krankheiten nimmt das RKI Koordinierungsaufgaben für Deutschland wahr.

· Das Robert Koch-Institut erstellt und veröffentlicht Falldefinitionen, die erstmals zur routinemäßigen Übermittlung der meldepflichtigen übertragbaren Krankheiten in Deutschland in verbindlicher Form vorgeschrieben sind. Diese einheitlichen Vorgaben sollen Qualität und Vergleichbarkeit der Meldedaten verbessern.

· Zur Umsetzung der neuen gesetzlichen Vorgabe, Infektionen in Krankenhäusern und Einrichtungen für ambulantes Operieren (nosokomiale Infektionen) besser zu erfassen und Präventionsmaßnahmen zu intensivieren, legt das RKI fest, welche nosokomialen Infektionen und welche Krankheitserreger mit speziellen Resistenzen erfasst werden müssen (§ 23, Abs. 1). Die Festlegung erfolgt jeweils auf der Basis aktueller epidemiologischer Erfordernisse und wird im Bundesgesundheitsblatt und auf der Homepage des RKI veröffentlicht. Durch entsprechende Dokumentation und Bewertung sollen die Einrichtungen Schwächen im Hygienemanagement besser erkennen. Die konsequente Umsetzung der Empfehlungen der nun (in §23, Abs. 2) gesetzlich verankerten Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention unterstützt die Präventionsmaßnahmen und versetzt die medizinischen Einrichtungen in die Lage, ihrer hohen Verantwortung für den Patientenschutz nachzukommen.

· Das System der Meldepflicht von Krankheiten in Deutschland wird mit dem IfSG auf eine neue Basis gestellt. Das Robert Koch-Institut wird als epidemiologisches Zentrum institutionalisiert.

Einerseits können Meldeinformationen vor Ort wichtig sein, um Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Andererseits sind die Daten eine wichtige Quelle, um zu wissen, welcher Erreger in Deutschland in welchem Ausmaß vorhanden ist – wichtige Voraussetzung, um Risikofaktoren zu erkennen und geeignete Präventionsmaßnahmen vorschlagen zu können. Je nachdem, welcher Aspekt im Vordergrund steht, wurde die Meldung als namentliche oder als nichtnamentliche Meldung im Gesetz festgelegt. Im IfSG wird im Gegensatz zum Bundes-Seuchengesetz zwischen der Meldung von Krankheitsbildern und der Meldung des Nachweises von Krankheitserregern unterschieden. Die Liste der durch den behandelnden Arzt zu meldenden Krankheiten ist dadurch kürzer geworden, „wir erhoffen uns dadurch eine Verbesserung der Meldemoral“, sagt Kurth
Eine Reihe von Krankheiten wurde aus der Meldepflicht genommen: Cytomegalie, Gasbrand, Keuchhusten, Pocken, sowie aus dem Geschlechtskrankheiten-Gesetz Haemophilus ducreyi (Weicher Schanker) und Neisseria gonorrhoeae (Tripper). Hinzugekommen ist die Meldepflicht für Verdacht und Erkrankung an Masern (im BSeuchG nur Tod), sowie für Verdacht auf das Vorliegen einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung. Für Laboratorien gibt es eine Liste von meldepflichtigen Erreger-Nachweisen, die zum Teil vorher nicht meldepflichtig waren wie Adenoviren im Konjunktivalabstrich, Legionellen, Masernviren und Echinokokken.

Nachweise von einigen Krankheitserregern, zum Beispiel der Malariaerreger Plasmodium sp., HIV und Toxoplasma gondii (einzellige Parasiten, die auf den Menschen übertragen werden können), müssen zukünftig direkt und nichtnamentlich an das Robert Koch-Institut gemeldet werden und nicht mehr, wie bisher nach dem Bundes-Seuchengesetz, an das Gesundheitsamt. Mit diesem neuen Meldeverfahren erhofft man sich, bessere Daten über solche Infektionen zu erhalten, bei denen kein direktes Tätigwerden des Gesundheitsamtes notwendig ist. „Damit genaue Aussagen über die Verbreitung der Infektionen möglich sind, ist es wichtig, dass alle Ärzte bei der Erfüllung der Meldepflicht mitwirken“, appelliert RKI-Direktor Kurth an Ärzte und Labormediziner. Im Robert Koch-Institut werden die übermittelten Meldungen zusammengefasst und infektionsepidemiologisch ausgewertet. „In Zukunft werden wir per Knopfdruck Auskunft geben können, welche Erreger in Deutschland in welchem Ausmaß vorhanden sind“, meint Reinhard Kurth.

Wie bisher gewährleistet insbesondere das vom RKI herausgegebene Epidemiologische Bulletin einen raschen Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Akteuren – den Ärzten in Praxen, Kliniken, Laboratorien, Beratungsstellen und Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes sowie den medizinischen Fachgesellschaften, Nationalen Referenzzentren und den Stätten der Forschung und Lehre.

Auf besonderen Internet-Seiten bietet das Robert Koch-Institut umfangreiche Informationen zum IfSG: ein IfSG-Themenheft des Bundesgesundheitsblattes, den Link zum Gesetzestext, Termine von Fortbildungsveranstaltungen (zum Teil vom RKI selbst veranstaltet oder mit Referenten aus dem Institut), Bezugsquellen für die Meldebögen, Falldefinitionen zur routinemäßigen Übermittlung der meldepflichtigen übertragbaren Krankheiten und Literaturhinweise: http://www.rki.de/INFEKT/IFSG/IFSG.HTM

Als Anlaufstelle für fachlich-inhaltliche Fragen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes baut das RKI im neuen Zentrum für Infektionsepidemiologie eine Informationsstelle auf. Für den Arzt und das Hygienepersonal ist das örtliche Gesundheitsamt erster Ansprechpartner.

Am 25. Januar 2001 findet in Berlin ein Presseworkshop zum Infektionsschutzgesetz statt; hierzu wird gesondert eingeladen.

Weitere Informationen finden Sie im WWW:

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Heidrun Wothe idw

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