Weltweit erstmals neues Verfahren zur Nierentransplantation

Tübinger Uniklinik führt weltweit erstmals diese Transplantation ohne Entfernung der Milz durch

Trotz Blutgruppenunverträglichkeit und Antikörpern gegen das Spendergewebe (positive Kreuzprobe) wurde an der Tübinger Uniklinik jetzt ein 18-Jähriger erfolgreich nierentransplantiert. Im Unterschied zu den bereits häufig in Stockholm, Freiburg und jetzt auch in Stuttgart durchgeführten blutgruppeninkompatiblen Nierentransplantationen handelt es sich bei dem Tübinger Verfahren um einen medizinischen Durchbruch.

Die Ärzte konnten zum ersten Mal zeigen, dass auch Eltern und nahe Verwandte, die zum Organempfänger eine Gewebeunverträglichkeit und eine andere Blutgruppe haben, spenden können.

Bis jetzt bedeutete eine unverträgliche Blutgruppe, aber vor allem eine positive Kreuzprobe – die Antikörper des Empfängers vernichten in der Labor-Testschale die Zellen des Organspenders -, dass zwischen diesem Spender und Empfänger eine Nierentransplantation unmöglich war. Nur in ganz vereinzelten Fällen konnte bislang nach Entfernung der Milz trotzdem die Niere transplantiert werden.

Jetzt können Dialysepatienten aufatmen. In der Tübinger Uniklinik wurde eine Nierentransplantation über beide Grenzen hinweg und ohne Milzentfernung gewagt. Vor vier Monaten erhielt ein 18-jähriger Dialysepatient die Spenderniere seiner Mutter obwohl alles gegen eine Transplantation sprach: Er hat Blutgruppe 0, die Mutter Blutgruppe B. Außerdem bildete er viele Antikörper gegen die Gewebsmerkmale seiner Mutter, es bestand eine stark positive Kreuzprobe. Ohne spezielle Vorbehandlung wäre eine transplantierte Niere unter solchen Umständen bereits auf dem OP-Tisch irreversibel abgestoßen worden.

Fitim G. kam, nachdem er eine erste Transplantatniere verloren hatte, im vergangenen Jahr drei bis viermal pro Woche in die Tübinger Kinderdialyse zur Blutwäsche. Das aufwändige Verfahren dauert mehrere Stunden. An eine Schul- und Berufsausbildung war unter diesen Bedingungen nicht zu denken. Die Aussichten, über Eurotransplant zeitnah eine neue Niere zu erhalten, standen schlecht. Mehrere Jahre hätte er warten müssen.

Das Angebot seiner Mutter, eine Niere zu spenden, wurde nach ausführlicher Beratung mit der Ethik-Kommission angenommen. In enger Zusammenarbeit zwischen Kinderdialyse (Dr. Oliver Amon), Erwachsenendialyse (Prof. Teut Risler) und dem Institut für Klinische und Experimentelle Transfusionsmedizin (Prof. Dorothee Wernet) am Tübinger Universitätsklinikum wurden durch eine spezielle Blutwäsche (Immunabsorption) sowohl die Antikörper gegen die Blutgruppe der Mutter als auch die Antikörper gegen ihre Gewebsmerkmale entfernt. Zusätzliche Sicherheit schafften Medikamente, die das Immunsystem daran hindern, diese Antikörper nachzubilden. Im Juli 2006 konnten die Transplantationschirurgen (Prof. Alfred Königsrainer, Prof. Wolfgang Steurer) des Universitätsklinikums die gespendete Niere verpflanzen.

Seitdem sind weder im Blut noch in der Nierenbiopsie Zeichen einer antikörperbedingen Abstoßung aufgetreten. Die neue Niere funktioniert. Der junge Mann kann jetzt das Versäumte in seiner Schul- und Berufsausbildung nachholen.

Das Tübinger Behandlungsprotokoll ist ein Erfolg, vor allem angesichts des Mangels an Spenderorganen für eine steigende Zahl von Dialysepatienten. Viele Eltern und Verwandte würden gerne für ihr Kind oder einen Erwachsenen aus ihrer Familie eine Niere spenden, konnten aber bisher oft wegen falscher Blutgruppe oder wegen einer positiven Kreuzprobe nicht zur Spende zugelassen werden. In Tübingen können diese Nierentransplantationen jetzt erfolgreich und sicher durchgeführt werden. Patienten benötigen nach einer solchen Art von Nierentransplantation offensichtlich nicht mehr Medikamente zur Immunsuppression als andere nach einer konventionellen Transplantation.

Weltweite Erfahrungen mit dieser Methode

In Philadelphia, USA, wurde 2004 ein 26-jähriger Dialysepatient unter ähnlichen Bedingungen transplantiert. Im Unterschied zum Tübinger Fall war dort die Spenderin eine von den Gewebsmerkmalen her identische Schwester mit nur schwach positiver Kreuzprobe. 2005 wurden drei Patienten in Baltimore, USA, mit Entfernung der Milz nach dieser Methode transplantiert. In Tübingen ist es nun erstmals gelungen, die Methode bei hochpositiver Kreuzprobe ohne operative Entfernung der Milz, die potenziell eine besondere Infektionsgefährdung des Patienten bedeutet, durchzuführen.

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Universitätsklinikum Tübingen
Transplantationsbüro, Tel. 0 70 71/29-8 66 60
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Tel. 0 70 71 / 29-8 37 81 (über Pforte Kinderklinik)
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