"Es ist höchste Zeit, dass gehandelt wird"

Prof. Dr. Anthony D. Ho, Ärztlicher Direktor der Abteilung Innere Medizin V, Universität Heidelberg: „Stammzellforschergruppe unserer Abteilung begrüßt die gestrige Entscheidung des Bundestages“

Die Stammzellforschergruppe der Abteilung Innere Medizin V (Hämatologie-Onkologie und Rheumatologie) der Universität Heidelberg begrüßt die gestrige Entscheidung des Bundestages. Ärztlicher Direktor Prof. Dr. Anthony D. Ho kommentiert:

„Es ist höchste Zeit, dass angesichts der Bedeutung von Grundlagenforschung für die Therapie von morgen keine Zeit für Debatten vergeudet wird, sondern dass gehandelt wird. Auch wenn wir in Heidelberg schwerpunktmäßig auf die Forschung mit adulten Stammzellen seit längerer Zeit gesetzt haben, so wird eine vergleichende Untersuchung an importierten embryonalen Stammzellen unsere Arbeit beflügeln. Aus Tradition haben wir uns in Heidelberg verpflichtet, fundierte Grundlagenforschung zu betreiben und zu unterstützen, sowohl bei den embryonalen als auch bei den adulten Stammzellen – bisher im Tiermodell bei embryonalen Stammzellen und im Reagenzglas bei humanen adulten Stammzellen. Wir werden mit Nachdruck die Mechanismen der Reprogrammierung und der Transdifferenzierung bei adulten Stammzellen aufklären. Das Ziel ist es, baldmöglichst neue Formen der Stammzelltherapie zum Wohl der Patienten zu etablieren. Engagement von beiden Seiten, sowohl vom Bürger und seinen politischen Vertretern als auch von der Wissenschaft, wie in den letzten Monaten geschehen, ist dringend erforderlich.

Dem therapeutischen Einsatz von Stammzellen verdanken schon heute unzählige Menschen ihr Leben. Die Rede ist von der Transplantation sog. adulter Blutstammzellen, die hauptsächlich im Knochenmark zu finden sind. Aus ihnen entstehen kontinuierlich und lebenslang die Zellen des Blutes und des Immunsystems. Die Blutstammzell-Transplantation ermöglicht die radikale Behandlung bestimmter Leukämie- und Krebsformen, wodurch eine dauerhafte Heilung erzielt werden kann. Die Behandlungsmethode ist seit 1983 auch Routine an unserer Abteilung im Universitätsklinikum Heidelberg.

In jüngster Zeit konnte gezeigt werden, dass die aus dem Knochenmark gewonnenen Stammzellen sich nicht nur zu Blutzellen, sondern auch zu Zellen anderer Gewebearten entwickeln können, z.B. Knochen- und Knorpelzellen, Sehnen-, Muskel-, Leber-, und Nerven-Zellen. An der Universität Heidelberg arbeiten viele Biowissenschaftler und Kliniker gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum und dem European Molecular Biology Laboratory an der Erforschung dieses Phänomens. Sie wollen die molekularen Mechanismen und Faktoren ergründen, die das langfristige Schicksal der Stammzellen , d.h. Ihre Differenzierung in verschiedene Zelltypen, prägen. In dieser Hinsicht können wir in Zukunft viel schneller ans Ziel kommen, wenn wir die vielseitigen Differenzierungswegen der embryonalen Stammzellen in Detail analysieren und charakterisieren dürfen.

Nach dem aktuellen Wissenstand gilt es als höchstwahrscheinlich, dass menschliche, adulte Stammzellen neue Differenzierungswege „erlernen“ können und damit äußerst vielseitig in ihrem Entwicklungspotenzial sind. Allerdings ist die Selbsterneuerungsfähigkeit adulter Stammzellen äußerst limitiert, was ihre potentielle Verwendbarkeit einschränkt. Dagegen besitzen embryonale Stammzellen eine enorme Selbsterneuerungsfähigkeit und großes entwicklungsbiologisches Potenzial, was sie für Zellersatzstrategien prädisponiert.

Noch weiß niemand, welche Art Stammzellen eines Tages für therapeutische Anwendungen an Patienten infrage kommen. Aus heutiger Sicht gilt als wahrscheinlich, dass es einen einzigen Typ für die Zelltherapie aller Krankheitsformen nicht geben wird. Wegen ihrer enormen Selbsterneuerungsfähigkeit und des entwicklungsbiologischen Potenzials könnten sich die embryonalen Stammzellen für Zellersatzstrategien bei jenen Geweben besonders gut eignen, die nur ein sehr eingeschränktes Regenerationsvermögen aufweisen. Vielleicht ist die Zelltherapie alleine auch nicht der einzig gangbare therapeutische Weg. Denkbar wäre z.B. auch der Einsatz von Faktoren, die die Reprogrammierung und Transdifferenzierung von Stammzellen oder Körperzellen steuern. Diese könnten beim Menschen direkt in Form von Medikamenten zur Anwendung kommen, um so die eigenen Stammzellen therapeutisch nutzen zu können und Abstoßungsprobleme zu vermeiden.“

Rückfragen bitte an:
Prof. Dr. Anthony D. Ho
Ärztlicher Direktor der Abteilung Innere Medizin V
Universität Heidelberg
Tel. 06221 568001, Fax 565813 
anthony_ho@med.uni-heidelberg.de

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Dr. Michael Schwarz idw

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