Zimtkapseln zur Senkung des Blutzuckers sind Arzneimittel!

Seit einiger Zeit werden in Deutschland Nahrungsergänzungsmittel und diätetische Lebensmittel mit einem hohen Anteil an Zimt oder Zimtextrakt angeboten. Sie sollen unter anderem dazu beitragen, den Blutzuckergehalt bei Diabetes mellitus Typ II zu senken. Produkte, die mit einer derartigen Aussage beworben werden, sind nach gemeinsamer Auffassung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) als Arzneimittel einzustufen und bedürfen einer Zulassung.

Im Zulassungsverfahren werden Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und die pharmazeutische Qualität eines Arzneimittels geprüft. Nahrungsergänzungsmittel und diätetische Lebensmittel unterliegen dagegen nicht der Zulassungspflicht: Damit erfolgt keine Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit und auch keine wissenschaftliche Nutzen-Risiko-Abwägung. Inzwischen sind zimthaltige diätetische Lebensmittel zur Senkung des Blutzuckers auch vor Gericht als Arzneimittel eingestuft worden. Sie sind damit als Lebensmittel nicht verkehrsfähig. Sowohl diese Produkte, als auch zimthaltige „Nahrungsergänzungsmittel“, die ohne gesundheitliches Wirkversprechen angeboten werden, unterscheiden sich erheblich in ihren Cumarin-Gehalten. Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelüberwachung zeigen, dass einige Präparate so viel Cumarin enthalten, dass die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge bei der empfohlenen Tagesdosis überschritten wird. Solche Präparate hält das BfR für gesundheitlich bedenklich.

Nahrungsergänzungsmittel sind Lebensmittel. Sie sind dazu bestimmt, die Ernährung durch Stoffe mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung in dosierter Form zu ergänzen. Bei Zimtpräparaten, die mit der Aussage „zur Senkung des Blutzuckers“ ausgelobt werden, wird hingegen behauptet, dass Zimt und seine Inhaltsstoffe therapeutisch wirken, das heißt, dazu bestimmt sind, „Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen“ (§2 Arzneimittelgesetz). Derartige gesundheitsbezogene Aussagen und Wirkversprechen sind für Lebensmittel und für diätetische Lebensmittel nicht zulässig, sondern Arzneimitteln vorbehalten.

Es ist im Übrigen wissenschaftlich nicht eindeutig bewiesen, ob Zimt oder Zimtpräparate den Blutzuckerspiegel bei Diabetikern positiv beeinflussen können. Die Ergebnisse einer Studie aus Pakistan konnten durch andere Studien bislang nicht zweifelsfrei bestätigt werden. Zimt ist als pflanzliches Arzneimittel zur Behandlung von Diabetes in Deutschland und Europa nicht zugelassen. Damit ist die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Einsatzes von Zimt zur Senkung des Blutzuckers nicht geprüft. Es erfolgt auch keine Überwachung möglicher Nebenwirkungen.

Die regelmäßige Einnahme großer Mengen von Zimt im Gramm-Bereich, die Diabetikern in der Laienpresse und offenbar auch von einigen Ärzten empfohlen wird, halten BfArM und BfR für gesundheitlich bedenklich. Mögliche wirkungsrelevante Bestandteile sind nicht standardisiert. Ob bei langfristiger Einnahme solcher Präparate unerwünschte Wirkungen auftreten, ist unbekannt.

Außerdem kann der im Zimt enthaltene Inhaltsstoff Cumarin, in höheren Mengen über längere Zeit verzehrt, bei empfindlichen Personen Leberschäden wie Leberentzündung verursachen. Der in Nahrungsergänzungsmitteln und diätetischen Lebensmitteln eingesetzte Cassia-Zimt weist zum Teil hohe Cumarin-Gehalte auf, insbesondere dann, wenn es sich um Zimtpulverpräparate handelt. Das ergaben Untersuchungen der Überwachungsbehörden der Bundesländer. Einige der untersuchten Zimtpräparate enthielten so viel Cumarin, dass bei der empfohlenen Tagesdosis die täglich tolerierbare Aufnahmemenge (TDI) von 0,1 Milligramm Cumarin je Kilogramm Körpergewicht bereits überschritten wird (der TDI-Wert gibt die Menge eines Stoffes an, die täglich lebenslang ohne gesundheitliche Schäden aufgenommen werden kann). Da die Verbraucher Cumarin auch über andere Quellen wie zimthaltige Lebensmittel und kosmetische Mittel aufnehmen, sind bei langfristiger Einnahme von Präparaten mit hohem Cassia-Zimtanteil Gesundheitsschäden nicht auszuschließen.

„Diabetiker, die auf Anraten einiger Ärzte oder im Rahmen eines Diätplans täglich größere Mengen Zimtpulver verzehren oder Zimtpräparate zu sich nehmen, sollten wegen möglicher hoher Cumarin-Gehalte und der nicht hinreichend belegten Wirksamkeit auf diese Produkte verzichten“, so der Leiter des BfArM, Prof. Dr. Reinhard Kurth. Auch die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) rät von der Einnahme von Zimtpräparaten ab. „Verbraucher, die Cassia-Zimtpulver oder Cassia-Zimtpräparate aus anderen Gründen, etwa zur besseren Verdauung, in größeren Mengen zu sich nehmen, sollten auf deren Einnahme ebenfalls verzichten“, rät der Präsident des BfR, Prof. Dr. Dr. Andreas Hensel.

Media Contact

Dr. Irene Lukassowitz idw

Weitere Informationen:

http://www.bfr.bund.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Medizin Gesundheit

Dieser Fachbereich fasst die Vielzahl der medizinischen Fachrichtungen aus dem Bereich der Humanmedizin zusammen.

Unter anderem finden Sie hier Berichte aus den Teilbereichen: Anästhesiologie, Anatomie, Chirurgie, Humangenetik, Hygiene und Umweltmedizin, Innere Medizin, Neurologie, Pharmakologie, Physiologie, Urologie oder Zahnmedizin.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Nanofasern befreien Wasser von gefährlichen Farbstoffen

Farbstoffe, wie sie zum Beispiel in der Textilindustrie verwendet werden, sind ein großes Umweltproblem. An der TU Wien entwickelte man nun effiziente Filter dafür – mit Hilfe von Zellulose-Abfällen. Abfall…

Entscheidender Durchbruch für die Batterieproduktion

Energie speichern und nutzen mit innovativen Schwefelkathoden. HU-Forschungsteam entwickelt Grundlagen für nachhaltige Batterietechnologie. Elektromobilität und portable elektronische Geräte wie Laptop und Handy sind ohne die Verwendung von Lithium-Ionen-Batterien undenkbar. Das…

Wenn Immunzellen den Körper bewegungsunfähig machen

Weltweit erste Therapie der systemischen Sklerose mit einer onkologischen Immuntherapie am LMU Klinikum München. Es ist ein durchaus spektakulärer Fall: Nach einem mehrwöchigen Behandlungszyklus mit einem immuntherapeutischen Krebsmedikament hat ein…

Partner & Förderer