Revolutionäre Operationsmethode bei Reflux hat 85-prozentige Erfolgsrate

Um auf das Problem der Refluxerkrankungen aufmerksam zu machen und gleichzeitig eine revolutionäre, neue Behandlungsmethode vorzustellen, tagten auf Einladung der Abteilung der Kinderurologie an der Medizinischen Universität Innsbruck am 20. Oktober 2006 hochrangige Mediziner und Wissenschaftler im Rahmen eines internationalen Symposiums in Innsbruck.

Der vesicoureterale Reflux ist eine der häufigsten kinderurologischen Erkrankungen.

Bei Menschen mit Refluxerkrankung fließt der Harn, der von der Niere gebildet wird und dann in die Blase fließt, von der Blase wieder zurück in die Niere, was zu einer Schädigung der Nieren führen kann.

Von den jährlich in Tirol geborenen 8.000 bis 9.000 Säuglingen kommen rund 40 bis 50 Kinder mit vesicoureteralem Reflux auf die Welt. In Österreich liegt die Zahl der Säuglinge mit angeborener Refluxerkrankung bei 400 bis 500 Neugeborenen. Besonders problematisch ist die Tatsache, dass beim Großteil der erkrankten Kinder der Reflux unerkannt bleibt.

Das kann schwerwiegende Folgen haben: Wird der Reflux nicht oder zu spät erkannt, besteht die Gefahr, dass die Nieren dauerhaft geschädigt werden. Eine Dialysepflichtigkeit beziehungsweise Transplantation der Nieren kann die Folge sein. Bei den Dialyse-Patienten steht Reflux als Ursache bereits an dritter Stelle! Im Gegensatz zu anderen Erkrankungen ist der vesicoureterale Reflux für den Patienten lange Zeit nicht mit Schmerzen verbunden und bleibt somit lange Zeit mangels Symptome unerkannt. Die Erkrankung wird oft erst dann entdeckt, wenn die Nieren bereits soweit zerstört sind, dass der Patient/die Patientin eine Dialyse braucht.

Hat der Patient/die Patientin eine Blasen- oder Harnwegsinfektion, kann diese Infektion durch den Reflux in die Niere aufsteigen, was zu einer Schädigung der Niere führen kann. Deshalb ist es bei jedem Kind mit Harnwegsinfekt besonders wichtig, sofort abzuklären, ob sich dahinter ein vesicoureteraler Reflux verbirgt. Wird die Erkrankung nicht früh genug erkannt, kann es insbesondere bei Frauen im Erwachsenenalter etwa während einer Schwangerschaft zu schwerwiegenden Komplikationen kommen. Außerdem steigt die Gefahr einer erhöhten Frühgeburtenrate oder einer erhöhten Säuglingssterblichkeit.

Damit diese schwerwiegenden Spätfolgen vermieden werden können, muss der Reflux also so früh wie möglich erkannt werden.

Dabei spielt die Ultraschall-Untersuchung während der Schwangerschaft eine wichtige Rolle: Stellt der Arzt bei der Ultraschall-Untersuchung eine erweitertes Hohlsystem in der Niere beim ungeborenen Kind fest, besteht Verdacht auf einen vesicoureteralen Reflux. Da sich die Erkrankung während der Schwangerschaft nicht behandeln und heilen lässt, muss sofort nach der Geburt mit der Diagnostik und Therapie begonnen werden. Bis dato besteht diese Therapie darin, dass dem Kind viele Jahre lang täglich Antibiotika verabreicht werden. In manchen Fällen kann es bis etwa zum 6. Lebensjahr zur Spontanheilung kommen. Doch diese Therapie birgt Risken und wird von führenden Medizinern mit Skepsis betrachtet: So liegen bis jetzt keine Studien über die Langzeitwirkung von Antibiotika im Kleinkindalter über einen langen Zeitraum vor.

Bei jenen Kindern, die nicht spontan geheilt werden können, muss ein operativer Eingriff vorgenommen werden. Es handelt sich dabei um eine offene chirurgische Rekonstruktion mit einem operativen Eingriff in Vollnarkose, der einen 10-tägigen Aufenthalt in der Klinik mit sich zieht. Dabei wird der Harnleiter neu in die Blase eingepflanzt, um den Reflux in die Niere zu verhindern.

Revolutionäre, neue Behandlungsmethode:
85-prozentige Erfolgsrate bei sofortiger Heilung
Nun lässt die Medizin mit einer revolutionären, neuen Behandlungsmethode aufhorchen, die den kleinen Patienten die jahrelangen Antibiotika-Gaben und die belastende Operation erspart: der sogenannten minimal invasiven Harnleiterunterspritzung. Dabei wird eine zuckerhaltige Substanz unterhalb der Harnleitermündung gespritzt. Bei dieser Substanz handelt es sich um spezielle Zuckermoleküle, die auch im Körper vorhanden sind. Für den kleinen Patienten ist die minimal invasive Harnleiterunterspritzung weitaus schonender als ein offener chirurgischer Eingriff mit Skalpell. Und die Erfolgsrate der neuen OP-Methode ist beachtlich: In 85 Prozent der Fälle konnte der Reflux in dem Augenblick, wo der Depotzucker in die Harnleitermündung gespritzt wurde, gestoppt werden.

Die minimal invasive Harnleiterunterspritzung mit dieser Substanz wurde in Schweden entwickelt. Am 20. Oktober wird diese revolutionäre Operationsmethode an Abteilung für Kinderurologie der Urologischen Universitätsklinik Innsbruck im Rahmen des internationalen Symposiums „Vesicoureteraler Reflux“ vorgestellt und von internationalen Experten diskutiert. Dieses Sympiosium findet auf Einladung der Abteilung für Kinderurologie der Medizinischen Universität Innsbruck statt und bringt führende Experten auf dem Gebiet der Kinderurologie und der Refluxerkrankung nach Tirol. Dr. Andy Kirsch, Leiter der Georgia Pediatric Urology, Atlanta -USA, und einer der am meisten publizierenden Wissenschaftler auf dem Gebiet der Refluxerkrankung, wird die Operation „live“ durchführen. Sie wird mit einer Videoschaltung in die Hörsäle übertragen.

Internationale Auszeichnungen für Kinderurologie der Medizinischen Universität Innsbruck

Es ist kein Zufall, dass diese Behandlungsmethode ausgerechnet in Innsbruck vorgestellt wird. Die Universitätsklinik Innsbruck ist auf dem Gebiet der Kinderurologie und bei Refluxerkrankungen Österreichweit führend und gehört hier auch weltweit zu den führenden Forschungszentren. Aufgrund des großen Know How im Bereich der Grundlagenforschung wurden Innsbrucks Mediziner heuer bereits mit drei international hoch angesehenen Preisen ausgezeichnet: dem EAU-Preis, der bei der Jahrestagung der European Association of Urology in Paris vergeben wurde; dem ESPU-Preis in Athen für das beste Poster und den besten Vortrag zum Reflux, weiters wurde Univ. Doz. Dr. Josef Oswald von der Abteilung für Kinderurologie Innsbruck ausgezeichnet, der zum Thema Reflux habilitierte. Seine Habilitationsschrift wurde als beste Habilitationsschrift der ESPU bewertet.

Vorreiterrolle der Innsbrucker Universitätsklinik bei Kinderurologie

Die Kinderurologie ist eine vergleichsweise junge eigenständige Fachdisziplin, die erst seit 2002 innerhalb der EUMS (European Union of Medical Specialties) etabliert wurde. Um den Entwicklungen Rechnung zu tragen, wurde im Jänner des heurigen Jahres die Österreichische Kinderurologische Gesellschaft gegründet, die von Univ. Prof. Dr. Christian Radmayr, Leiter der Abteilung für Kinderurologie an der Medizinischen Universität Innsbruck, geführt wird.

In Innsbruck hat man schon früh erkannt, dass die Kinderurologie eigenständig werden muss. Unter Federführung von Univ. Prof. Dr. Georg Bartsch, Leiter der Universitätsklinik für Urologie Innsbruck, wurde bereits im Jahr 1991 eine eigene Kinderstation mit speziell ausgebildetem Kinderpflegepersonal und parallel dazu ein eigener kinderurologischer Ambulanzbetrieb eingerichtet. Seit 2003 gibt es in Innsbruck eine eigene universitäre Abteilung für Kinderurologie. Im Jahr 2004, dem letzten statistisch relevanten Jahr, haben Innsbrucks Urologen hier rund 1.000 Kinder behandelt, das ist eine durchschnittliche Auslastung von 112 Prozent. 103 dieser Tausend Kinder wurden in Innsbruck wegen Reflux operiert.

Die Abteilung für Kinderurologie an der Medizinischen Universität Innsbruck genießt in der Fachwelt hohe Reputation. Dafür spricht auch die Tatsache, dass in Innsbruck zwei europäisch zertifizierte Kinderurologen tätig sind.

Dabei bräuchte Österreich noch weit mehr Kinderurologische Zentren. Zur Zeit existiert lediglich in Linz ein Primariat für Kinderurologie. Dies auch deshalb, weil Ärzte anderer Disziplinen nicht immer über ausreichende Fachkompetenz bei vesicoureteralem Reflux verfügen und die Erkrankung oft zu spät erkannt wird.

Nähere Info:

Univ. Prof. Dr. Christian Radmayr, FEAPU, Abteilung für Kinderurologie
an der Medizinischen Universität Innsbruck, Anichstraße 35, A-6020 Innsbruck,
Tel. 0043/ (0)512-504-24812, E-mail: christian.radmayr@uibk.ac.at

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