Glomerulonephritis kann Nierenversagen verursachen – Genetische Ursache dieser Krankheit entdeckt

In der aktuellen Titelgeschichte von „Nature Medicine“ berichtet ein internationales Forscherteam, dem auch Dr. Clemens Cohen und Matthias Kretzler von der Medizinischen Poliklinik der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München angehören, von einer neu entdeckten Ursache einer lebensbedrohlichen Form der Erkrankung. Die Forscher lösten die Erkrankung bei Mäusen aus, indem sie das „von Hippel-Lindau (VHL)“-Gen in bestimmten Nierenzellen ausschalteten. Dies führte zur Bildung von Proteinen, die sonst nicht in diesen Nierenzellen produziert werden. Wurde eines davon, CXCR4, durch Antikörper neutralisiert, verbesserten sich Krankheitsverlauf und Überlebensrate der Mäuse deutlich. Auch bei Menschen mit dieser gefährlichen Erkrankung fanden die Forscher entsprechend CXCR4 und andere dieser Eiweiße in der Niere. Wie wichtig diese Ergebnisse für ein besseres Verständnis dieser potentiell tödlichen Nierenerkrankung sowie der Entwicklung von neuen therapeutischen Ansätzen sind, stellt ein begleitender Kommentar in „Nature Medicine“ heraus.

Die Nieren bilden den Harn und erfüllen damit wichtige Entgiftungsfunktionen. Jede Niere besteht aus einer Million einzelner Funktionseinheiten, die je ein Nierenkörperchen enthalten. Dieses Glomerulus bildet den Nierenfilter, durch den der Primärharn aus dem Blut gefiltert wird. Vereinfacht dargestellt, wird dieser Filter von zwei Zellarten gebildet: den Podozyten und den Endothelzellen. Bei einer Entzündung des Glomerulus, einer Glomerulonephritis, kommt es zum Funktionsverlust der Nierenfilter und folgendem Nierenversagen. Meist führen autoimmune Prozesse zu diesen Erkrankungen. Bislang wurde bei der schwersten Form dieser Erkrankungen, der rapid progressiven Glomerulonephritis (RPGN), eine Beteiligung von Antikörpern vermutet.

Dieser Ansatz kann aber nicht alle Patientenfälle erklären, so dass das Team um Susan Quaggin vom Mount Sinai Hospital in Toronto, Kanada, einen alternativen Mechanismus vermutete. Da Podozyten für die Funktion des Nierenfilters nötig sind, könnte ein Defekt in dieser Zellpopulation zur RPGN führen. Angriffspunkt der Studie war das „von Hippel-Lindau-Gen“ oder VHL-Gen, da es in Podozyten eine wichtige Rolle zu spielen scheint. Das VHL-Gen wurde von Quaggins Forschergruppe bei Mäusen spezifisch in Podozyten abgeschaltet. Daraufhin brach die RPGN bei allen Mäusen mit abgeschaltetem Gen aus – ohne dass Antikörper im Blut gefunden wurden. Charakteristisch für RPGN ist auch das Auftreten von halbmondförmigen Zellansammlungen im Glomerulus. Die Wissenschaftler konnten nun zeigen, dass diese „Halbmonde“ von Podozyten mit dem Gendefekt gebildet werden.

Ein Defekt im VHL-Gen führt zur Produktion mehrerer Proteine, die physiologisch bei Sauerstoffmangel gebildet werden. Eines davon ist CXCR4, das auch eine Rolle bei der Ausbreitung von Krebs- und Stammzellen spielt. Bindet der Faktor SDF1 an dieses Membranprotein, werden mehreren Signalwege aktiviert. Diese wiederum regulieren wichtige Prozesse wie etwa Vermehrung, Überleben und Wanderung verschiedener Zelltypen. Zur Überprüfung einer möglichen Beteiligung von CXCR4 an der Entwicklung von RPGN behandelten die Forscher die mutierten, aber noch nicht erkrankten Mäuse mit einem Antikörper, der CXCR4 blockierte. Daraufhin brach die Krankheit nicht nur später aus, sondern verlief auch milder. Während sonst alle erkrankten Mäuse an Nierenversagen starben, überlebten sämtliche mit Antikörpern behandelten Tiere. Diese und weiterführende Ergebnisse der Studie unterstützen das Modell, nach dem die erhöhte Produktion von CXCR4 zur Veränderung der Podozyten beiträgt, so dass diese sich vermehren und die „Halbmonde“ im Glomerulus bilden. Interessant ist, dass die Münchner Wissenschaftler auch bei Patienten mit RPGN entsprechende „Genexpressionsprofile“ in der Niere nachweisen konnten.

Publikationen:
„Loss of the tumor suppressor Vhlh leads to upregulation of Cxcr4 and rapidly progressive glomerulonephritis in mice“, Mei Ding, Shiying Cui, Chengjin Li, Serge Jothy, Volker Haase, Brent M Steer, Philip A Marsden, Jeffrey Pippin, Stuart Shankland, Maria Pia Rastaldi, Clemens D Cohen, Matthias Kretzler & Susan E Quaggin, Nature Medicine, 2006

„Hypoxia pathway linked to kidney failure“, Gregg L Semenza, Nature Medicine, 2006

Ansprechpartner:
Dr. Clemens D. Cohen
Medizinische Poliklinik
Klinikum der Universität – Innenstadt
Tel.: 089-2180-845
Fax: 089-2180-860
E-Mail: ccohen@med.uni-muenchen.de

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Luise Dirscherl idw

Weitere Informationen:

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