Sozial kompetente Mäuse aus dem "Kindergarten"

Frühe soziale Erfahrungen erhöhen die soziale Kompetenz und spielen so eine zentrale Rolle bei der Entwicklung des Sozialverhaltens. Das belegen Untersuchungen von Dr. Igor Branchi und seinen Kollegen aus der Arbeitsgruppe von Dr. Enrico Alleva vom Römischen Istituto Superiore di Samità an Mäusen. Die Forscher bildeten Tiergruppen, in denen jeweils drei Mausmütter ihren Nachwuchs gemeinsam stillten und aufzogen. Die Vergleichsgruppen bestanden aus Mausmüttern, die ihren Nachwuchs alleine unter den üblichen Laborbedingungen aufzogen.

Bei der Untersuchung des Nachwuchses fanden die italienischen Forscher deutliche Unterschiede zwischen den Mauskindern, die in der Gruppe aufgewachsen waren und jenen aus den „Einzelfamilien“. Mäuse, die in der Gruppe aufgewachsen waren, nahmen rascher ihren sozialen Rang ein als jene aus der Kontrollgruppe.

Die Wissenschaftler suchten in den Gehirnen der Mäuse nach einer Erklärung für die höhere soziale Kompetenz der Gruppentiere. Resultat: Bei den „Gruppenmäusen“ waren bestimmte Schlüsselmoleküle des Hirnstoffwechsels um ein Vielfaches erhöht. In bestimmten Gehirnregionen fand das italienische Forscherteam deutlich erhöhte Mengen zweier so genannter Neurotrophine. Diese Substanzen fördern das Knüpfen von Verbindungen zwischen Nervenzellen. Bei den Gruppenmäusen war der Nervenwachstumsfaktor NGF um ein Fünffaches, der kurz BDNF genannte brain-derived neurotrophic factor um ein Achtfaches erhöht.

Aus diesen Ergebnissen schließen die Forscher, dass die in der Gruppe aufgewachsenen Tiere ein plastischeres Gehirn besitzen als ihre Artgenossen aus „normalen“ Mäusefamilien. Dies bedeutet, dass das Gehirn effektiver Verbindungen zwischen Nervenzellen aufbauen oder verändern kann. Beim Menschen gilt die Plastizität des Denkorgans als entscheidende Voraaussetzung für Lernen und Gedächtnis. „Diese Ergebnisse legen nahe“, sagt Branchi, „dass die Plastizität des Gehirns auch in der Entwicklung sozialer Kompetenz eine Schlüsselrolle spielt.“

Aus Studien an psychiatrischen Patienten wissen die Forscher, dass Erkrankungen wie Depressionen und Schizophrenie mit ungünstigen Erfahrungen in der frühen Kindheit, sowie mit niedrigen Neurotrophinspiegeln, vor allem geringeren Mengen an BDNF, assoziiert sind. Die italienischen Forscher gehen darum davon aus, dass ein Mangel an sozialen Kontakten in der frühen Kindheit die Anfälligkeit für psychiatrische Erkrankungen wie beispielsweise Depressionen, Schizophrenie oder soziale Phobie erhöhen kann. An diesen Störungen leiden in den westlichen Industrienationen etwa zehn Prozent der Bevölkerung.

ABSTRAKT Nr. S37.3

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Das Forum 2006 der Federation of European Neuroscience Societies (FENS) wird veranstaltet von der Österreichischen Gesellschaft für Neurowissenschaften und der Deutschen Neurowissenschaftlichen Gesellschaft. An der Tagung nehmen über 5000 Neurowissenschaftler teil. Die FENS wurde 1998 gegründet mit dem Ziel, Forschung und Ausbildung in den Neurowissenschaften zu fördern sowie die Neurowissenschaften gegenüber der Europäischen Kommission und anderen Drittmittelgebern zu vertreten. FENS ist der Europäische Partner der Amerikanischen Gesellschaft für Neurowissenschaften (American Society for Neuroscience). Die FENS vertritt eine große Zahl europäischer neurowissenschaftlicher Gesellschaften und hat rund 16 000 Mitglieder.
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