Wo Hormone im Gehirn den Hunger stillen

Körpereigene appetitzügelnde Hormone bremsen den Hunger, indem sie gezielt auf bestimmte Bereiche im Gehirn wirken. Die Genetikerin Ruth Janoschek von der Universität Köln hat die betreffenden Zellen im Gehirn nun identifiziert. Für ihre wissenschaftliche Arbeit verlieh ihr die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) kürzlich den Novartis-Preis „Junge Endokrinologie“. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert. Die Erkenntnisse der Nachwuchsforscherin könnten zukünftig zur Entwicklung neuer Medikamente gegen Übergewicht beitragen.

Vor zwölf Jahren entdeckten Forscher das appetitzügelnde Hormon Leptin. Ein schonendes Mittel zur Behandlung von Übergewicht schien gefunden: Der körpereigene Appetitzügler sollte den Heißhunger bekämpfen, der Übergewichtige dazu bringt, Kalorien aufzunehmen, die sie nicht brauchen. Doch es zeigte sich, dass Übergewichtige nicht zu wenig, sondern zu viel Leptin im Blut haben. Bei ihnen wirkt das Hormon jedoch nicht, weil das Appetitzentrum im Gehirn unempfindlich dafür geworden ist. Bald darauf war mit dem so genannten „Ciliary Neurotrophic Factor“ (CNTF) ein weiteres appetitzügelndes Eiweiß gefunden, das wie Leptin wirkt. Der Vorteil: Gegenüber CNTF bildet das Gehirn keine Resistenz aus. Der Nachteil: Das Immunsystem bildet Abwehrstoffe, die CNTF unwirksam machen.

Deshalb suchen Forscher noch immer nach Alternativen zu CNTF. Um ein solches Medikament zu entwickeln, müssen sie jedoch zunächst wissen, wo und wie das appetitzügelnde Hormon wirkt. Bislang ist bekannt, dass es auf eine bestimmte Gehirnregion zielt, den so genannten Hypothalamus. Dieser Teil des Zwischenhirns reguliert unter anderem den Schlaf-Wachrhythmus des Menschen und auch Hunger und Durst. Mit ihrer Studie „CNTF-signaling in POMC-expressing neurons is required for CNTF´s acute anorectic effect“ konnte Ruth Janoschek nun genau zeigen, welche Zellen im Hypothalamus dafür verantwortlich sind, dass einem der Appetit vergeht. Sie führte dazu Experimente mit so genannten Knock-Out Mäusen durch. Diesen Tieren fehlen bestimmte Gene, die bei normalen Mäusen vorhanden sind. Dadurch fallen bei Knock-Out-Mäusen bestimmte Körperfunktionen aus. Die Genetikerin arbeitete in ihren Versuchen mit Mäusen, denen das so genannte „gp130-Eiweiß“ in bestimmten Zellen des Hypothalamus, den Proopiomelanocortin (POMC)- Zellen, fehlte. Gp130 ist notwendig für die Signalweiterleitung von CNTF. Normale Mäuse reagieren auf CNTF mit Appetitlosigkeit und Gewichtsabnahme. In den untersuchten Knock-Out-Mäusen wirkte CNTF jedoch nicht. Die Versuche von Ruth Janoschek belegen damit, dass POMC-Zellen verantwortlich für die appetithemmende Wirkung von CNTF sind.

Die POMC-Zellen im Hypothalamus bieten einen viel versprechenden Ansatz für weitere Studien. Möglicherweise lassen sich auf diesem Weg Medikamente für Menschen finden, denen es trotz Diäten und Therapien nicht gelingt, ihr Körpergewicht zu halten. Die DGE verleiht den Novartis-Preis „Junge Endokrinologie“ jährlich für wissenschaftliche Arbeiten auf dem Gebiet Klinische und klinisch-experimentelle Endokrinologie. Bewerber dürfen nicht älter als 33 Jahre sein.

Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE)
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