Schmerzverarbeitung bei Borderline-Patientinnen erforscht

Patientinnen mit der Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) empfinden Schmerzen weniger stark als gesunde Menschen. Der Grund dafür ist, dass die Entstehung von Schmerzempfindungen vom Gehirn aktiv unterdrückt wird. Dies stellte ein Forscherteam vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim, der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und der Universitätsklinik für Psychiatrie Bern fest. Die Forschungsergebnisse wurden in der jüngsten Ausgabe des Fachmagazins Archives of General Psychiatry veröffentlicht.

BPS-Patientinnen fügen sich selbst Verletzungen zu, sie schneiden sich oder schlagen mit dem Kopf gegen die Wand und berichten aber von reduzierter Schmerzwahrnehmung bis hin zu völliger Schmerzlosigkeit. „BPS drückt sich durch Selbstverletzung, starke Impulsivität wie beispielsweise Kaufrausch oder unkontrolliertes Rasen mit dem Auto sowie instabile Stimmung aus“, erklärt Christian Schmahl, Oberarzt in der Klinik für Psychosomatik am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim, im Gespräch mit pressetext.

Um das Phänomen aufzuklären, hat das Forscherteam die zentralnervöse Verarbeitung von Schmerzreizen im Gehirn von Patientinnen mit BPS und von gesunden Versuchspersonen untersucht. Bei dem Experiment wurden objektiv identische und subjektiv gleich schmerzhaft empfundene Hitzreize auf den Handrücken der Versuchspersonen ausgeübt. Die Ergebnisse ergaben, dass objektiv identische Hitzereize von 43° von den Patientinnen subjektiv als weniger schmerzhaft empfunden wurden als von den Gesunden. Demzufolge wurde auch ihr Gehirn durch solche Reize objektiv weit weniger stark aktiviert als das der Kontrollperson. Bei Patientinnen mit Borderline-Störung führt eine erhöhte kognitive Kontrolle zu einer niedrigeren Schmerzbewertung und damit zur Schmerzunempfindlichkeit.

Somit kann man vermuten, dass starke Schmerzreize zu einer Beruhigung von Hirnsystemen führen, die für die Verarbeitung von starken Emotionen verantwortlich sind. Selbstverletzung bei Borderline-Patientinnen können daher als eine Art Selbstheilungsversuch angesehen werden. Das Gehirn verfügt über sehr effektive neuronale Netzwerke zur Unterdrückung von Schmerzen. BPS Patienten können bestimmten Regionen einschalten, um den Schmerz zu dämmen, so Schmahl. Durch die Forschungsergebnisse kann die Schmerzverarbeitung von Borderline-Patienten genutzt werden, um chronischen Schmerzpatienten helfen zu können.

In Deutschland sind rund 1,5 Prozent der Bevölkerung an BPS erkrankt. Insgesamt sind dies zwischen 800.000 und einer Mio. Erkrankte, 70 Prozent davon sind Frauen. Die Ursachen für BPS sind noch nicht geklärt. Bisher vermuten die Wissenschaftler frühe Gewalterfahrung wie sexueller Missbrauch oder genetisch bedingte Ursachen, erläutert Schmahl. Durch Therapie ist die Krankheit aber behandelbar und die Patienten werden wieder schmerzempfindlicher. Nach sechs Jahren hat sich die Krankheit bei mehr als der Hälfte der Patienten verbessert, erklärt Schmahl abschließend.

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Ines Gerasch pressetext.deutschland

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