Wozu zehn Maßbänder gut sind

Sportwissenschaftler der TU Chemnitz entwickeln einen neuartigen Koordinationstest für Kinder

Wie testet man hinreichend genau die Koordinationsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen? „Für den Koordinationstest für Kinder, der am Institut für Sportwissenschaft der TU Chemnitz entwickelt wird und dessen Ergebnisse auch der wissenschaftlichen Überprüfung standhalten, benötigen wir beispielsweise eine Sprossenwand, fünf Turnmatten, eine Rolle Klebeband, sechs Klopapierrollen, 18 Karteikarten und zehn Maßbänder“, berichtet Beate Prätorius, die an der TU Chemnitz promoviert. Die Stipendiatin der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung beschäftigt sich bereits seit 2001 forschungsseitig mit den koordinativen Fähigkeiten von Kindern. So fand sie heraus, dass vor allem Jungen und Mädchen aus sozial benachteiligten Bevölkerungsschichten zunehmend Bewegungsdefizite aufweisen. Beim Test von über 2.000 Kindern im Alter zwischen fünf und dreizehn Jahren stellte Prätorius jedoch auch fest, dass der in Deutschland weit verbreitete herkömmliche Körperkoordinationstest für Kinder „KTK“ nur eingeschränkt zur Analyse der koordinativen Fähigkeiten geeignet ist. „Dieser Test beansprucht einen zu hohen Anteil an Ausdauer- und Kraftfähigkeit. Das ist aus unserer Sicht für einen Koordinationstest unbefriedigend. Ein übergewichtiges Kind, das nicht über ein Hindernis springen kann, versagt aus Kraftgründen. Diese Defitite können durch die Koordination nicht kompensiert werden“, erläutert die Promovendin ihre Kritik am bisherigen Standardtest.

So entwickelt sie jetzt einen neuen Test, der die koordinativen Fähigkeiten weitestgehend unabhängig von Kraft und Kondition prüft. „So sollen beispielsweise Grundschullehrer künftig mit einfachen Mitteln die koordinative Leistungsfähigkeit ihrer Schüler einschätzen können, um daraus gegebenenfalls Fördermaßnahmen abzuleiten“, umschreibt Prätorius das Ziel ihres Ansatzes. Die für den Test benötigten Mittel sind entweder standardmäßig in jeder Turnhalle vorhanden oder können mit geringen finanziellen Aufwand beschafft werden.

Die Chemnitzer Bewegungswissenschaftlerin beschreibt wie beispielsweise die Reaktionsfähigkeit getestet wird: „Ein Kind steht mit dem Rücken zu zwei an einer Sprossenwand aufgestellten Langbänken. Auf ein Zeichen hin dreht es sich so schnell wie möglich um und versucht, einen zwischen den Bänken herunterrollenden Ball zu stoppen. Die erzielten Ergebnisse werden von uns aufgenommen. Dann prüfen wir mit naturwissenschaftlichen, speziell biomechanischen Messmethoden, ob diese Übung die angesprochenen koordinativen Fähigkeiten auch real nachbildet.“ Für jede Übung werden im Anschluss Punkte vergeben, anhand derer man die Fähigkeiten des Kindes klassifizieren kann. Derzeit wird der Test am Institut für Sportwissenschaften der TU Chemnitz validiert.

Die Promotionsstipendiatin plant aber auch schon weiter. „Sobald der Koordinationstest hundertprozentig steht, soll ein Ausdauer- und Krafttest ergänzt werden“, berichtet Prätorius. Gemeinsam mit Forschern der Professur Sportpädagogik/-didaktik werden darauf aufbauend Handreichungen entwickelt, die einfache Anleitungen geben, wie man den festgestellten Schwächen eines Kindes entgegenwirken kann. Denn die Konsequenzen koordinativer Probleme können nicht nur auf medizinischer Ebene weitreichend sein. „Den Körper und seine Reaktionen aufgrund mangelnder Bewegungserfahrungen und mangelnder koordinativer Fähigkeiten nicht genau einschätzen zu können, führt in vielen Fällen bei Kindern zu Unsicherheit und fehlendem Selbstbewusstsein. Dies wiederum kann zu sozialem Rückzug und im schlimmsten Fall zu psychosozialen Störungen beitragen“, skizziert Prätorius.

Weitere Informationen erteilt Beate Prätorius, Telefon (03 71) 5 31 – 29 45, E-Mail beate.praetorius@phil.tu-chemnitz.de

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Mario Steinebach Technische Universität Chemnitz

Weitere Informationen:

http://www.tu-chemnitz.de

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