Auf den Spuren der zellulären Sortiermaschine – LMU-Professor erzielt Durchbruch in Proteinforschung

Professor Roland Beckmann hat einen Ruf an die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München angenommen. Seit diesem Monat leitet er am Genzentrum eine Gruppe, die sich mit „Molecular machines in protein targeting and translocation“ beschäftigen wird. Das ist der zielgerichtete Transport von zellulären Proteinen, die in oder durch Membrane geschleust werden müssen, um an ihren Bestimmungsort zu gelangen. Dieser hochkomplexe Vorgang ist in Bakterien und auch den Zellen höherer Lebewesen essentiell. An der Proteinsortierung sind Moleküle und Molekülkomplexe beteiligt, wobei zu einem besonders kritischen Zeitpunkt die Hauptakteure den so genannten „docking complex“ bilden. Wie in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins Science berichtet, konnte Beckmann jetzt den Aufbau dieser Schlüsselstruktur zusammen mit seinem Team an der Charité der Humboldt-Universität Berlin, wo er bis zu seinem Wechsel an die LMU tätig war, aufklären. Ebenfalls beteiligt waren Forscher der Universität Heidelberg, des Max-Planck-Instituts für Molekulargenetik in Berlin sowie der University of Manchester, UK. „In München werde ich auch weiterhin an einem genaueren Verständnis der Proteinsortierung arbeiten“, so Beckmann. „Dabei wird die Zusammenarbeit mit anderen Gruppen am Genzentrum, die ebenfalls an molekularen Maschinen arbeiten, besonders wichtig sein.“

Proteine sind die wichtigsten Funktionsträger der Zelle. Ihr Aufbau ist in den Genen, also bestimmten Abschnitten des Erbmoleküls DNA, festgelegt. Ihre Aufgaben können sie oft aber erst erfüllen, wenn sie in zelluläre Membranen eingebracht oder durch Membrane transportiert wurden. Die dafür nötige, so genannte Proteinsortierung ist sogar so wichtig, dass der in Deutschland geborene Biologe Günter Blobel – in dessen New Yorker Labor Beckmann später Postdoktorand war – für seine Arbeiten auf dem Gebiet 1999 den Nobelpreis für Medizin erhielt. Er hatte unter anderem entdeckt, dass Proteine, die sortiert werden müssen, eine bestimmte Signalsequenz tragen. Bei höheren Lebewesen beispielsweise findet sich diese Sequenz bei bis zu einem Drittel der verschiedenen Proteine und ist auch dann schon vorhanden, wenn das Protein noch nicht fertig synthetisiert ist. Die Signalsequenz kann also schon abgelesen werden, wenn das betreffende Protein noch mit einem Ribosom, also einer der zellulären Produktionsstätten für Proteine, verbunden ist.

Zu diesem Zeitpunkt wird die Signalsequenz dann von einem Molekülkomplex, dem SRP oder „Signal Recognition Particle“ erkannt, der sich anheftet. Das hat zunächst vor allem einen Effekt: Die Proteinsynthese geht nicht weiter. Ribosom und Protein bleiben aber verbunden und werden von dem SRP gemeinsam zu einer zellulären Membran transportiert. Bei Bakterien ist dies die äußere Plasmamembran, bei höheren Lebewesen ist es die Membran des Endoplasmatischen Retikulums, des so genannten ER. Diese Struktur ist für die weitere Verteilung und auch den Transport der Proteine aus der Zelle heraus zuständig. In all diesen Membranen finden sich Kanäle, die Translokons. Sie schleusen die Proteine von einer Seite der Membran zur anderen. Doch damit das Translokon aktiv werden kann, muss noch ein weiterer Akteur ins Spiel kommen: der ebenfalls membrangebundene SRP-Rezeptor, kurz SR. Er vermittelt die reibungslose Übergabe des Ribosom-Protein-Komplexes vom SRP an das Translokon. Dort wird das Protein dann fertig synthetisiert und gleichzeitig mit Hilfe des Translokon-Kanals in oder durch die Membran geschleust.

„Auf lange Sicht wollen wir die gesamte Proteinsortierung auf struktureller Ebene in Bakterien und höheren Organismen verstehen“, so Beckmann. „Deshalb sehen wir uns die komplexen molekularen Maschinen an, die diesen Prozess ermöglichen.“ In vorangegangenen Arbeiten konnte er die Strukturen einiger an der Proteinsortierung beteiligter Komplexe aufklären. In der jetzt aber vorliegenden Arbeit zeigen er und sein Team, wie einige der wichtigsten Interaktionen ablaufen. Der „docking complex“ besteht aus Ribosom samt Protein, dem SRP sowie zugehörigem Rezeptor in der Membran nahe einem Translokon. Die Arbeit zeigt, dass sich durch die Interaktionen dieser Komponenten die Position des SRP verändert – und dadurch am Ribosom eine Bindestelle für das Translokon frei zugänglich wird. Das ist der Beginn der Übertragung des Ribosom-Protein-Komplexes. Vermutlich beginnt die Proteinsynthese aber erst dann wieder, wenn dieser Prozess vollständig abgeschlossen ist.

Die Forscher konnten sogar im Detail zeigen, dass der Rezeptor SR gleichzeitig an SRP und an das Ribosom bindet, was dann die Ablösung von SRP bewirkt. Erst danach kann auch das Translokon an das Ribosom binden. Die Bindestelle ist sogar schon bekannt: Sie wird auch von anderen Faktoren genutzt, etwa um mit Proteinen während ihrer Synthese zu interagieren. Für die vollständige Übergabe des Ribosoms samt Protein an das Translokon müssen dann in weiteren Schritten andere Bindestellen zugänglich gemacht werden. Alle Interaktionen zusammengenommen bringen das Translokon wohl nahe genug an das Ribosom, um den Transfer abzuschließen. Fraglich ist jetzt noch, wie das Translokon bewirkt, dass die Signalsequenz ebenfalls übertragen wird, was nötig ist, weil nur so das Protein in den Kanal „eingefädelt“ werden kann. „Wir werden uns daneben aber auch der Frage widmen, wie die Ablösung von SRP und seinem Rezeptor erfolgt“, so Beckmann. „Wir werden uns auch mit der Struktur des aktiven Translokons beschäftigen, und andere Faktoren untersuchen, die mit Proteinen während ihrer Synthese interagieren.“ (suwe)

Publikation:
„Signal Recognition Particle Receptor Exposes the Ribosomal Translocon Binding Site“, Mario Halic, Marco Gartmann, Oliver Schlenker, Thorsten Mielke, Martin R. Pool, Irmgard Sinning, Roland Beckmann,
Science, 5. Mai 2006

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Roland Beckmann
Genzentrum der LMU
Tel.: 089-2180-76900
Fax: 089-2180-76999
E-mail: beckmann@lmb.uni-muenchen.de

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Luise Dirscherl idw

Weitere Informationen:

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