"Feuer und Flamme" oder ausgebrannt?

In Zusammenarbeit mit der Bezirksregierung Münster hat das Institut für Arbeitsphysiologie an der Universität Dortmund (IfADo) ein Programm zur Vorbeugung des Burnout-Syndroms für Mitarbeiter entwickelt, die in ihrer Arbeit besonders eng mit Kunden in Kontakt stehen und dadurch besonderen psychologischen Belastungen ausgesetzt sind.

IfADo und Versorgungsverwaltung NRW erproben Burnout-Präventionsprogramm

Das Burnout-Syndrom galt lange als das „Stresssyndrom der pflegenden Berufe“ – mittlerweile ist aber klar, dass dieser Zustand des inneren „Ausgebrannt-seins“ auch vor anderen Berufen und selbst vor Verwaltungen nicht halt macht. Gemeinsam ist vielen Burnout-gefährdeten Tätigkeiten, dass sie einen persönlichen Bezug zur eigenen Tätigkeit erfordern – typisch für alle „Helfer-Berufe“. „Nur wer irgendwann für seinen Beruf ’Feuer und Flamme’ war, kann auch ausbrennen“ – so formuliert Diplom-Psychologe Dr. Sven Hollmann vom Institut für Arbeitsphysiologie an der Universität Dortmund (IfADo) diese Bedingung.

Und Mitarbeiter, die „für ihren Job brennen“, sind eigentlich für jeden Arbeitgeber besonders wertvoll – und sollten daher besonders geschützt werden. Deshalb lenkt die Bezirksregierung Münster als Dienstherr der Versorgungsverwaltung NRW verstärkt ihr Augenmerk auf dieses Problem. In Zusammenarbeit mit dem IfADo wurde ein Programm für solche Mitarbeiter entwickelt, die in Bereichen mit ausgeprägtem Kundenkontakt eingesetzt sind. Diese Mitarbeiter sind besonderen psychischen Belastungen ausgesetzt, da sie die Schnittstelle zwischen Sozialgesetzgebung und Bürger bilden – und dadurch hautnah die damit verbundenen Spannungen erleben. Unmut der Bürger über politische Entscheidungen prallt hier auf Beschäftigte, die diese Entscheidungen lediglich umsetzen.

Dr. Hollmann hat speziell hierfür ein Präventionsprogramm erarbeitet und mit Mitarbeitern der Verwaltung erprobt: Neben allgemeinen Informationen über das Burnout-Syndrom und seine Verhütung besteht dieses vor allem darin, die eigene Arbeitssituation in Hinblick auf die spezielle Problematik zu analysieren und Verbesserungsvorschläge zu machen. Dabei kam heraus: Nicht nur der Anteil an belastenden Situationen sollte gemindert, sondern gerade auch die positiven Ressourcen, wie z. B. die vertrauensvolle Zusammenarbeit im Team müssen gestärkt werden.

Entlastend kann es laut Dr. Hollmann vor allem sein, sich darüber zu verständigen, welche Grenzen es im „Aushalten-müssen“ von Aggressionen gibt. Jenseits dieser Grenzen kann es ein Notknopf sein, der Sicherheit gegen körperliche Angriffe vermittelt, oder die Möglichkeit, verfahrene Gesprächssituationen an einen Kollegen abzugeben. Auch spezielle Trainings zum Umgang mit Konflikten können hilfreich sein.

Vor den negativen Wirkungen der alltäglichen Belastungen schützen können dagegen positives Feedback, der Austausch mit Kollegen und die Sensibilisierung und der angemessene Umgang der Vorgesetzten mit dem Thema. Generell gilt es, Handlungsspielräume zu schaffen, denn eine stärkere Beteiligung bei der Gestaltung der Arbeitsabläufe verhindert, dass sich die Mitarbeiter den Strukturen und Belastungen ausgeliefert fühlen.

Wie viele Betroffene des Burnout-Syndroms es in Wirklichkeit gibt, ist schwer abzuschätzen, vor allem da es in den meisten Fällen erst gar nicht zum voll ausgeprägten Krankheitsbild mit Dienstunfähigkeit kommt. Der Prozess des Rückzugs beginnt schleichend – meist unbemerkt vom Arbeitgeber und den Betroffenen selbst – und kann sich über Jahre hinweg erstrecken. Viele Betroffene ziehen sich aus sozialen Kontakten bei der Arbeit zurück, verringern ihr Arbeitsengagement für solche Aufgaben, die über die unmittelbare Kernaufgabe hinausgehen und geben Informationen nicht mehr weiter. Gerade diese „weichen“ Leistungen sind kaum messbar, aber ein entscheidender Faktor im erfolgreichen Arbeitsablauf – das „Öl im Getriebe“. Erst im fortgeschrittenen Stadium des Burnout-Prozesses weitet sich der Leistungseinbruch dann auch auf die Kernarbeitsbereiche aus, die den klassischen Bewertungskriterien unterliegen – und meist wird erst dann das Problem für den Arbeitgeber sichtbar. Gerade darin liegt aber die Gefahr des Burnout – denn wenn es sich soweit entwickelt hat, dass es klar erkennbar ist, ist Hilfe extrem zeitaufwändig und kostspielig. Daher ist es, so Dr. Hollmann, besonders für Arbeitgeber wichtig, die Prävention nicht dem Einzelnen zu überlassen, sondern gezielt und strukturell vorzubeugen.

Hintergrund: Der Zwang zur Selbstkontrolle

Überstrapazierung interner Kontrollmechanismen ist für Burnout-Syndrom mitverantwortlich

Der lange Sitzungstag war anstrengend. Jetzt nur noch ab aufs Sofa, fernsehen und entspannen – ein Wunsch, der nur zu gut nachzuvollziehen ist. Dabei unterscheidet sich diese „Tätigkeit“ meist nur wenig von der während einer Besprechung in großer Runde: sitzen und zuhören. Was berufliche Gesprächsrunden so anstrengend macht, ist die gesteigerte Konzentration nicht nur auf die Inhalte, sondern auch auf das eigene Verhalten. Während wir auf dem Sofa ungeniert gähnen oder unseren Unmut über ein langweiliges Fernsehprogramm ausdrücken, kontrollieren wir in einer Sitzung unser Verhalten genau, auch wenn wir gerade „nur“ dabeisitzen. Blickkontakt zum Redner, um Interesse zu signalisieren, bloß kein Blick auf die Uhr, das könnte ungeduldig wirken – ständig versuchen wir, unser Verhalten an Erwartungen und Normen anzupassen.

Besonders gilt dies für Situationen mit Kundenkontakt. Auch in schwierigen Situationen immer freundlich und verbindlich zu bleiben gehört heute zum Standard – auch für Verwaltungen. Doch wenn der Arbeitstag in Wirklichkeit kaum noch etwas Freudiges und Angenehmes zu bieten hat – ist diese Freundlichkeit nur künstlich zu erzeugen. „Normkonformes Arbeitsverhalten erzeugt Anspannung, wie Druck auf einem Kessel“, beschreibt Psychologie-Professor Klaus-Helmut Schmidt vom Institut für Arbeitsphysiologie an der Universität Dortmund (IfADo) die Situation. Übersteigt der Druck eine individuelle Grenze, kann er sich spontan entladen, „beispielsweise in unkontrollierbaren Gefühlsäußerungen aus eigentlich nichtigen Anlässen“, erläutert Professor Schmidt.

Solchen Druck „unter dem Deckel“ zu halten, ist anstrengend und erschöpfend, das zeigen neuste Forschungsergebnisse des IfADo. Auf Dauer fördern diese ständigen Selbstkontrollprozesse das Burnout-Syndrom und andere psychische Befindlichkeitsstörungen. Bedingungen, unter denen Freude und Erfolg bei der Arbeit erlebt werden können und bei denen es immer wieder kurze Erholzeiten mit der Möglichkeit gibt, auch mal „man selbst“ zu sein, können hier präventiv wirken.

Kontakt:
Prof. Dr. Klaus-Helmut Schmidt, 0231-1084-327, schmidtkh@ifado.de
Dr. Sven Hollmann, 0231-1084-313, hollmann@ifado.de

Media Contact

Cornelia von Soosten idw

Weitere Informationen:

http://www.ifado.de/

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