Leben – was sonst! Therapien und Heilungschancen bei Krebs

Krebs ist längst kein Todesurteil mehr. Durch bessere Therapiemöglichkeiten können immer mehr Menschen geheilt werden. Was sind neue, besonders Erfolg versprechende Therapien – darüber diskutierten Forscher auf dem „Treffpunkt WissensWerte“.


„Leben, was sonst!“ – das ist die Antwort einer Krebspatientin auf die Frage eines Journalisten, was sie mit der Krankheit mache. Leben. Krebs ist nicht gleich Tod. Die Heilungschancen sind in den letzten zwei Jahrzehnten enorm gestiegen, sagt Prof. Dr. Volker Budach. Er ist Direktor der Klinik für Strahlentherapie an der Berliner Charité. Die Grundlagenforschung hat enorme Entwicklungssprünge gemacht – ein Teil des Erfolges. Der andere: bessere Therapien und vor allem ihr Zusammenspiel. „Die drei Säulen der Krebstherapie sind nach wie vor Chirurgie, Strahlentherapie und Chemotherapie. Wenn alle drei Methoden zusammenwirken, dann haben wir die besten Heilungschancen“, so Budach.

Chirurg, Strahlentherapeut und Nuklearmediziner arbeiten zusammen

Interdisziplinär ist auch das Schlagwort für Prof. Dr. Peter Schlag. Er ist Direktor der Klinik für Chirurgie und Chirurgische Onkologie an der Robert-Rössle-Klinik in Berlin-Buch. „An einer Krebsbehandlung sind heute nicht nur Chirurgen und Strahlentherapeuten beteiligt, sondern auch Radiologen, Physiker und Nuklearmediziner, Pathologen, internistische Onkologen sowie Psychoonkologen“, sagt Schlag. Sie alle stellen für jeden Patienten individuell ein Behandlungskonzept zusammen.

Hilfe bekommen die Mediziner dabei auch von Technologen. Einen Quantensprung hat die Medizin zum Beispiel mit der Entwicklung von 3-D-Bildern gemacht, erklärt Schlag. Sie zeigen dem Mediziner Organe oder Tumore so, wie sie es gewohnt sind: dreidimensional und nicht nur zweidimensional. Ebenfalls unverzichtbar: die Lupenfunktion. Mit ihr kann sich der Chirurg selbst kleinste Gewebeteilchen in mehrfacher Vergrößerung anschauen. Wichtig zum Beispiel bei der Minimal Invasiven Chirurgie.

„Den Tumor fast so deutlich sehen, wie bei einem offenen Schnitt“

Auch dort arbeiten Medizintechniker an immer präziseren Geräten. Kleinere und hellere Lichtquellen beispielsweise oder Kameras mit einer höheren Bildqualität. Mit ihnen kann man Tumore besser erkennen, sagt Dr. Clemens Scholz. Er ist Vorstandsmitglied der W.O.M. World of Medicine AG, die genau solche Geräte entwickelt. „Das Sehen ist einer der wichtigsten Sinne für den Chirurgen. Den Tumor bei einem Minimal Invasiven Eingriff fast so deutlich zu sehen, wie bei einem offenen Schnitt – das ist für den Chirurgen enorm wichtig. Er kann so viel einfacher erkennen, wo das entartete Gewebe anfängt und wo es aufhört“, so Scholz.

Mit den immer präziseren Geräten haben sich Krebsdiagnose und -therapie erheblich verbessert, führt Prof. Schlag weiter: „Für einen Chirurgen ist solch ein Eingriff immer ein Spagat. Einerseits muss der Tumor komplett entfernt werden, so dass keine Krebszellen zurückbleiben. Andererseits darf dabei aber nur soviel gesundes Gewebe weg geschnitten werden, wie unbedingt nötig.“ Ein kosmetischer Spagat zum Beispiel bei Brustkrebs, ein lebenswichtiger Spagat dagegen bei Lungen- oder Leberkrebs. Denn wird an diesen Organen zu viel gesundes Gewebe entfernt, kann das zu Organausfällen führen.

Operation und Bestrahlung virtuell am Computer

Hilfe bringen auch Computerprogramme. Mit ihnen kann der Chirurg ganze Operationen mittlerweile vorplanen. Und nicht nur er profitiert von der Technik. „Von welcher Seite komme ich am besten an den Tumor ran, das ist nicht nur für den Chirurgen, sondern auch für den Strahlentherapeuten wichtig“, sagt Schlag. Für einen Bestrahlungsplan werden zum Beispiel die Daten von Computer- und Kernspintomographien übereinander gelegt, erklärt sein Kollege Prof. Budach: „Noch bevor überhaupt der erste Strahl auf den Patienten trifft, wird virtuell vorherberechnet, wie die Wirkung auf den Tumor ist und welche Risiken auf den umliegenden Organen liegen.“ Ziel: den Tumor komplett zu zerstören und dabei gleichzeitig die Risikoorgane zu schonen.

Schonen wollen Forscher den Patienten auch mit der „Target Therapy“ – der zielgerichteten Therapie. „Mit ihr kann man anhand eines Genprofils vorhersagen, ob zum Beispiel ein Medikament bei einem Patienten wirken wird. Oder ob eine Chemotherapie anschlagen wird oder nicht“, sagt Prof. Dr. Antonio Pezzutto. Er ist Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie an der Charité. Vielen Patienten könnte man damit eine Chemotherapie ersparen, von der sie sowieso nicht profitieren und stattdessen nur unter den Nebenwirkungen zu leiden haben. Möglich ist das schon heute,
nur ist die Target Therapy zu zeitaufwendig und zu teuer, um sie bei jedem Krebspatienten einzusetzen.

Zukunft: Therapien zielgerichteter einsetzen

Für Pezzutto liegt hier die Zukunft der Krebsbehandlung: Therapien zielgerichteter einsetzen und auf den Patienten noch individueller abstimmen. Doch neue Therapien, neue Medikamente zu entwickeln, kostet sehr viel Geld. Aber nur dem Anschein nach, sagt Prof. Schlag. „Wenn man genauer über den Einsatz der Therapien nachdenkt und entscheidet, welche Methode zu welchem Zeitpunkt genau die richtige ist, dann kann eine Krebstherapie viel effektiver gestaltet werden.“

Diese Möglichkeiten zu erforschen, dafür haben Experten jede Menge Zeit. Früherkennung und Prävention haben die Heilungschancen zwar enorm ansteigen lassen, aber dass Krebs jemals heilbar sein wird, davon ist keiner der vier Forscher überzeugt. Aber immerhin, gibt Prof. Schlag zu bedenken: „Vor zehn Jahren hätte auch noch niemand gedacht, dass Tuberkulose fast jemals ausgerottet sein wird. Heute ist die Krankheit zum Großteil heilbar. Warum sollte uns das nicht auch beim Krebs gelingen.“

Kristin Krüger

Podium

· Prof. Dr. med. Dr. h.c. Peter M. Schlag, Direktor der Klinik für Chirurgie und Chirurgische Onkologie, Robert-Rössle-Klinik, Charité – Campus Buch und Vorsitzender der Berliner Krebsgesellschaft e.V.

· Prof. Dr. med. Antonio Pezzutto, stellv. Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie, Charité – Campus Virchow-Klinikum

· Prof. Dr. med. Volker Budach, Direktor der Klinik für Strahlentherapie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Berlin-Mitte

· Dr.-Ing. Clemens Scholz, Mitglied des Vorstands W.O.M. World of Medicine AG

Moderation

Thomas Prinzler, Wissenschaftsredaktion rbb Inforadio

Der Treffpunkt WissensWerte ist eine Veranstaltung der TSB Technologiestiftung Berlin, rbb Inforadio, der Technologie Stiftung Brandenburg, der Berliner Krebsgesellschaft e.V. und TSBmedici. Die Talkrunde fand im Rahmen der ARD Krebswoche statt.

Weitere Links zum Thema:

Krebstherapien allgemein
· ARD: Therapie gegen Krebs
http://www.ard.de/leben/themenwoche/therapie-gegen-krebs/-/id=389142/im1cu5/index.html

· Deutschlandradio: Viele kleine Fortschritte
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/forschak/483288/

· Focus: Neue Strategien gegen Krebs
http://focus.msn.de/D/DG/DGS/dgs.htm

· medinzininfo.de: Therapiemöglichkeiten bei Krebs
http://www.medizinfo.de/krebs/allgemein/therapie.shtml

Strahlentherapie
· Krebsinformationsdienst: Strahlentherapie
http://www.krebsinformationsdienst.de/Fragen_und_Antworten/strahlentherapie.html

· Krebshilfe: Strahlentherapie
http://www.krebshilfe.de/neu/infoangebot/broschueren/strahlen/index.html

· 3sat: Strahlentherapie durch den Computer
http://www.3sat.de/3sat.php?;

Target Therapy
· wissenschaft-online: Zielgenauer Angriff
http://www.wissenschaft-online.de/abo/ticker/777043

· artzwww.at: Zielgerichtete Therapie mit neuen biologischen Substanzen in der Onkologie
http://www.arztwww.at/2003_04/onko.htm#krippl

Krebsforschung
· 3sat: Neue Wege gegen Krebs
http://www.3sat.de/3sat.php?;

· br-online: Die neuen Therapien gegen Krebs
http://www.br-online.de/umwelt-gesundheit/thema/krebstherapien/index.xml

· Focus: Vorsichtiger Optimismus
http://focus.msn.de/gesundheit/krebs/therapie/forschung

· krebsinformationsdienst: Entwicklung und Prüfung neuer Verfahren
http://www.krebsinformationsdienst.de/Fragen_und_Antworten/entwicklung_und_pruefung.html

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Annette Kleffel idw

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