Dickdarm-Krebs in Österreich: 5.000 Neuerkrankungen

Blick auf die Gene zeigt Wahrscheinlichkeit für Dickdarm-Karzinom

Wissenschaftler fordern Nutzung einer genetischen Analyse

In Österreich erkranken jährlich 5.000 Menschen an Dickdarmkrebs. Etwa fünf bis zehn Prozent davon mit einer erblichen Belastung. Bei von Dickdarmkrebs betroffenen Familien könnte eine genetische Analyse Klarheit schaffen. Durch diese Prädiktive Genetische Diagnostik (PGD) können Familienmitglieder, die eine Veränderung im Erbgut tragen, identifiziert und von denen unterschieden werden, die nicht betroffen sind. Dadurch könnten gesunde Familienmitglieder von den aufwändigen Vorsorgeuntersuchungen ausgeschlossen werden. Familienangehörige, bei denen jedoch eine Mutation im Erbgut gefunden wird, kann dringend empfohlen werden, sich regelmäßig gründlich untersuchen zu lassen. Denn bei ihnen liegt die Wahrscheinlichkeit für ein Dickdarm-Karzinom bei 80 Prozent. In Deutschland, in der Schweiz und in den Niederlanden werden genetische Analysen bereits genutzt. „Wir fordern, dass Österreich diesbezüglich nachzieht“, sagt Michael Krainer vom Center of Competence for Genetic Analysis des Allgemeinen Krankenhauses (AKH) Wien gegenüber pressetext.

Krebs wird fast immer durch eine genetische Veränderung ausgelöst. Oft ist ein Mismatch-Repair-Gen mutiert, das normalerweise dafür sorgt, dass im Erbgut keine Fehler auftreten. Sind Mismatch-Repair-Gene betroffen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, an Dickdarmkrebs zu erkranken. Wenn die Ursache für eine Krebs-Erkrankung in den Genen liegt, besteht auch für direkte Blutsverwandte ein höheres Krebsrisiko. Treten mehrere Krebsfälle in einer Familie auf, sind alle Mitglieder gefährdet. Jetzt können durch eine Sequenzanalyse der speziellen Genregionen betroffene Individuen identifiziert werden.

Allerdings kann es sehr lange dauern, bis ein Ergebnis vorliegt: Wegen der aufwändigen Prozedur und noch fehlender Organisationsstruktur müssen die Betroffenen zwei Monate bis zwei Jahre darauf warten. Auch die Finanzierung ist noch nicht geregelt. „Es wird noch verhandelt“, erläutert Judith Karner-Hanusch, Leiterin der Allgemeinchirurgischen Ambulanz am AKH Wien. Sie spricht von unzähligen Briefwechseln und langsamen bürokratischen Mühlen. Die PGD wurde vom Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen bereits zugelassen. Jetzt fordern die Wissenschaftler, die Untersuchungsmethode in die Regelversorgung zu übernehmen.

Die Wissenschaftler haben speziell auf Österreich zugeschnittene Richtlinien entwickelt. 80 betroffene österreichische Familien wurden bisher gefunden und genetisch analysiert. Die Mediziner bestimmten Kriterien, die möglichst viele Mutationsträger erfassen, und sorgten für eine wirtschaftlich realisierbare Vorgehensweise bei genetischer Analyse und Vorsorge. Wenn Risikopatienten sich häufig untersuchen lassen, erhöht sich durch die Früherkennung eines Karzinoms die Heilungschance. Die PGD hat jedoch noch weitere Vorteile. Erblich nicht vorbelasteten Menschen werden viele Darmspiegelungen erspart. Das verursacht natürlich auch weniger Kosten. Krainer rechnet vor, dass ein PGD-Test bis zu 14.000 Euro einsparen kann. Damit würde das Gesundheitssystem in Österreich entlastet.

„Außerdem wäre es schön, die Proben nicht ins Ausland zu geben“, betont Karner-Hanusch. Mit einer Einführung der PGD könnten sich innovative Spezialunternehmen etablieren. Solche privatwirtschaftlichen Diagnostik-Einrichtungen seien für Österreich auch ökonomisch sinnvoll. „In einem weiteren Schritt streben wir an, in naher Zukunft das Mutationsspektrum von Zentraleuropa herauszufinden“, so Karner-Hanusch gegenüber pressetext.

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Lisa Hartmann pressetext.austria

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