Größtes PPP-Projekt an einem deutschem Universitätsklinikum

Auf dem Gelände des Universitätsklinikums Essen entsteht das „Westdeutsche Protonentherapiezentrum Essen“ (WPE) – dazu gab nun der Aufsichtsrat grünes Licht. Begonnen wird mit dem Bau im Sommer 2006. Erste Behandlungen von Patienten sind für das Jahr 2009 geplant


Nicht nur medizinisch, sondern auch ökonomisch soll das WPE ein Vorzeigeprojekt für Nordrhein-Westfalen und das Ruhrgebiet werden. „Das Protonentherapiezentrum ist das erste Public-Private-Partnership-Vorhaben an einem Universitätsklinikum und das größte deutschlandweit. Das Projekt führen wir nach strengen marktwirtschaftlichen Kriterien“, erläutert Reinhold Keil, Kaufmännischer Direktor des Universitätsklinikum Essen. Das Investitionsvolumen für die Protonenanlage beziffert er auf 115 Millionen Euro. Für die gesamte Region rechnet er mit positiven Beschäftigungseffekten, insbesondere durch Stärkung der Medizintechnikindustrie und des internationalen Patiententourismus. Keil: „Wir sehen das WPE als weiteren wichtigen Baustein zur Förderung der Spitzenmedizin im Ruhrgebiet und zur Expansion der Gesundheitswirtschaft im Land.“ So entstehen im Westdeutschen Protonentherapiezentrum Essen 100 neue Arbeitsplätze für Wissenschaftler wie Strahlenmediziner und Physiker aber auch andere medizin-technische Berufe. „Diese arbeiten nach Fertigstellung der Anlage dann in zwei Schichten und an rund 300 Tagen im Jahr“, so Keil.

Die Bestrahlung von Patienten mit Protonen wird in der Krebstherapie eingesetzt. Protonen ermöglichen die Strahlenbehandlung von Tumoren in empfindlichen Gewebsregionen und schonen Blutgefäße sowie die umgebenden Organe optimal. In dem Zentrum können jährlich bis zu 2.200 Patienten an vier Plätzen bestrahlt werden. Neben drei beweglichen Therapieplätzen für tief gelegene Tumoren (Gantries) wird auch ein kombinierter Horizontalstrahl-/Augentherapieplatz (Fixbeam) eingerichtet. Letztgenannter bietet neben der Bestrahlung von Augentumoren hinaus die Möglichkeit, auch tiefer liegende Geschwülste wie Gesichts-Hals-Tumoren oder Oberbauchtumoren zu behandeln.

Die moderne Krebstherapie basiert auf drei Säulen: Chirurgie, Medikamentöse Behandlung und Strahlentherapie. „Mehr als die Hälfte der Krebspatienten müssen im Laufe der Behandlung bestrahlt werden. Die Bestrahlung mit Photonen aus Linearbeschleunigern ist die heutige Standardform in der Strahlentherapie“, erklärt Prof. Werner Havers, Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Essen. Dabei durchdringen Photonenstrahlen den gesamten Körper. Bei der Behandlung mit Protonen hingegen kann genau gesteuert werden, wie tief die Protonen eindringen werden. Die Strahlen werden im Tumor oder gerade dahinter gestoppt und entfalten im Tumor ihre höchste Dosis. Bei schwierig zu behandelnden Tumoren kann die Strahlendosis im Tumor erhöht werden, ohne das umgebende Gewebe zu schädigen.

„Das UK Essen will ein Protonentherapiezentrum errichten, um bei bestimmten Krebsarten noch bessere Heilungserfolge zu erreichen“, weiß Prof. Havers. Besonders bei Tumoren im Kindesalter hat die Protonentherapie Vorteile. Aber auch bei tief im Körper gelegenen Tumoren, die von empfindlichen Organen umgeben und nicht funktionserhaltend operabel sind, verspricht die Protonentherapie eine optimierte Krebsbehandlung. Chirurgie und Chemotherapie können in diesen Regionen kaum eingreifen. Positive Erfahrungen mit der Protonentherapie hat das UK Essen bereits gemacht: Ärzte aus Essen behandeln Patienten mit Augentumoren seit Jahren erfolgreich in Protonenanlagen in Nizza und am Hahn-Meitner-Institut in Berlin. An diesen Bestrahlungsanlagen, die vor allem der experimentellen Forschung dienen, können nur Patienten mit Augentumoren behandelt werden.

Das UK Essen hat eine große onkologische Kompetenz, in der die Strahlentherapie gleichberechtigt neben anderen Arten der Krebsbehandlung steht. „Die bisherige Strahlentherapie mit Photonen wird neben der neuen Strahlentherapie mit Protonen bestehen bleiben“, so Havers und fügt hinzu: „Jeder Patient wird diejenige Behandlung erhalten, die für sein spezielles Krankheitsbild die richtige ist. Dafür sorgt die enge Kooperation im Westdeutsche Tumorzentrum Essen.“ Als weiteren Vorteil hebt er die enge Anbindung der neuen Strahlentherapie an ein Universitätsklinikum und damit an die forschende Medizin hervor, der für evidenzbasierte Medizin und damit die wissenschaftliche Weiterentwicklung der Therapie stehe. Letztere wolle man in Kooperation auch mit anderen Kliniken und besonders den Universitätskliniken in NRW vorantreiben.

Auch Keil sieht Standortvorteile gegenüber anderen Einrichtungen: „Durch die strategisch günstige Lage im Zentrum Nordrhein-Westfalens erstreckt sich das Einzugsgebiet des Protonenzentrums auch auf angrenzende Regionen wie südliches Niedersachsen sowie nördliches Rheinland-Pfalz und Hessen. Damit können wir 25 Millionen Menschen gezielt erreichen und optimal behandeln.“ Die Wohnortnähe sei aus Patienten- und Kostenträgersicht ein wichtiges Kriterium, weil die Protonentherapie überwiegend ambulant erfolge. Außerdem ermögliche die Größe und das breite Versorgungsangebot des UK Essen nicht nur eine qualitativ hochwertige, sondern auch eine wirtschaftliche Protonentherapie. „Das macht uns als Partner für die Krankenkassen attraktiv,“ meint Keil.

So hat das Klinikum bereits mit dem Verband der Angestellten- und Arbeitsersatzkassen (VdAK/AEV) vereinbart, ihren Patienten die Protonentherapie bei bestimmten Tumorerkrankungen zu ermöglichen. Diese Tumorarten – von der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) als „harte Indikationen“ beschrieben – stützen sich auf eine Liste der DEGRO. Darunter fallen etwa Krebsarten des Auges wie Aderhaut- und Irismelanome oder auch Sarkome der Schädelbasis. Keil ist optimistisch, auch die anderen Krankenkassen von der Erfolgsaussicht der Behandlungsmethode überzeugen zu können. So hat sich bereits vor zwei Jahren Wilfried Jacobs, Chef der AOK Rheinland, in einem so genannten Letter of Intent für das UK Essen als Standort für ein Protonentherapiezentrum ausgesprochen. Er hebt als Standortvorteile neben der universitären Anbindung die „ausgewiesene Expertise des Universitätsklinikums auf dem Gebiet der Onkologie“ sowie die vorhandenen „wertvollen praktischen Erfahrungen in der Protonentherapie“ hervor. Die begonnenen Gespräche mit Vertretern der AOK Rheinland über entsprechende Entgelte für diese neuartige Therapie möchte Keil in den nächsten Wochen intensivieren: „Wenn wir zu einem positiven Ergebnis mit den Kassen kommen, kommt die Protonentherapie dann allen Patienten zu Gute.“

Nähere Informationen: Reinhold Keil, Kaufmännischer Direktor des Universitätsklinikums Essen, E-Mail: reinhold.keil@med.uni-essen.de, Telefon: (02 01) 7 23 – 26 00.

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Kristina Gronwald idw

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