Selbstschutz vor Rückfall in Depression

DFG fördert unter Jenaer Koordination neue Multizenter-Studie zur Therapie von Depressionen


Ohnmachtsgefühle angesichts riesiger Aktenberge auf dem Schreibtisch, nervender Auseinandersetzungen mit dem pubertierenden Nachwuchs oder drohender Beziehungskrisen kennt wohl jeder. Wenn jedoch Selbstzweifel und Versagensängste den Menschen lähmen, wenn ständige Grübelei im Kopf keinen Platz mehr für positive Gedanken lässt, dann ist die Grenze zur Depression oft überschritten. „Depression ist heute die häufigste psychische Störung“, sagt Prof. Dr. Ulrich Stangier von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. „Alleine fünf bis acht Prozent der Deutschen im Alter zwischen 18 und 65 Jahren, das sind mehr als drei Millionen Menschen, zeigen behandlungsbedürftige depressive Symptome“, so der Experte für Klinisch-psychologische Intervention am Institut für Psychologie. „Wir gehen davon aus, dass etwa 15 Prozent der Menschen mindestens einmal im Leben an einer depressiven Störung leiden“, ergänzt er. Die Dimension der „Volkskrankheit Depression“ wird noch deutlicher, berücksichtigt man die hohe Rückfallquote. „Acht von zehn Patienten erleiden mehrfach depressive Episoden. Selbst bei prophylaktischer Einnahme von antidepressiven Medikamenten sind es noch etwa 40 Prozent“, so der Jenaer Psychologe.

Diese Zahl um die Hälfte zu senken, ist in einem neuen Forschungsvorhaben gemeinsames Ziel von Psychologen und Ärzten aus fünf deutschen Universitäten und Kliniken. „Wir wollen mit einer verbesserten Behandlung, die auf die Kombination von antidepressiven Medikamenten und Psychotherapie setzt, das Rückfallrisiko deutlich senken“, erklärt Prof. Stangier als Hauptprojektleiter. Rund 710.000 Euro hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) der Arbeitsgruppe für die Studie, die im März starten soll, zugesagt.

Zwar ist die Wirksamkeit von Antidepressiva durch wissenschaftliche Studien gut belegt. „Wir wollen überprüfen, ob sich mit einer kognitiven Therapie langfristig noch bessere Erfolge erzielen lassen“, sagt Stangier. Um das nachzuweisen, arbeiten Wissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität mit Kollegen in Tübingen, Frankfurt/Main, Oberursel und Mainz sowie 15 Kliniken in Thüringen und Hessen zusammen. „In unsere multizentrische Studie werden insgesamt 170 Patienten einbezogen“, sagt Stangier. Speziell trainierte Therapeuten werden mit den Patienten, die in den Kliniken ambulant behandelt werden, über mindestens acht Monate arbeiten.

„Unsere Therapie setzt bei den Problemverarbeitungsmustern der Patienten an und ist auf die Aktivierung und Stärkung eigener, bereits vorhandener Fähigkeiten und Ressourcen gerichtet. Sie sollen lernen, sich von negativen Gedanken zu lösen, eigene Stärken und Erfolge besser zu erkennen und ein positives Selbstwertgefühl zu entwickeln“, erklärt der Psychologe von der Universität Jena. Gespräche mit dem Therapeuten stünden neben Übungen zur Meditation, Rollenspielen und Belastungstests. Alles sei darauf gerichtet, dem Betroffenen praktische Hilfestellung für den Lebensalltag zu geben, seine Eigenschutzfaktoren zu stärken und ihn weniger anfällig für Rückfälle in die Depression zu machen. „Das ist nicht nur für den einzelnen Menschen bedeutungsvoll, sondern auch für die Gesellschaft relevant“, sagt Stangier. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) registriere eine Zunahme von depressiven Störungen, die immer häufiger Ursache für Arbeitsunfähigkeit und Frühverrentung sind. „Geht die Entwicklung so wie bisher weiter, verursacht die Depression im Jahr 2030 mehr negative Folgen und Kosten für die Gesellschaft als Tumorerkrankungen“.

Kontakt:
Prof. Dr. Ulrich Stagnier
Institut für Psychologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Humboldtstr. 11, 07743 Jena
Tel. 03641 / 945174, Fax: 03641 / 945172
E-Mail: Ulrich.Stangier[at]uni-jena.de

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