Neuer Sonderforschungsbereich an der LMU – Molekulare Grundlagen der Leukämie und Blutzellbildung

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat einen neuen Sonderforschungsbereich (SFB 684) eingerichtet. Die darin zusammengeführten Forschungsprojekte beschäftigen sich mit dem Thema „Molekulare Mechanismen der normalen und malignen Hämatopoese“, also den Mechanismen, die bei der Bildung von Blutzellen im gesunden Körper eine Rolle spielen und deren Störung zur Entstehung von Blutkrebs führt. Die Wissenschaftler erhoffen sich von den Einblicken in diese wichtigen Prozesse mögliche Ansatzpunkte für Therapien nicht nur bei Leukämien, sondern auch bei anderen Krebsarten. Besonders wichtig ist, dass bei dieser Initiative angewandte Forschung und Grundlagenforschung eng verzahnt sind. Der SFB wurde von den Professoren Wolfgang Hiddemann und Stefan Bohlander von der Medizinischen Klinik und Poliklinik III des Klinikums der Universität München (Standort Großhadern) initiiert. Sprecher des SFBs ist Professor Hiddemann, Sprecherhochschule ist die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, von der auch die Mehrzahl der beteiligten Wissenschaftler stammt. Zum neuen SFB gehören ebenfalls Forscher der Technischen Universität München und des Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit (GSF) in Neuherberg.

Krebs ist immer noch eine der größten medizinischen Herausforderungen unserer Zeit. Bösartige Erkrankungen nehmen an Bedeutung sogar noch zu, weil sie meist im Alter auftreten und die Lebenserwartung in den westlichen Gesellschaften steigt. Wirkungsvollere Therapien sind also nötig, aber auch Prävention und Früherkennung spielen eine wichtige Rolle. Bevor in diesen Bereichen neue Wege gefunden werden können, müssen zunächst aber die Biologie und die Entstehung bösartiger Erkrankungen besser verstanden werden. Modellcharakter für Krebserkrankungen wurde schon immer der Leukämie, dem Blutkrebs, zugeschrieben. Bei dieser Krankheit steigt die Zahl der weißen Blutkörperchen und deren Vorläuferzellen, die noch nicht funktionstüchtig sind, stark an. Der Begriff „Leukämie“ bedeutet „weißes Blut“. Die Zellen verbreiten sich nach und nach im Knochenmark und Blutkreislauf und verdrängen die gesunden Blutzellen.

Die Vorreiterrolle der Leukämien in der Forschung rührt daher, dass die leukämischen Zellen leicht gewonnen und untersucht werden können. Bislang wurden Leukämien genutzt, um grundlegende Prinzipien der Tumorerkrankungen und ihrer Therapien zu untersuchen. So waren akute Leukämien, die unbehandelt schnell zum Tode führen, die ersten Krebserkrankungen, an denen die Wirksamkeit einer systematischen Chemotherapie gezeigt werden konnte. Ebenfalls bei Leukämien wurde erstmals nachgewiesen, dass bestimmte Chromosomenveränderungen relevant für die Entstehung der Erkrankung sind. Mittlerweile stehen moderne Techniken und Methoden der molekularen Analyse zur Verfügung, die chromosomale und molekulare Veränderungen sowie die Funktion der leukämischen Zellen im Detail analysieren können.

Gene, die bei bestimmten Leukämiearten durch Mutationen oder andere Veränderungen betroffen sind, spielen eine wichtige Rolle bei der Bildung normaler Blutzellen. Neue Erkenntnisse zu ihrer Rolle im Krankheitsfall werden also auch Aspekte ihrer Funktion im gesunden Körper aufzeigen. Manche Projekte im SFB beschäftigen sich mit dem Einfluss epigenetischer Prozesse, wie DNA-Methylierung und Verpackung der DNA, die die Genaktivität, nicht aber die Gene selbst verändern. Aber auch die Untersuchung der normalen Blutzellbildung ist nötig, weil sie wiederum Rückschlüsse auf die Entstehung von Leukämie zulässt. Deshalb wollen die am SFB beteiligten Forscher die molekularen Wege und Mechanismen sowohl der normalen als auch der malignen Blutzellbildung analysieren. Im intensiven Austausch zwischen den Kooperationspartnern sollen die Charakterisierung einzelner Schlüsselmoleküle und definierter zellulärer Signalwege mit Modellen zusammengebracht werden, die die Krankheit in ihrer Komplexität erfassen. Mit Hilfe von Tiermodellen und in Zelllinien soll versucht werden, die Differenzierungsprozesse bei der Blutzellbildung und deren Fehlsteuerung bei den Leukämien besser zu verstehen. Zusätzlich steht eine große Sammlung von Patientenmaterial zur Verfügung, die im Rahmen von klinischen Studien angelegt wurde. Erkenntnisse, die aus den Analysen des Materials gewonnen wurden, werden zur Entwicklung der Modellsysteme verwandt. Zudem kann die Relevanz der Erkenntnisse aus den experimentellen Studien an diesem Material überprüft werden.

Das größte Potential ihrer Kooperation sehen die beteiligten Wissenschaftler in der Zusammenführung von klinischen Gruppen mit Grundlagenforschern. Denn nur so kann jede Stufe auf dem Weg von der normalen Blutzellbildung bis zur Leukämieerkrankung untersucht werden, von Details der molekularen Mechanismen auf atomarer Ebene bis hin zu Tiermodellen, die entsprechend den in Patienten gefundenen Veränderungen erzeugt werden. Ihre interdisziplinäre Zusammenarbeit sehen die Forscher als einzig sinnvollen Ansatz, um die schwierigen Fragen der Entstehung von Leukämie und auch der normalen Blutzellbildung möglichst umfassend anzugehen. Die größte Hoffnung dabei ist, dass diese Forschung auch einige neue potentielle Ziele und Ansatzpunkte für Therapien der Leukämie liefern wird – möglicherweise auch mit Relevanz für die häufigen soliden Tumore. (suwe)

Ansprechpartner:
Prof. Dr. med. Stefan K. Bohlander
Medizinische Klinik und Poliklinik III
Tel.: 089 / 7099-357, oder: 7095-4970
Fax: 089 / 7095-5550
E-Mail: stefan.bohlander@med.uni-muenchen.de

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Luise Dirscherl idw

Weitere Informationen:

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