Wie wir uns Gesehenes merken: RUB-Forscher in "NeuroImage"

Versuchsaufbau: Bilder und Wörter wurden den Probanden abwechselnd dargeboten.

> Wann Bilder im Kopf zu Wörtern werden

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> RUB-Forscher berichten in NeuroImage

Jeder kennt die Situation: Man wird aufgefordert sich einen Gegenstand, etwa einen Schuh, für kurze Zeit zu merken. Wäre es kein Bild, sondern ein Wort, könnte man es ständig wiederholen um es nicht zu vergessen. Wie aber funktioniert das mit einem kurz gesehenen Bild? Bislang nahm man an, man würde es sofort in den Begriff umwandeln und es sich in dieser Form merken. Dass das nicht stimmt, fand Dr. Boris Suchan (Lehrstuhl für Neuropsychologie, Prof. Dr. Irene Daum) in Zusammenarbeit mit der Abteilung Radiologie des RUB-Klinikums St. Josef-Hospital (Prof. Dr. Odo Köster) heraus. Mittels funktioneller Kernspintomographie und einem speziellen Gedächtnistest wies er nach, dass ein gesehenes Bild erst in dem Moment in den dazugehörigen Begriff umgewandelt wird, in dem die Versuchsperson das Wort tatsächlich hört. Die Ergebnisse sind in der renommierten Fachzeitschrift NeuroImage veröffentlicht.

Ständige Wiederholung gegen das Vergessen

Man geht davon aus, dass wir, um etwas in unserem Arbeitsgedächtnis zu speichern, es ständig wiederholen, um dem Vergessen entgegenzuwirken. Für diesen Prozess nutzen Wissenschaftler den Begriff des „Rehearsals“, der Wiederholung. Wie aber können Bilder wiederholt werden? „Bisher ging man davon aus, dass Bilder zur Speicherung in ihren phonologischen Code, d.h. in Worte umgewandelt werden“, erklärt Dr. Boris Suchan. „Wenn das so wäre, müsste es Versuchspersonen leichter fallen, Bilder zu erinnern, die sie zu einem späteren Zeitpunkt mit gesprochenen Worten vergleichen müssten, da sie der Modalität des Speicherungscodes eher entsprechen als das ursprüngliche Bild“, folgert der Neurowissenschaftler.

Bild merken – Wort wiedererkennen

Auf der Basis dieser Annahme entwickelte er einen speziellen Gedächtnistest, bei dem er Versuchspersonen im Wechsel Bilder von Gegenständen und vorgesprochene Wörter darbot, die die Gegenstände repräsentierten. Die Versuchspersonen mussten sich einen Gegenstand merken und ihn dann unter den angebotenen Bildern oder Wörtern wieder erkennen. „In einigen Fällen war es so, dass die Gegenstände als Bild gezeigt, später aber als gesprochenes Wort abgefragt wurden oder umgekehrt“, erläutert Suchan. Während des gesamten Tests beobachteten die Forscher die Gehirnaktivität der Versuchspersonen mit der funktionellen Kernspintomografie.

Parallelen zum Lippenlesen

So konnten sie zeigen, dass die Umwandlung des Bildes in das dazugehörige Wort entgegen bisheriger Annahmen erst dann passiert, wenn ein Bild mit einem gesprochenen Wort, das dem Bildinhalt entspricht, verglichen wird. Diese Umwandlung passiert im auditorischen Kortex, der Hirnregion, die hauptsächlich für die Verarbeitung gehörter Informationen zuständig ist. „Interessanterweise sind ähnliche Phänomene auch bei Menschen aufgezeigt worden, die Worte von den Lippen lesen“, so Dr. Suchan. „Sie nehmen die sich bewegenden Lippen bildhaft wahr und formen das so gesehene dann in Wörter um.“ Weitere Hirnregionen, die an der Speicherung beteiligt sind, sind der präfrontale Kortex, ein Teil der Großhirnrinde direkt hinter der Stirn, und die primär gedächtnisrelevanten Hirngebiete Hippokampus und Thalamus.

Titelaufnahme

Boris Suchan, Britta Linnewerth, Odo Köster, Irene Daum, Gebhard Schmid: Cross-modal processing in auditory and visual working memory. In: NeuroImage 2005, doi:10.1016/j.neuroimage.2005.08.014, http://www.ruhr-uni-bochum.de/neuropsy/publikation/boris_suchan.html

Weitere Informationen

Dr. Boris Suchan, Institut für Kognitive Neurowissenschaft, Abt. Neuropsychologie; Ruhr Universität Bochum, 44780 Bochum, Tel.: 0234/32-27575, E-Mail: boris.suchan@rub.de

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Dr. Josef König idw

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