"Weißer Punkt" heißt "ungenießbar"

Judith Kreyenschmidt erforscht, wie lange man Fleisch bei verschiedenen <br> Temperaturen lagern kann.<br> <br> <b>Fotograf:</b> Frank Luerweg/Universität Bonn<br>

Uni Bonn konzipiert einen Frische-Indikator für Fleisch

„Gekühlt mindestens haltbar bis – siehe Bodenprägung.“ Wer kennt sie nicht, die Mindesthaltbarkeitsangaben, die mehr oder weniger versteckt auf abgepacktem Frischfleisch oder eingeschweißten Wurstwaren prangen. Und dennoch zeigt das Fleisch manchmal Farb- und Geruchsabweichungen, auch wenn es laut Aufdruck noch in Ordnung sein müsste. Grund: Das Datum verrät nur die Haltbarkeit unter den angegebenen Lagerbedingungen – wenn die Kühlkette unterbrochen wird, machen sich schädliche Bakterien mitunter schon viel früher breit. Wissenschaftler der Universität Bonn sind an der Entwicklung eines Indikators beteiligt, der genau anzeigen soll, wie frisch beispielsweise das Schweinefleisch in der Kühltheke noch ist. Eine Entfärbung des Indikators zeigt an, dass das Fleisch möglicherweise verdorben ist.

Appetitlich sieht das rohe Schweinefleisch nicht mehr aus, das in den Brutschränken des Instituts für Tierhygiene seit Tagen bei 20 Grad Celsius langsam verdirbt. Salmonellen, Pseudomonaden und Enterobakterien haben von dem saftigen Filetstück Besitz ergriffen und vermehren sich munter – und das alles im Dienste der Wissenschaft.

Die Lebensmitteltechnologin Judith Kreyenschmidt untersucht hier, wie lange Fleisch bei verschiedenen Temperaturen genießbar bleibt. Alle vier Stunden entnimmt sie aus dem 20 Grad warmen Brutschrank Proben, die sie mit steriler Kochsalzlösung übergießt, maschinell zerkleinert und schließlich auf ihre Bakterienbelastung sowie verschiedene biochemische und sensorische Parameter bestimmt. Eine aufwendige Prozedur, die die Mitarbeiter des Instituts für Tierhygiene unter Leitung von Prof. Dr. Brigitte Petersen auch nachts und an den Wochenenden beschäftigt.

Die gewonnen Daten zum Fleischverderb dienen als Grundlage für die Weiterentwicklung eines Zeit-Temperatur-Indikators. Dieser soll als Zusatzinformation auf sogenannten „Intelligenten Verpackungen“ dem Verbraucher über die Einhaltung der Kühlkette bei Transport und Lagerung von Fleischwaren Aufschluss geben. Bei dem von der Uni Bayreuth entwickelten Frischeindikator handelt es sich um einen auf Filterpapier aufgebrachten Farbstoff, der unter UV-Bestrahlung blau wird und sich dann zeit- und temperaturabhängig wieder entfärbt. Der Clou dabei: Die Entfärbung erfolgt innerhalb einer ähnlichen Zeitspanne, in der auch Fleisch verdirbt: je wärmer, desto schneller.

„Wir möchten hier herausfinden, wie schnell Geflügel oder Schweinefleisch bei verschiedenen Temperaturen verdirbt“, erklärt die Tiermedizinerin Dr. Susanne Knura-Deszczka. „Das Institut in Bayreuth untersucht gleichzeitig, wie schnell sich der Zeit-Temperatur-Indikator bei diesen Temperaturen entfärbt.“ Im Idealfall ergibt sich daraus eine Aussage wie „ich muss den Indikator zwei Sekunden mit UV-Licht bestrahlen, damit er genau dann wieder entfärbt ist, wenn das Schweinefleisch nicht mehr für den Verzehr geeignet ist.“

In der Herstellung kosten die Indikatoren nur wenige Pfennige. Das „Aufladen“ mit Hilfe einer UV-Lampe ließe sich bei der Verpackung der Ware gleich mit erledigen. Der Kunde an der Kühltheke kann dann an der Farbe des Punktes direkt erkennen, wie frisch das Fleisch noch ist.

Sogenannte Zeit-Temperatur-Indikatoren sind übrigens bereits auf dem Markt. Die bisherigen Produkte haben aber verschiedene Nachteile: Sie müssen vor der Aktivierung bei sehr niedrigen Temperaturen gelagert werden oder sind für die Lebensmittelbranche mit ihren geringen Gewinnmargen einfach zu teuer. Der „blaue Punkt“ der Arbeitsgruppe Bonn-Bayreuth hat daher gute Marktchancen – zumindest, wenn er sich auch in der Praxis bewährt. Ende nächsten Jahres sollen die ersten Praxistests anlaufen.

Weitere Informationen: Prof. Dr. Brigitte Petersen, Institut für Tierhygiene, Abteilung Präventive Gesundheitskontrolle, Tel.: 0228/73-2821, Fax: 0228/73-7938, E-Mail: b-petersen@uni-bonn.de, oder Judith Kreyenschmidt, Tel.: 0228/73-3886, bzw. Dr. Susanne Knura-Deszczka, Tel.: 0228/73-2057

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Frank Luerweg idw

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