Weichmacher gehören nicht ins Speiseöl!

BfR fordert Hersteller nachdrücklich auf, die Eintragspfade zu ermitteln und zu verschließen

Unter der Überschrift „Schmutziges Gold“ berichtet die Stiftung Warentest in der Oktoberausgabe ihrer Zeitschrift „test“ über die Ergebnisse einer Untersuchung von Olivenöl der Güteklasse „nativ extra“. Neben anderen Qualitätsmängeln wiesen die Prüfer in einigen der untersuchten Produkte Weichmacher nach. Vier Substanzen wurden analysiert, darunter das am häufigsten für diesen Zweck verwendete Diethylhexylphthalat, kurz DEHP, sowie Diisodecylphthalat (DIDP). Die Ursache für die Kontamination ist bislang nicht bekannt. In seiner Risikobewertung kommt das BfR zu dem Schluss, dass bei einem kurzfristigen Verzehr derart mit Weichmachern belasteter Olivenöle keine Gesundheitsschädigung zu erwarten ist, auch wenn es dabei zu einer Überschreitung der tolerierbaren täglichen Dosis kommt. Bei längerfristigem Verzehr von hoch belastetem Öl kann eine Gesundheitsschädigung dagegen nicht mehr ausgeschlossen werden. „Wir halten die nachgewiesenen Mengen für bedenklich. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass wir Weichmacher zusätzlich aus vielen anderen Quellen aufnehmen“, so der Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung, Professor Dr. Dr. Andreas Hensel: „Weichmacher haben in Olivenöl nichts zu suchen.“ Das BfR fordert die Hersteller der Olivenöle deshalb dringend auf, die Eintragspfade, zu denen die Verpackung in diesem Fall offenbar nicht gehört, zu ermitteln und zu verschließen. Diese Empfehlung gilt ebenso für alle anderen Speiseöle, sofern eine vergleichbare Kontamination vorliegt.

Weichmacher halten Kunststoffprodukte geschmeidig. Sie werden in so vielen Bereichen des täglichen Lebens verwendet, dass man von einem „ubiquitären“ Vorkommen spricht. Entsprechend häufig kommt der Verbraucher mit den Substanzen in Kontakt. Zu den am häufigsten verwendeten Weichmachern gehört das Phthalat DEHP. Seine akute Giftigkeit ist gering; die Substanz ist nicht als erbgutschädigend eingestuft. Dosisabhängig kann DEHP aber schädliche Wirkungen auf Hoden, Niere und Leber haben: Im Tierversuch beeinträchtigt DEHP die Fortpflanzungsfähigkeit und schädigt die Geschlechtsorgane männlicher Nachkommen. DIDP wirkt erst in höheren Mengen fortpflanzungsschädigend. Hier steht die leberschädigende Wirkung im Vordergrund. Für beide Substanzen hat die Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA) erst vor kurzem tolerierbare tägliche Aufnahmemengen (Tolerable Daily Intake, TDI) abgeleitet. Der TDI für DEHP liegt bei 0,05 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht (mg/kg KG). Für DIDP und einen weiteren Weichmacher, das Diiosononylphthalat (DINP) wurde ein sogenannter „Gruppen-TDI“ in Höhe von 0,15 mg/kg KG festgelegt.

Ein Verbraucher mit einem Körpergewicht von 60 kg schöpft den TDI-Wert für DEHP bereits dann voll aus, wenn er nur 40 g (ca. 2 Eßlöffel) des Olivenöls verzehrt, das in den Untersuchungen von Stiftung Warentest mit 75 mg/kg am höchsten belastet war. Weil davon auszugehen ist, dass derselbe Verbraucher DEHP gleichzeitig aus zahlreichen weiteren Quellen aufnimmt, würde er die tolerierbare Aufnahmemenge realistisch aber schon bei niedrigeren Verzehrsmengen überschreiten. Aufgrund des 100fachen Sicherheitsabstands, der bei der Festlegung eines TDI berücksichtigt wird, muss bei kurzfristigen Überschreitungen nicht mit gesundheitsschädlichen Wirkungen gerechnet werden. Wird der TDI längerfristig überschritten, können gesundheitliche Schädigungen nicht mehr sicher ausgeschlossen werden.

Bereits im August 2003 hatte das BfR darauf hingewiesen, dass die durchschnittliche tägliche Aufnahme von DEHP möglicherweise deutlich unterschätzt wird, weil der Eintrag über den Lebensmittelpfad bei der Bewertung auf europäischer Ebene nicht ausreichend berücksichtigt wurde. Die aktuellen Untersuchungen der Stiftung Warentest bestätigen diese Vermutung. Die damalige Forderung, die wichtigsten Quellen der Belastung zu identifizieren und die Exposition kurzfristig zu verringern, hält das BfR weiter aufrecht. Das Institut weist darauf hin, dass Verbraucher ihre DEHP-Aufnahme kaum selbst beeinflussen können. Zwar können sie die nach den Untersuchungen von Stiftung Warentest am stärksten belasteten Olivenöle meiden. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass andere Öle ähnlich stark belastet sind. Die Empfehlung des BfR gilt deshalb ausdrücklich für alle Hersteller von Speiseölen.

Media Contact

Dr. Irene Lukassowitz idw

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