Impfung nach einer Rückenmarksverletzung: Ein neuartiger Ansatz zur Begrenzung der Paralyse

Wissenschaftler des Weizmann-Instituts legen einen neuartigen Ansatz zur Verhinderung einer vollständigen Lähmung nach partieller Rückenmarksverletzung vor. Dieser Ansatz besteht in der Aktivierung des körpereigenen Immunsystems, mit dessen Hilfe die Folgen des Traumas eingedämmt werden soll.

Das Team von Prof. Michal Schwartz von der Neurobiologieabteilung des Weizmann-Instituts hatte bereits in der Vergangenheit eine auf dem Immunsystem basierende Behandlung des Rückenmarks entwickelt, die zur Zeit von der Proneuron Biothechnologies Ltd. am Menschen getestet wird und auf die Regeneration des Rückenmarks nach einer vollständigen Rückenmarksverletzung zielt. Der neueste Ansatz verfolgt ein ähnliches, aber völlig andersartiges Behandlungsziel: die Begrenzung des Zellverfalls nach einer partiellen Rückenmarksverletzung. Die Wissenschaftler berichten über ihre neuesten Forschungsergebnisse in der Ausgabe der Fachzeitschrift Journal of Clinical Investigation vom 15. August.

Nach einer Laesion des zentralen Nervensystem (Hirn oder Rückenmark) breitet sich vom Ort der Verletzung einige Tage oder Wochen lang eine Schadenswelle aus, die alle Nervenzellen oder -fasern, die das ursprüngliche Trauma überlebt haben, abtötet. Diese sekundäre Degeneration kann sogar noch destruktiver sein als der ursprüngliche Schaden. So kann eine Verletzung, die dem Nervengewebe des Rückenmarks ursprünglich nur einen partiellen Schaden zugefügt hat, schließlich eine vollständige Lähmung zur Folge haben.

In den Vereinigten Staaten erleiden jährlich annähernd 10,000 Menschen eine Rückenmarksverletzung. Mehr als die Hälfte dieser Verletzungen werden als unvollständig oder partiell eingestuft, das heißt, einige Nervenfasern überleben das ursprüngliche Trauma. Wenn das überlebende Gewebe gegen die sekundäre Zerstörung der Nerven geschützt werden könnte, könnte dies die Folgeerscheinungen sichtlich reduzieren.

In der Vergangenheit zeigten Schwartz und ihre Kollegen, dass die autoimmunen T-Zellen — die weißen Blutzellen des Immunsystems, die mit dem körpereigenen Geweben interagieren — eine schützende Wirkung auf das verletzte Gewebe des Rückenmarks haben und damit den sekundäre Schaden eindämmen. Diese Schutzreaktion ist die dem Körper eigene Strategie, die Folgen des Traumas zu verringern. Die Wirksamkeit natürlich auftretender T-Zellenreaktion ist jedoch begrenzt.

In der neuen Studie wurden Ratten kurz nach einer partiellen Verletzung des Rückenmarks dem zentralen Nervensystem entnommene Peptide oder Proteinpartikel injiziert. Die Peptide sollen den natürlichen Schutzmechanismus des Immunsystems unterstützen ohne gleichzeitig eine Autoimmunerkrankung auszulösen. Ratten, die mit den Peptiden injiziert wurden, zeigten eine signifikante Verbesserung ihrer motorischen Aktivität. Bei Gewebeanalysen fanden sich im Rückenmark behandelter Ratten wesentlich mehr gesunde Nervenfasern als bei unbehandelten Ratten, was darauf schließen lässt, dass die Behandlung die Ratten vor sekundären Schäden schützte. Weiterhin legten die Forschungsergebnisse nahe, dass die Behandlung bis zu einer Woche nach der Verletzung angesetzt werden kann. Dieser Behandlungsansatz könnte sich auch bei anderen Störungen des zentralen Nervensystems als wirksam erweisen, wie zum Beispiel bei einem Schlaganfall oder einer traumatischen Hirnverletzung.

Die Wissenschaftler, die mit Prof. Schwartz zusammenarbeiteten, waren Ehud Hauben, Eugenia Agranov, Amalia Gothilf und Uri Nevo vom Weizmann-Institut und Avi Cohen und Igor Smirnov von der Proneuron Biotechnologies Ltd. Die Forschungsarbeit von Prof. Schwartz wird von der Proneuron Biotechnologies Ltd., der Jerome-und-Binnette-Lipper-Medaille, dem-Daniel-Heumann-Fonds für Rückenmarksforschung und teilweise durch Zuschüsse der Stiftung für Glaukom-Forschung und der Alan T.- Brown-Stiftung zur Heilung von Lähmungen unterstützt. Michal Schwartz ist Inhaberin des Maurice-und-Ilse-Katz-Lehrstuhls für Neuroimmunologie.

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Debbie Weiss idw

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