Neues Fenster zur nanoskopischen Medizin

Bei der Erforschung menschlicher Zellen, die seit langem als einzige Quelle aller Gesundheit und Krankheit erkannt wurden, ist die klassische Licht-Mikroskopie bislang an ihre Grenzen gestoßen. Das Auflösungsvermögen dieses Verfahrens reichte nicht aus, um auch feinste Strukturen im Innern der Zelle sichtbar zu machen. Moderne Elektronenmikroskope erlauben zwar deutlich präzisere Einblicke, haben jedoch wie alle anderen neueren Mikroskopiertechniken den Nachteil, dass sie sich nicht zur Betrachtung des Inneren lebender Zellen eignen. Völlig neue Perspektiven bietet jetzt ein Lichtmikroskop, mit dem Forscher auch bei lebenden Zellen, ohne sie zu zerstören, in Dimensionen vordringen können, die bislang der Elektronenmikroskopie vorbehalten waren. Eine solches so genanntes 4Pi-Mikroskop, das einen Wert von fast einer Million Euro hat, hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft jetzt Prof. Dr. Reiner Peters und seinem Team am Institut für Medizinische Physik und Biophysik des Universitätsklinikums Münster (UKM) zur Verfügung gestellt. Münster ist damit neben Heidelberg und Göttingen bislang weltweit der einzige Standort, an dem mit diesem modernen Verfahren gearbeitet wird.


Vorgestellt und offiziell übergeben wurde das 4Pi-Mikroskop am Freitag (27. Mai 2005) im Rahmen eines Workshops im Zentrum für Nanotechnologie (CeNTech) in Münster. „4Pi-Mikroskopie: Ein neues Fenster zur nanoskopischen Medizin“ war die Veranstaltung überschrieben. Die Auflösung des neuartigen Lichtmikroskops reicht heute in der Tat so weit, dass Strukturen bis zu einer minimalen Größe von 100 Nanometern dargestellt werden können, wobei ein Nanometer gerade mal ein Milliardstel Meter beziehungsweise ein Millionstel Millimeter ist. Besser vorstellbar wird diese winzige Größenordnung, wenn man sich vor Augen führt, dass das Verhältnis eines Nanometers zum Meter in etwa dem des Durchmessers einer Haselnuss zu dem der Erde entspricht. Für die Medizin birgt das Vordringen in solch winzige Strukturen völlig neue Perspektiven für Diagnostik und Therapie. „Die menschlicher Zelle ist ein Netzwerk nanoskopischer Komponenten“, erläutert Prof. Peters. „Die Zukunft der Medizin wird deshalb in entscheidendem Maße von neuen Techniken abhängen, mit denen diese Komponenten in lebenden Zellen einer Diagnose und Therapie zugänglich gemacht werden können“, so der Wissenschaftler, der am Institut für Medizinische Physik und Biophysik des UKM die Abteilung für Molekulare Zellbiologie leitet und gleichzeitig Gruppenleiter und Vorstandsmitglied des CeNTech ist.

Peters und sein Team arbeiten seit vielen Jahren an der Entwicklung solcher Techniken. Eine dieser Methoden, die so genannte Fluoreszenz-Mikrophotolyse (FRAP), mit der Transport- und Regulationsvorgänge in einzelnen lebenden Zellen dargestellt werden können, hat inzwischen weltweite Verbreitung in der biomedizinischen Forschung gefunden. In Verbindung mit der 4Pi-Mikroskopie kann diese Technik nun auch Informationen über dynamische Vorgänge in kleinsten Zellstrukturen liefern. Das Auflösungsvermögen des neuartigen Lichtmikroskops wird nach Worten Peters’ durch eine überaus raffinierte und hochtechnologische Kombination eines neuen Abbildungsprinzips mit ultra-kurzen Lichtblitzen, schnellen Scannern, empfindlichen Lichtdetektoren und Computern erreicht. Im Gegensatz zu herkömmlichen Mikroskopen hat es zwei Objektive, die das Untersuchungsobjekt einschließen. Dadurch kann fast das gesamte vom Objekt austretende Licht gesammelt und zur Abbildung nutzbar gemacht werden.

Neben der Arbeitsgruppe von Prof. Peters, die das neue Verfahren nutzt, um neue Informationen über nanoskopische Komponenten der Zelle zu erhalten, werden in Münster auch andere Bereiche davon profitieren. So werden Prof. Dr. Wolfgang Berdel und seine Mitarbeiter in der Medizinischen Klinik A des UKM das Gerät im Rahmen der Leukämieforschung einsetzen, während Prof. Dr. Hans Schöler und seine Gruppe am Max-Planck-Institut für Molekulare Biomedizin damit der Differenzierung von Stammzellen näher auf die Spur kommen wollen.

Weitere Auskünfte:
Prof. Dr. Reiner Peters
Institut für Medizinische Physik und Biophysik, Robert-Koch-Strasse 31, 48149 Münster, und
CeNTech, Gievenbeckerweg 11, 48149 Münster
Tel. 0251-8356933, Fax 0251-8355121, Email: petersr@uni-muenster.de

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Jutta Reising idw

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