Prostatakrebs: Stahl oder Strahl – der Patient hat die Wahl

Im Frühstadium kann Prostatakrebs in 70 Prozent der Fälle durch eine alleinige Strahlentherapie geheilt werden, berichten Experten auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie in Karlsruhe. Auch in fortgeschrittenen Stadien profitieren die Patienten noch von einer Bestrahlung nach der Operation, wie neue Studien nun erstmals belegen.

Prostatakrebs ist die häufigste Tumorerkrankung des Mannes. Pro Jahr diagnostizieren Ärzte alleine in Deutschland bei mehr als 31.000 Männern diesen Tumor der Vorsteherdrüse. In früheren Jahren waren zumeist ältere Männer betroffen. Aufgrund neuer Methoden zur Früherkennung – etwa durch den Nachweis des prostataspezifischen Antigens (PSA) im Blut – wird die Diagnose heute zunehmend häufiger auch bei jüngeren Männern gestellt.

Hat sich der Tumor zum Zeitpunkt der Diagnose noch nicht über das Organ hinaus ausgebreitet und keine Fernabsiedelungen (Metastasen) gebildet, empfiehlt der Arzt in der Regel die Operation. Bei dieser so genannten „radikalen Prostatektomie“ werden die Vorsteherdrüse, die Samenbläschen und die benachbarten Lymphknoten entfernt. Gefürchtete Nebenwirkungen dieser Operation sind Impotenz und Harnträufeln.

Erweitertes Arsenal. Die Strahlentherapie stellt darum eine Alternative dar, die zunehmend genutzt wird. In den letzten Jahren haben die Radioonkologen in diesem Bereich ihr Arsenal erweitert. Die externe Strahlentherapie mit einem Linearbeschleuniger – die Bestrahlung von außen – ist zwar weiterhin die Standardbehandlung. Auf dem Vormarsch befindet sich jedoch auch die so genannte Brachytherapie, bei der die Mediziner eine strahlende Quelle direkt in die Prostata einbringen.

Therapeutisches Nachladen. Dabei gibt es wiederum zwei verschiedene Methoden: Bei der so genannten Afterloadingtherapie wird die Prostata mit Nadeln gespickt, die an eine radioaktive Strahlenquelle angeschlossen werden. Diese Therapie dauert nur wenige Minuten, die Nadeln werden anschließend wieder entfernt. Meist wird diese Technik als Ergänzung zu einer externen Bestrahlung eingesetzt, um die Strahlendosis in einem eng umschriebenen Bereich zu erhöhen.

Kleine Stifte. Bei der Langzeitbehandlung werden kleine radioaktive Stifte („Seeds“) in die Prostata eingebracht. Dort verbleiben sie lebenslänglich und geben ihre Strahlung so lange ab, bis die Radioaktivität abgeklungen ist. Ein Vorteil dieser Behandlung besteht darin, dass – im Gegensatz zum Afterloading – nur eine einmalige Therapiesitzung erforderlich ist. Diese Behandlung ist jedoch nur für kleine Tumoren mit günstiger Prognose sinnvoll.

Heilung durch Strahl auch ohne Stahl. Ergebnisse einer ausschließlichen Strahlentherapie mit verschiedenen Techniken werden von mehreren Forscherteams auf dem Jahreskongress der DEGRO in Karlsruhe vorgestellt.

– An der Medizinischen Hochschule Hannover behandelten Strahlentherapeuten 226 Patienten mit einer externen Strahlentherapie. Die Mehrzahl erhielt parallel eine zusätzliche Hormonbehandlung über einige Monate. Nach knapp fünf Jahren betrug das krankheitsfreie Überleben je nach Risikogruppe zwischen 67 und 76 Prozent.

– Strahlentherapeuten aus Hamburg berichten über einer Gruppe von 253 Patienten, die ähnlich behandelt wurden: Die Männer erhielten eine externe Bestrahlung und jeder zweite eine zusätzliche Hormontherapie. Auch hier waren 70 Prozent der Patienten nach fünf Jahren krankheitsfrei.

– Eine interessante Vergleichsstudie präsentieren Strahlentherapeuten der Universität Würzburg. Um die Dosis in der Prostata zu erhöhen, wurden 41 Patienten mit einer herkömmlichen externen Strahlentherapie behandelt, weitere 43 Patienten erhielten nach einer niedrigeren von außen eingestrahlten Dosis als umschriebene Dosisaufsättigung eine Brachytherapie in Form einer kurzfristigen Afterloading-Spickung. Bei der ausschließlich von außen bestrahlten Gruppe waren nach drei Jahren 75 Prozent der Patienten krankheitsfrei. Bei den zusätzlich gespickten Patienten konnten die Ärzte in 86 Prozent Tumorfreiheit feststellen. Diese Zeiten sind zwar noch zu kurz um endgültige Aussagen zu treffen, deuten jedoch daraufhin, dass eine zusätzliche Spickung vorteilhaft sein kann.

– Auch an der Kölner Universitätsstrahlenklinik wurde dieser Weg beschritten. Ärzte kombinierten die externe Strahlentherapie mit der kurzzeitigen Spickung. Sie behandelten 86 Patienten und stellten fest, dass je nach Ausgangssituation die krankheitsfreien 5-Jahresüberlebensraten für die Hochrisikopatienten bei 41 Prozent, jedoch für Patienten mit niedrigem Risiko bei 100 Prozent lagen.

Fortgeschrittene Tumoren: Bessere Heilungschancen durch Stahl plus Strahl. Ob bei größeren Prostatakarzinomen eine Strahlentherapie im Anschluss an eine Operation die Chancen eines Patienten weiter verbessert, war unter Experten lange umstritten.

Nun präsentieren Radioonkologen in Karlsruhe erstmals eine bundesweite Studie, bei der sie die Therapieverfahren – alleinige Operation bzw. Operation mit nachfolgender Bestrahlung – einem Vergleich unterzogen. Es beteiligten sich 10 Zentren unter der Federführung von Professor Thomas Wiegel (Ulm).

Insgesamt 385 Patienten mit Tumoren, die die Prostatakapsel bereits überschritten hatten, wurden nach dem Zufallsprinzip der einen oder anderen Therapieform zugeordnet. Die Patienten wurden entweder nur operiert und nachbeobachtet, oder sie erhielten zusätzlich eine Strahlentherapie.

Die Auswertung nach vier Jahren ergab eine eindeutige Verbesserung zugunsten der bestrahlten Männer. Diese waren zu 80 Prozent tumorfrei, während bei den ausschließlich Operierten nur 60 Prozent keine Hinweise auf einen Rückfall zeigten.

Fazit der Experten: Bei Patienten mit kapselüberschreitendem Prostatakrebs kann eine postoperative Bestrahlung das Rückfallrisiko deutlich senken. Bemerkenswert dabei ist, dass diese Therapie kaum Nebenwirkungen zeigte.

Hoffnung bei Rückfall nach Operation. Wenn bei einem Patienten nach radikaler Prostataoperation das prostataspezifische Antigen (PSA) im Blut langsam wieder ansteigt, so ist dies meist Ausdruck eines erneuten Tumorwachstums im Operationsgebiet. Ein sehr steiler Anstieg der Werte deutet hingegen eher auf Fernabsiedelungen hin.

Bei einer geringfügigen PSA-Erhöhung kann der Arzt mit radiologischen Methoden den Tumor oft noch nicht nachweisen: Dieser ist zwar groß genug, um PSA zu produzieren, aber noch zu klein für die Bildgebung. In dieser Situation kann eine Strahlentherapie doch noch zur Heilung führen. Im Städtischen Klinikum Karlsruhe wurden 63 Patienten mit Wiederanstieg ihres PSA bestrahlt. Nach einer Nachbeobachtungszeit von knapp vier Jahren hatten sich bei 39 Prozent aller Patienten die Laborwerte wieder normalisiert, nur bei drei Patienten wuchs der Tumor in der Prostataregion weiter. Die Ergebnisse waren umso besser, je niedriger das PSA bei Behandlungsbeginn war.

Media Contact

Dipl. Biol. Barbara Ritzert idw

Weitere Informationen:

http://awmf.org

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