Neues Modell zur Leukämieentstehung

Erkrankungen des blutbildenden Systems und des Knochenmarks sind vielfältig und treten in allen Alterstufen auf. Eine zunehmend häufiger auftretende Form ist das Myelodysplastische Syndrom (MDS). Hierunter werden Fehlbildungen zusammengefasst, bei denen einzelne Zellen des Blutbildenden Knochenmarkes unterschiedlich stark in Hinblick auf ihr Aussehen, ihre Funktion und die Anzahl verändert sind und häufig so einer Leukämie vorausgehen. Die Blutbildung (Hämatopoese) wird im Wesentlichen durch sogenannte Stromazellen gesteuert.

Diese unterstützenden Zellen im Knochenmark senden Signale aus, die dazu führen, dass ruhende Stammzellen im Knochenmark anfangen sich weiterzuentwickeln. Es wird unter anderem vermutet, dass der genetische Fehler, der zu einem MDS führen kann, bereits in den Stammzellen, aus denen diese Zellen hervorgehen, liegt. Die Veränderungen beim MDS reichen von wenig beeinträchtigenden bis hin zu lebensbedrohenden bösartigen Formen, wie der akuten myeloischen Leukämie. Da das MDS vor allem in höherem Lebensalter auftritt, ist bei insgesamt zunehmender Lebenserwartung auch mit einer Häufung des MDS zu rechnen. Obwohl zahlreiche genetische und morphologische Merkmale dieser Erkrankung bekannt sind, ist ihre Entstehung bisher weitgehend unbekannt. In der heute erscheinenden Aprilausgabe der Fachzeitschrift IMMUNITY stellt eine Gruppe von Wissenschaftlern unter anderem vom Klinikum der Universität München ein Tiermodell vor, anhand dessen zum ersten Mal gezeigt werden konnte, dass der Auslöser nicht in den blutbildenden Zellen selbst liegen muss.

In dem vorgestellten Tiermodell wurde in Mäusen I?(kappa)Balpha(alpha), ein Inhibitor des Transkriptionsfaktors NF-?(kappa)B, ausgeschaltet. Transkriptionsfaktoren sind Proteine, die die Aktivität von Genen regulieren. Das Fehlen von I?Balpha hat bei den Mäusen im Knochenmark und im Blut eine Form des MDS zur Folge, die dem Übergang in die hochaggressive akute myeloische Leukämie entspricht. „Durch gezieltes Ausschalten von I?(kappa)Balpha(alpha) in unterschiedlichen Organen der Maus, die für die Blutbildung von Bedeutung sind, gelang es uns den Nachweis zu führen, dass das MDS seinen Ursprung in den Stromazellen, dass für die Regulation der Hämatopoese verantwortlich sind, und nicht den blutbildenden Stammzellen hat“, so Privatdozent Dr. Rudolf A. Rupec, Oberarzt in der Dermatologischen Klinik, der seit 1999 mit Privatdozent Dr. Ralf Huß (Institut für Pathologie der LMU) und dem Düsseldorfer Mikrobiologen Professor Dr. Klaus Pfeffer die Studie durchführt. Hier kommt die Proteingruppe Jagged/Notch ins Spiel, die maßgeblich über das weitere Schicksal von Stammzellen bei ihrer Weiterentwicklung und Ausreifung entscheidet. Das Fehlen von I?(kappa)Balpha(alpha) hat eine Fehlregulation von Jagged1 zur Folge. Hierdurch kommt es zu einer Aktivierung von Notch1 in den sogenannten neutrophilen Granulozyten (weiße Blutkörperchen, die insbesondere für die Infektabwehr zuständig sind).

Anhand des in dieser Arbeit vorgestellten Tiermodells können die genetischen Veränderungen, die mit der Entwicklung einer MDS einhergehen, genau untersucht werden. Es kann somit als Grundlage dafür dienen, die Veränderungen, die beim Menschen auftreten, besser zu verstehen und neue Strategien zur Behandlung der Vorstufen dieser Leukämie zu entwickeln, mit dem Ziel ein Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern.

Media Contact

S. Nicole Bongard idw

Weitere Informationen:

http://www.klinikum.uni-muenchen.de

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