Gehirnschäden beim Kind vermeiden

Frühkindliche Gehirnschäden sind oft nicht – wie bisher angenommen – durch eine schwierige Geburt bedingt. Häufig entsteht der Schaden schon vorher: „Man weiß heute, dass für einen bedeutenden Anteil der scheinbaren Geburtskomplikationen in Wirklichkeit vorgeburtliche Ursachen verantwortlich sind“, sagt Privatdozentin Dr. med. Regina Trollmann, Oberärztin an der Klinik für Kinder und Jugendliche der Universität Erlangen. Eine wichtige Aufgabe sei es, „Risiko-Neugeborene“ frühzeitig auszumachen. Die kindliche Gehirnschädigung ist eines der Hauptthemen auf der 31. Jahrestagung der Gesellschaft für Neuropädiatrie (GNP), die vom 21. bis 23. April 2005 in Erlangen stattfindet.

Das Gehirn ist ein empfindliches Organ: Wird es für eine gewisse Zeit unzureichend mit Sauerstoff versorgt oder mangelhaft durchblutet, kann es schwere Schäden erleiden: Epilepsie, Bewegungs-, Hör- und Sehstörungen sowie geistige Behinderung gehören zu den Folgeschäden. „Trotz der Fortschritte in der Prävention und der neonatologischen Intensivmedizin erleiden zwei bis vier von 1000 Reifgeborenen eine Gehirnschädigung durch Sauerstoffmangel“, betont Dr. Trollmann. Zu einer chronischen Sauerstoffunterversorgung des Ungeborenen können mütterliche Erkrankungen wie Bluthochdruck oder Diabetes führen. Aber auch Erkrankungen des Feten selbst spielen eine Rolle. Viele Risikofaktoren seien bereits vorgeburtlich diagnostizierbar. Dementsprechend könnten Mutter und Kind gezielt überwacht und behandelt werden.

Eine durch Sauerstoffmangel eingetretene Gehirnschädigung kann derzeit nicht medikamentös behandelt werden. Regina Trollmann ist jedoch zuversichtlich, dass es eines Tages Medikamente geben wird, mit denen sich solche Schäden abwenden lassen. Ein möglicher Ansatz wäre es, die kürzlich bei ungeborenen Mäusen entdeckten Selbstschutzmechanismen des Gehirns zu nutzen: Unter Sauerstoffmangel aktiviert das Gehirn bestimmte Gene. Diese sollen Energie-, Sauerstoffversorgung und Durchblutung sicher stellen. Ein wichtiger Vertreter dieser „Sauerstoffsensoren“ ist der Hypoxie-induzierbare Faktor-1 (HIF-1).

Eine Behandlung kann nur dann wirksam sein, wenn sie noch vor oder unmittelbar nach Beginn der Schädigung einsetzt. Eine wichtige Aufgabe für die Neuropädiater ist es daher, die Früherkennung gefährdeter Ungeborener weiter zu verbessern. Auch dabei könnten sich Selbstschutzfaktoren wie HIF-1 als nützlich erweisen. Erste Untersuchungen zeigen, dass erhöhte Werte dieser Faktoren in der Plazenta als Hinweis auf einen Sauerstoffmangel dienen können. Die Erlanger Neuropädiater hoffen, dass eine Kombination aus verschiedenen neurofunktionellen und molekularbiologischen Testverfahren dazu beitragen kann, Risiko-Neugeborene früher als bisher zu identifizieren – bevor das kindliche Gehirn irreversible Schäden davongetragen hat.

Media Contact

Anna Julia Voormann idw

Weitere Informationen:

http://www.neuropaediatrie.com

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