Bulimische Symptome: Alarmierende Ergebnisse einer Studie bei SchülerInnen der 10. Klasse

Am Montag, dem 21. März 2005, 14.30 Uhr, stellt die Medizinerin Mareke Arends in der Bibliothek des Zentrums für Psychiatrie, Psychotherapie und Medizinische Psychologie der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Julius-Kühn-Straße 7, 06112 Halle (Saale) eine Untersuchung unter halleschen Zehntklässlern zum Problem Bulimie vor und verteidigt damit ihre Promotionsarbeit.


Jedes zehnte Mädchen und jeder 50. Junge der Klassenstufe 10 zeigt in Halle bulimische Verhaltens- und Denkweisen (durchschnittlich 6,4 Prozent): „Diese Ergebnisse sind alarmierend“, fasst Mareke Arends ihre Untersuchungen unter mehr als 2300 Schülern in der Saalestadt zusammen. Die Medizinerin hatte die Jugendlichen im Rahmen einer Promotion an der Universitätsklinik und Poliklinik für Psychotherapie und Psychosomatik der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle befragt. Studien in anderen Städten zeigen ähnliche Ergebnisse. Überraschend sei, dass viele junge Schüler und Schülerinnen (15 und 16 Jahre alt) bereits eine bulimische Symptomatik oder auch bulimische Denkstrukturen aufweisen. Normalerweise liegt das Durchschnittsalter der Ersterkrankungen um zwei bis drei Jahre höher. Der durchschnittliche Body-Maß-Index (BMI) lag bei etwa 21. Bei einem BMI zwischen 18,5 und 25 gelten Menschen als normalgewichtig.

Knapp fünf Prozent aller Frauen im Alter von 14 bis 35 Jahren leiden unter Anorexie (Magersucht) und Bulimie (Ess-Brech-Sucht). Diese beiden Formen der Essstörungen betreffen zu mehr als 90 Prozent Frauen. Neuere Untersuchungen lassen aber erkennen, dass die Zahl der männlichen Betroffenen zunimmt. „Von vorher fünf Prozent sind jetzt schon zehn Prozent der Betroffenen männlich“, sagt die Ärztin, die am 21. März in Halle ihre Promotion verteidigen wird. Dass deutlich mehr Frauen unter Essstörungen leiden, liege am Druck des „Schönseins“, unter den sich viele setzen würden. Gerade in der Pubertät bekommen Mädchen eine „weiblichere“ Form, welche nicht immer mit ihren Idealvorstellungen harmoniert. „So wird früh mit Diäten begonnen und diese stellen einen Risikofaktor für die Entwicklung von Essstörungen dar.“

Eine weitere Studie, durchgeführt im gleichen Zusammenhang von Dr. Barbara Dreyer, ergab in der untersuchten Schülergruppe, dass etwa 1,4 Prozent der Schülerinnen unter Anorexia nervosa litten bzw. das Risiko trugen, an einer anorektischen Essstörung zu erkranken. Andere Untersuchungen schätzen die Häufigkeit auf zwischen 0,1 bis ein Prozent ein. Laut Meinung von Experten trägt jede/r siebte Jugendliche ein Magersucht-Risiko.

Essstörungen sind psychische Erkrankungen mit schwer wiegenden negativen Folgen für den gesamten Körper. Problematisch sei, so Mareke Arends, dass für die Betroffenen nicht genügend Therapieplätze zur Verfügung stehen und diese Erkrankungen häufig nicht von Allgemeinmedizinern diagnostiziert würden. Sie sieht bei Eltern und Schulen Handlungsbedarf. In den Schulen sollte es einen „Aufklärungsunterricht“ geben, sinnvoll sei die Verfügbarkeit eines Schulpsychologen.

Die Studie fand auf Grundlage einer Rahmenvereinbarung zwischen Universität und der Stadt Halle in Kooperation der Universitätsklinik und Poliklinik für Psychotherapie und Psychosomatik und mit dem Jugendärztlichen Dienst des Gesundheitsamtes Halle an den Gymnasien und Sekundarschulen unter Schülern der 10. Klassen statt. Im Rahmen der vorgeschriebenen Reihenuntersuchung der 10. Klasse wurde der entsprechende Fragebogen verteilt. Die Schüler wurden unter anderem nach Essverhalten an Hand des so genannten Selbstbeurteilungsbogen „Eating Disorder Inventory“ (EDI), Schulform etc. befragt. Größe und Gewicht wurde von medizinischem Personal festgestellt.

Die so genannte Ess-Brech-Sucht wird durch wiederholtes Auftreten von Fress- oder Heißhungerattacken charakterisiert. Die Häufigkeit dieser Essanfälle, bei denen größere Nahrungsmengen mit hohem Energiegehalt verzehrt werden, reicht von einmal in der Woche bis mehrmals täglich. Das Essverhalten der Bulimiekranken zeichnet sich durch unkontrollierbare, episodische Anfälle stark gezügelten Essverhaltens, regelmäßiges und absichtlich herbeigeführtes Erbrechen nach einer Essattacke und krankhafter Angst vor dem Dicksein aus. Einige Betroffene treiben übermäßigen Sport und nehmen Abführ- und Entwässerungsmittel, um ihr Gewicht zu halten. Bulimiker fallen meist lange nicht auf, da sie normal- oder gar übergewichtig sind. Die Patienten leiden unter ihrer Krankheit.

Von der Bulimie sind hauptsächlich Frauen betroffen. Die Häufigkeit der Erkrankung ist allerdings nur schwer zu ermitteln. Verschiedene Untersuchungen sprechen von einer Rate zwischen einem und acht Prozent. Die Bulimie kann schwer wiegende körperliche Schäden nach sich ziehen:

– Entzündungen der Speiseröhre und Speicheldrüse
– Mineralstoffmangel durch vermehrten Verlust über die Ausscheidung der Magensäure
– Zahnschäden durch Übersäuerung im Mundraum
– Magengeschwüre durch starkes Beanspruchen des Magens
– Herzrhythmusstörungen

Die Gründe für das Entstehen einer Essstörung sind vielfältig und spielen oft zusammen. Es spielen etwa genetische, soziokulturelle oder psychische Gründe eine Rolle, ebenso die Zugehörigkeit zu bestimmten Risikogruppen (Sportler, Gymnasiasten, Studenten und Ballettschüler).

Media Contact

Ingrid Godenrath idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-halle.de

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