Amputationen bei arteriellem Verschluss können verhindert werden

In Deutschland leiden mehr als 3,5 Millionen Menschen an der so genannten peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) – im Volksmund „Schaufensterkrankheit“ genannt. Im Anfangsstadium (Fontaine II b) macht sie sich durch Schmerzen in den Beinen beim Gehen bemerkbar. In hausärztlichen Praxen wird die Krankheit mittlerweile bei jedem fünften älteren Menschen diagnostiziert. Tendenz steigend. So harmlos wie der Name erscheint, ist die Erkrankung jedoch nicht. Denn unbehandelt drohen den Betroffenen ernsthafte Komplikationen: von offenen Wunden und absterbendem Gewebe bis zur Total-OP. Allein in Deutschland werden jährlich rund 35.000 Beine amputiert. In den fortgeschrittenen Krankheitsstadien (Fontaine III und IV) sinkt die Lebenserwartung der Betroffenen im Vergleich zu gesunden Menschen sogar auf 25 Prozent. Ursache für die Erkrankung ist eine schleichende, chronische Verkalkung der Arterien. Das Heimtückische: Die Krankheit wird erst diagnostiziert, wenn sie schon weit fortgeschritten ist. Eine erfolgreiche Behandlung ist dann umso schwieriger. Neue, vielversprechende Methoden in der Diagnostik und Therapie dieser weit verbreiteten Krankheit geben jedoch Hoffnung. Präsentiert werden sie auf dem „2. Frankfurter Interdisziplinären Symposium zur Behandlung von arteriellen Erkrankungen“ (FISBA), das am 12. März am Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität stattfindet.

Wie Professor Dr. Thomas Vogl, Direktor am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie der Frankfurter Universität, erklärt, sei es das Ziel des Symposiums, die neuesten medizinischen Erkenntnisse in der Diagnose und Therapie zu nutzen, um gemeinsam mit den niedergelassenen Ärzten eine optimale Versorgung dieser wachsenden Patientengruppe zu gewährleisten. Von entscheidender Bedeutung dabei sei eine interdisziplinäre Betrachtungs- und Vorgehensweise. „Erfolgreiche Diagnose- und Behandlungsstrategien können nur auf der Grundlage einer disziplinenübergreifenden Zusammenarbeit erzielt werden“, so Vogl.

Früherkennung durch interdisziplinäre Diagnoseverfahren

Wie wichtig das frühzeitige Erkennen der PAVK ist, hebt Dr. Jörn O. Balzer, Oberarzt am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie der Frankfurter Universität, hervor. Denn der Behandlungserfolg hänge wesentlich davon ab, wie weit die Krankheit bereits fortgeschritten ist. Ein thematischer Schwerpunkt des Symposiums liegt deshalb auf unterschiedlichen diagnostischen Verfahren. Dazu gehören neben den einfach durchzuführenden klinischen Untersuchungen insbesondere die Ultraschalldiagnostik, die Magnetresonanzangiographie sowie die CT-Angiographie. Wie Balzer erklärt, werden im ersten Teil der wissenschaftlichen Tagung Standards und Neuerungen von renommierten Referenten vorgestellt und gemeinsam diskutiert. „Unser Ziel ist es, zusammen mit den niedergelassenen Kollegen ein einfaches, reproduzierbares und kostengünstiges Screening-Programm zu entwickeln und Doppeluntersuchungen zu vermeiden“, so Balzer.

Minimal-invasive Behandlungsformen setzen sich zunehmend durch

Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Vielzahl verschiedener etablierter und neuerer Behandlungsstrategien. Zwar sei die konservative Therapie mit Optimierung der Risikofaktoren und intensiviertem Gehtraining nach wie vor der Grundpfeiler der Behandlung, erklärt Professor Vogl. Doch dürfe die Bedeutung neuerer Behandlungsformen nicht unterschätzt werden. „Die minimal-invasiven Techniken der perkutanen Rekanalisation von Gefäß-Stenosen oder -verschlüssen haben in den letzten Jahren deutlich verbesserte Offenheitsraten erzielen können als bislang angenommen“, betont Vogl. So seien durch den Einsatz von neuesten Stent-Systemen – etwa mit Medikamenten beschichtete Stents oder Nitinol-Stents – in Kombination mit abtragenden Verfahren wie z.B. der Laserangioplastie primäre Offenheitsraten von bis zu 80 Prozent nach 3 Jahren zu erzielen. „Das an unserem Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie eingesetzte Verfahren der Laserangioplastie hat sich bewährt – wir erzielen außerordentlich gute Ergebnisse“, so Balzer. Diese Entwicklung habe mittlerweile dazu geführt, dass minimal-invasiven Techiken in direkter Konkurrenz zu den chirurgischen Verfahren bei der Behandlung von Oberschenkel-Arterienverschlüssen stünden. Im Kontext des Symposiums werden darüber hinaus auch unterschiedliche Behandlungs- und Prophylaxe-Techniken von Re-Stenosen, also erneuten Gefäßverengungen, thematisiert. Neben Verfahren wie der Nachbestrahlung von innen, der so genannten Brachytherapie, werden neuere Techniken wie die Kältetherapie (Cryoplastie) oder die Bestrahlung mit Laserlicht vorgestellt und diskutiert.

Zukunftsweisende Stammzelltherapie kann Amputation verhindern

Wie Dr. Balzer betont, gibt das wissenschaftliche Symposium zudem tiefere Einblicke in neueste Therapie-Entwicklungen, die die Behandlung der Schaufensterkrankheit in Zukunft stärker bestimmen werden. Dabei werden sowohl minimal-invasive als auch chirurgische Verfahren thematisiert. Als bahnbrechende Entwicklungen seien insbesondere die sich auflösenden Stent-Systeme (bioresorbable stents), die minimal-invasiven chirurgischen Bypass-Techniken sowie die Methoden für das Anregen neuen Gefäßwachstums zu nennen, so Balzer. Dazu gehöre auch die im Gefäßzentrum der Frankfurter Universitätsklinik eingesetzte Stammzelltherapie. Mit Hilfe dieser zukunftsweisenden Therapieform sei es schon heute möglich, Gefäße neu auszubilden und größere Gewebedefekte zur Abheilung zu bringen. „Die Stammzelltherapie stellt insbesondere bei den schweren Stadien der PAVK (Fontaine III und IV) eine Option dar, um eine Amputation der betroffenen Extremität zu verhindern“, erklärt Balzer.

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Ricarda Wessinghage idw

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