Mehr als Baby Blues und Heultage: Junge Mütter finden im Internet Hilfe bei psychischen Problemen

Schwangerschaft und Entbindung stellen für viele Frauen eine große seelische Belastung dar. Psychisch bereits erkrankte Frauen stehen vor einem weiteren Problem: Inwieweit gefährden Psychopharmaka das ungeborene Kind? Eine neue Internetseite der Frauenklinik am Universitätsklinikum Bonn bietet jetzt erste Hilfe für Betroffene.


Vom sogenannten „Baby-Blues“ können viele junge Mütter ein Lied singen. Diese seelische Verstimmung nach der Entbindung, manchmal auch als „Heultage“ bezeichnet, geht glücklicherweise meist nach einigen Tagen vorüber. Bei einigen Frauen entwickelt sich das Ganze aber zu einer länger anhaltenden Wochenbettdepression oder gar zu einer krankhaften und behandlungsbedürftigen Psychose. „Den betroffenen Müttern kommt in diesem Fall das Leben durchgehend grau in grau und sinnlos vor“, sagt Professorin Dr. Anke Rohde, Leiterin der Gynäkologischen Psychosomatik der Universitätsfrauenklinik, „beim Baby Blues dagegen schwankt die Stimmung sehr stark und nur kurzfristig.“

Professorin Rohde hat das Online- Angebot http://www.frauen-und-psychiatrie.de zusammen mit dem Kinderarzt Dr. Christof Schaefer entworfen. Es soll für betroffene Frauen und deren Angehörige erste Anlaufstelle sein. Aber auch behandelnde Ärzte finden hier Informationen. Die Medizinerin stellt Unwissenheit auf beiden Seiten fest: „Junge Mütter gehen bei psychischen Problemen oft zu spät zum Arzt und dort werden sie dann gar nicht oder falsch behandelt. Aus Angst um das Kind empfehlen Ärzte dann beispielsweise abzustillen, das stürzt die Patientinnen dann in noch größere Schuldgefühle gegenüber dem Kind.“

Solche Fehldiagnosen hängen nach Beobachtungen von Professorin Rohde mit der Angst vor Nebenwirkungen von Psychopharmaka für das ungeborene beziehungsweise gestillte Kind zusammen. Das betrifft vor allem Frauen, die sich bereits in psychiatrischer Behandlung befinden. Die Medizinerin hält die Gefährdung des ungeborenen Kindes durch solche Medikamente insgesamt aber für „überschätzt“: „Bestimmte Präparate bergen zwar ein geringes Risiko. Setzt man aber ein Medikament einfach ab, ist die Gefahr für die Mutter um ein vielfaches höher.“ Hier gelte es Nutzen und Risiko gründlich und nicht schnell gegeneinander abzuwägen. Die Internetseite bietet dazu ein elektronisches Nachschlagewerk zu verschiedenen Medikamenten und ihren Auswirkungen auf Verhütung, Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit.

„Ich wollte die Seite so übersichtlich und verständlich gestalten, wie ich mir das als Laie wünschen würde“, erläutert Professorin Rohde. Besonders interessant könnte für junge Mütter der Selbsttest zur Depression nach der Entbindung sein. Der beinhaltet verschiedene Fragen zur seelischen Verfassung nach der Entbindung, am Ende ergibt sich dann ein Punktwert. Der Test ersetze zwar nicht den Arztbesuch, trotzdem sagt die Medizinerin: „Ab einem bestimmten Punktwert ist es wahrscheinlich, dass die junge Mutter ein behandlungsbedürftiges Problem hat.“ Erste Anfragen von betroffenen Müttern gingen bereits bei ihr ein.

Langfristig hofft sie, dass Ärzte ihre Patientinnen besser beraten, damit diese dann unabhängige Entscheidungen treffen können. „Denn nichts ist schlimmer“, warnt Professorin Rohde „als wenn aus Angst ein Psychopharmakon einfach abgesetzt wird oder eine psychische Krankheit gar nicht erst behandelt wird. Für die Mutter ist das bei entsprechenden Erkrankungen eine Katastrophe und dem Kind ist damit auch nicht geholfen.“

Kontakt für die Medien:
Professorin Dr. Anke Rohde
Leiterin der Gynäkologischen Psychosomatik
Zentrum für Geburtshilfe und Frauenheilkunde am Universitätsklinikum Bonn
Telefon: 0228/287-4737
E-Mail: anke.rohde@ukb.uni-bonn.de

Media Contact

Dr. Inka Väth idw

Weitere Informationen:

http://www.frauen-und-psychiatrie.de

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